TE Vwgh Beschluss 2021/7/21 Ra 2021/18/0243

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A I in L, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2021, L519 2149270-1/20E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens, beantragte am 30. April 2015 internationalen Schutz und brachte zusammengefasst vor, er sei mit seiner Familie vor dem „Islamischen Staat“ (IS), der ihn habe zwangsrekrutieren wollen, nach Bagdad geflohen. Dort sei er von einer schiitischen Miliz als vermeintlicher IS-Sympathisant entführt, gefoltert und mit dem Tod bedroht worden.

2        Mit Bescheid vom 14. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend schenkte das BVwG dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers keinen Glauben und erachtete seine ungefährdete Rückkehr in den Irak für möglich. Zur Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK vor und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden.

5        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das BVwG habe sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht hinreichend beschäftigt und seinen diesbezüglichen Ermittlungspflichten nicht Genüge getan. In Bezug auf die Interessenabwägung zur Rückkehrentscheidung habe das BVwG die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens (4,5 Jahre) nicht ausreichend beachtet.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

9        Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10       Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in einer ausführlichen, alle Beweisergebnisse umfassenden Beweiswürdigung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Das dabei erzielte Ergebnis ist (zumindest) vertretbar. Die Revision vermag dem nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen.

11       Soweit sich die Revision gegen die Interessenabwägung des BVwG nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa VwGH 21.4.2021, Ra 2021/18/0137, mwN).

12       Wenn die Revision auf die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens rekurriert, handelt es sich dabei nur um einen von mehreren Aspekten, der bei der Interessenabwägung des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2021/19/0135, mwN). Dass dieser Umstand fallbezogen entscheidend ins Gewicht fiele, vermag die Revision nicht hinreichend darzulegen. Sie zeigt somit eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung durch das BVwG nicht auf.

13       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180243.L00

Im RIS seit

11.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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