TE Vwgh Erkenntnis 2021/7/21 Ra 2021/02/0084

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §46
StVO 1960 §5 Abs1
VStG §24
VwGG §28 Abs1 Z6
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §46 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 4. Februar 2021, LVwG-S-1004/001-2020, betreffend Übertretungen der StVO (mitbeteiligte Partei: A in D, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Pfarrgasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Spruchpunkte 1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 29. April 2020 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, am 26. Juli 2018 zu jeweils näher genannten Zeitpunkten an näher bezeichneten Orten in zwei Fällen ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,56 Promille bzw. 1,54 Promille Alkoholgehalt des Blutes) gelenkt (Spruchpunkte 1. und 3.) und bei einem Verkehrsunfall mit verletzten Personen nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt zu haben, obwohl das Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei (Spruchpunkt 2.). Dadurch habe der Mitbeteiligte 1. § 5 Abs. 1, § 99 Abs. 1a StVO, 2. § 4 Abs. 2, § 99 Abs. 2 lit. a StVO und 3. § 5 Abs. 1, § 99 Abs. 1a StVO verletzt, weshalb über ihn Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt wurden.

2        Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. des Straferkenntnisses Folge, behob das Straferkenntnis in diesem Umfang und stellte das Verfahren ein. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses wies das LVwG mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses ab. Mit Spruchpunkt 3. setzte das LVwG die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu fest und verpflichtete den Mitbeteiligten zur Entrichtung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG mit Spruchpunkt 4. für nicht zulässig.

3        Nach wörtlicher Wiedergabe des Straferkenntnisses und der Beschwerde des Mitbeteiligten sowie nach Wiedergabe des Inhalts der Aussage des Mitbeteiligten in der vom LVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung stellte das LVwG den Verfahrensgang unter Wiedergabe der Ergebnisse der beim Mitbeteiligten am 26. Juli 2018 durchgeführten Alkomatmessungen und der darauf gestützten amtsärztlichen Berechnungen, der Aussagen des Mitbeteiligten und der Zeugen im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens dar. Anschließend führte das LVwG unter dem Punkt „Wesentlicher Sachverhalt“ aus, der Mitbeteiligte habe am 26. Juli 2018 gegen 18:15 Uhr an einem näher bezeichneten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt. Bei einem Fahrmanöver sei der Mitbeteiligte mit dem linken Hinterrad in den Straßengraben gekommen und das Fahrzeug habe sich aus eigener Kraft nicht mehr auf die Fahrbahn zurücklenken lassen. Im Zuge des Versuchs, das Fahrzeug wieder auf die Fahrbahn zu schieben, sei die Beifahrerin im Heckbereich unter dem Fahrzeug zu liegen gekommen. Dabei habe sie schwere Brandverletzungen durch den heißen Auspuff erlitten. Durch Anheben des Fahrzeuges mit dem Wagenheber sei es dem Mitbeteiligten gelungen, sie zu befreien. In weiterer Folge sei das Fahrzeug mit Hilfe eines Traktors, den die Mutter des Mitbeteiligten gelenkt habe, auf die Fahrbahn zurückgebracht worden. Anschließend seien sie gemeinsam zum Haus der Mutter des Mitbeteiligten gefahren, wo bis zum Eintreffen der Rettung „alkoholische Getränke - Bier und Schnaps - getrunken“ worden seien. Ein kurz nach 23:00 Uhr durchgeführter „Alkotest“ habe 1,12 Promille Blutalkoholgehalt ergeben.

4        Beweiswürdigend führte das LVwG aus, dieser Sachverhalt ergebe sich aus der Anzeige, dem durchgeführten verwaltungsbehördlichen Verfahren und den Angaben des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung.

5        Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das LVwG unter Verweis auf die herangezogenen Rechtsgrundlagen und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Nachtrunk zu Spruchpunkt 1. aus, es sei für das erkennende Gericht erwiesen, dass der Mitbeteiligte das dem Kennzeichnen nach bestimmte Fahrzeug zum angegebenen Zeitpunkt im näher bezeichneten Gemeindegebiet gelenkt habe, mit einem Rad des Fahrzeuges in den Graben gekommen sei, dieses aus eigener Motorkraft nicht auf die Fahrbahn habe zurückgelenkt werden können, der Mitbeteiligte nach der Bergung seines Fahrzeuges zum Haus seiner Mutter gefahren sei und ein um 23:11 Uhr durchgeführter „Alkotest“ einen Blutalkoholwert von 1,12 Promille ergeben habe. Für das erkennende Gericht sei nicht erwiesen, dass der Mitbeteiligte am 26. Juli 2018 gegen 18:15 Uhr und 19:00 Uhr sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

6        Der Mitbeteiligte habe gegenüber Beamten einer näher genannten Polizeiinspektion, die am 26. Juli 2018 um 22:45 Uhr beim Haus der Mutter des Mitbeteiligten eingetroffen seien, angegeben, nach dem Lenken des Fahrzeuges zwei Flaschen Bier und mehrere „Stamperl“ Cognac konsumiert zu haben, was von dessen Mutter bestätigt worden sei. Die Beifahrerin habe laut Anzeige angegeben, der Mitbeteiligte habe Almdudler und Kaffee konsumiert, wobei der Konsum der alkoholfreien Getränke wiederholt dahingehend berichtigt worden sei, dass sich dieser auf die Zeit der Anwesenheit des Mitbeteiligten in seinem Lokal einschränke. Sowohl im gerichtlichen als auch im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren habe die Beifahrerin jeweils einen Konsum von zwei Flaschen Bier und Schnaps angegeben. Auch der Sohn des Mitbeteiligten, der nur ca. 30 bis 40 Minuten vor Ort gewesen sei, habe während seiner Anwesenheit gesehen, dass der Mitbeteiligte Bier und Schnaps getrunken habe, wobei sein Sohn von klarem Schnaps, wie Marille oder Obstler, und kleineren „Stamperln“ gesprochen habe. Dies stehe im Widerspruch zur Verantwortung des Mitbeteiligten, der nur den Konsum von Weinbrand - gegenüber den Beamten sei von Cognac der Marke „Napoleon“ die Rede gewesen - angegeben habe. Die Beifahrerin habe in der niederschriftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Horn von einem Konsum von drei Bier durch den Mitbeteiligten und von Schnaps mit brauner Farbe gesprochen und angenommen, dass es sich um Rum gehandelt habe. Die Mutter des Mitbeteiligten habe bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde einen Weinkonsum angegeben.

7        Der Mitbeteiligte habe sich von Anfang an gegenüber den Polizeibeamten mit einem Nachtrunk von zwei Flaschen Bier und einigen Cognac, die mit vier bis fünf bezeichnet worden seien, verantwortet. Der Konsum alkoholischer Getränke sei von den zeugenschaftlich befragten Personen bestätigt worden, wenngleich Abweichungen hinsichtlich Art und Menge bestünden. Unmittelbar vor Ort seien die leeren Getränkegläser und die Leergebinde nicht vorgefunden worden. Die einschreitenden Beamten hätten auch nicht nachgefragt, wo sich die Leergebinde bzw. die Restbestände betreffend den Schnapskonsum befänden. Der Verantwortung des Mitbeteiligten, wonach die alkoholischen Getränke und die Gläser unmittelbar vor Eintreffen der Rettung von seiner Mutter weggetragen und im Geschirrspüler eingeräumt worden seien, könne nicht entgegengetreten werden. Die vom Mitbeteiligten zuvor angegebenen Nachtrunkmengen seien von seiner Mutter bestätigt worden, wobei sie die Angaben im Beisein des Mitbeteiligten gemacht habe und sich der Anzeige und Stellungnahme der Beamten nicht entnehmen lasse, ob sie die zuvor getätigten Angaben des Mitbeteiligten gehört habe. Die Beifahrerin habe wiederholt angegeben, dass der Mitbeteiligte während der Arbeit im Lokal - soweit sie es wahrnehmen habe können - keine alkoholischen Getränke konsumiert habe. Trotz der zum Teil unterschiedlichen Angaben der anwesenden Personen könnten die Angaben des Mitbeteiligten hinsichtlich des Nachtrunks nicht unberücksichtigt bleiben. Er habe Art und Menge des konsumierten Alkohols nach der Lenkung des Fahrzeuges angegeben und es gebe Zeugen, die jedenfalls den Konsum alkoholischer Getränke bestätigt hätten. Unter Berücksichtigung der angegebenen Nachtrunkmengen reduziere sich der Alkoholwert zu den Zeiten des Lenkens des Fahrzeuges unter die gesetzliche Strafbarkeit. Auch wenn seitens des Amtsarztes ein geringfügig niedrigerer Wert der Atemalkoholmessung vorliegen hätte müssen (0,98 Promille statt 1,2 Promille), könne diese Abweichung auch dem Umstand zugeschrieben werden, dass die Schnapsgläser nicht so genau wie allenfalls in der Gastronomie eingeschenkt würden, sondern im privaten Bereich über dem Maß von 4 cl lägen. Die angegebene Nachtrunkmenge habe dem gemessenen Atemalkoholgehalt - unter Berücksichtigung geringfügig zeitlicher Differenzen, Abbauraten und Gläserbefüllung - entsprochen. Das erkennende Gericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht mit der für die Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen sei, dass der Mitbeteiligte die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs. 1a StVO begangen habe.

8        Gegen die Spruchpunkte 1. und 3. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen, in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass die Beschwerde zu den Spruchpunkten 1. und 3. abgewiesen werde, die verwaltungsbehördlichen Kosten von € 322,-- bestätigt würden und für das Beschwerdeverfahren ein Kostenbeitrag von € 644,-- zu entrichten sei; in eventu werde die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt.

9        Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Nachtrunk, wonach derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des so konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen habe, ab, weil dem Schluss des LVwG, wonach nicht erwiesen sei, dass der Mitbeteiligte zu den angeführten Tatzeiten sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, mangels Feststellungen zu Art und Menge des Nachtrunkes die wesentliche Sachverhaltsgrundlage fehle, als zulässig und begründet.

12       Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist einzig und allein ausschlaggebend, ob der Beschuldigte zur Tatzeit entgegen der Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVO ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Eine nach diesem Zeitpunkt vorliegende Alkoholbeeinträchtigung des Beschuldigten hat nicht zwangsläufig die Annahme zur Folge, dass er sich auch schon zur Tatzeit in einem derartigen Zustand befunden habe, lässt aber auf Grund des gegebenen zeitlichen Zusammenhanges grundsätzlich auch in dieser Richtung entsprechende Rückschlüsse zu (vgl. VwGH 25.4.1985, 85/02/0019).

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat derjenige, der sich auf einen „Nachtrunk“ beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols dezidiert anzugeben und zu beweisen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2019, Ra 2019/02/0059; VwGH 27.2.2007, 2007/02/0018, jeweils mwN).

14       Gelangt die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass dem Beschuldigten kein Nachtrunk zuzubilligen sei, darf es die Ergebnisse einer auf die Messwerte einer durchgeführten Alkomatmessung gestützten amtsärztlichen Rückrechnung als erwiesen annehmen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 21.9.1988, 88/03/0021). Wird hingegen ein Nachtrunk als erwiesen angenommen, bedarf es konkreter Feststellungen zur Art und Menge des solcherart vom Beschuldigten konsumierten Alkohols. Nur dann kann im Wege einer auf die Ergebnisse der durchgeführten Alkomatmessung gestützten amtsärztlichen Rückrechnung nachvollziehbar beurteilt werden, ob sich der Beschuldigte im Tatzeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO befunden hat oder eben gerade nicht.

15       Gemäß § 46 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die zur Entscheidung der Rechtssache erforderlichen Beweise aufzunehmen.

16       Wenn der Aufnahme eines unmittelbaren Beweises kein tatsächliches Hindernis entgegensteht, darf sich die Behörde nicht mit einem mittelbaren Beweis zufriedengeben. Die Unmittelbarkeit in Hinblick auf die Aussage eines Zeugen verlangt damit dessen Einvernahme vor dem erkennenden Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 11.1.2018, Ra 2017/02/0223, mwN). Bei widersprüchlichen Zeugenaussagen ist es zur Wahrheitsfindung erforderlich, in konkreter Fragestellung die jeweiligen Aussagen des einen Zeugen den eine gegenteilige Position einnehmenden anderen Zeugen vorzuhalten. Dabei kann gegebenenfalls auch eine von Amts wegen vorgenommene Gegenüberstellung der Zeugen zur Erforschung der Wahrheit erforderlich sein (vgl. VwGH 17.2.2011, 2009/07/0132).

17       Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu begründen. Vor dem Hintergrund des § 38 VwGVG iVm § 24 VStG hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung iSd § 58 AVG zu begründen (vgl. Abs. 2 dieser Bestimmung). Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

18       Diese von § 60 AVG verlangte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was das Verwaltungsgericht veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (z.B. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041, mwN).

19       Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie z.B. von Zeugenaussagen ist weder erforderlich noch hinreichend, eine Aufzählung aufgenommener Beweise mag zweckmäßig sein (vgl. zum Ganzen näher z.B. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, mwN).

20       Im Revisionsfall wurden am 26. Juli 2018 beim Mitbeteiligten um 23:10 Uhr und um 23:11 Uhr Messungen des Alkoholgehaltes der Atemluft mittels eines Alkomaten durchgeführt, die Werte von 0,57 mg/l bzw. 0,56 mg/l ergaben. Nach den amtsärztlichen Rückrechnungen würde dies - ohne Berücksichtigung eines allfälligen Nachtrunkes - für die Tatzeiten um 18:15 Uhr und um 19:00 Uhr Blutalkoholwerte von 1,56 Promille bzw. 1,54 Promille ergeben.

21       In der Beschwerde wurde vom Mitbeteiligten die Einvernahme seines Sohnes, seiner Mutter, der bei ihm als Küchenhilfe angestellten Beifahrerin sowie zweier Polizisten beantragt.

22       Entgegen § 46 Abs. 1 VwGVG hat das LVwG jedoch ohne ausdrückliche Begründung von der Einvernahme dieser Zeugen Abstand genommen und in der von ihm durchgeführten mündlichen Verhandlung nur den Mitbeteiligten vernommen.

23       Das LVwG kam im angefochtenen Erkenntnis nach Wiedergabe der widersprüchlichen Aussagen des Mitbeteiligten sowie der Zeugen im verwaltungsbehördlichen Verfahren ohne nähere beweiswürdigende Auseinandersetzung mit diesen Widersprüchen und ohne sich gemäß § 46 Abs. 1 VwGVG einen unmittelbaren Eindruck von diesen Zeugen verschafft zu haben, zunächst dennoch zur Feststellung, dass „Bier und Schnaps“ getrunken worden seien sowie letztlich zu dem Schluss, dass „die Angaben des [Mitbeteiligten] hinsichtlich des Nachtrunks nicht unberücksichtigt bleiben“ könnten. Es gebe Zeugen, die „jedenfalls den Konsum alkoholischer Getränke bestätigt“ hätten.

24       Damit unterließ es das LVwG jedoch in Verkennung der Rechtslage nicht nur, die beantragten Zeugen in seiner Verhandlung selbst zu vernehmen, sondern auch, konkrete Feststellungen zur Menge des solcherart konsumierten Alkohols zu treffen, sodass anhand der amtsärztlichen Rückrechnungen nicht beurteilt werden kann, ob die nach § 5 Abs. 1 StVO relevanten Werte zur Tatzeit überschritten wurden.

25       Überdies ist eine nähere Beweiswürdigung zur Feststellung, es sei „Bier und Schnaps“ getrunken worden, unterblieben; angesichts der unterschiedlichen Angaben des Mitbeteiligten und der Zeugen - die auch Wein, Obstler und Rum enthalten - ist in diesem Fall jedoch eine Auseinandersetzung mit der Glaubhaftigkeit der Aussagen der allesamt mit dem Mitbeteiligten in einer Verwandtschaftsbeziehung bzw. einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Personen jedenfalls erforderlich. Auch für die Feststellung, die Mutter des Mitbeteiligten habe den Traktor bei der Bergung gelenkt, kann sich das LVwG beweiswürdigend nicht nur auf die Behauptung des Mitbeteiligten stützen, hat doch die Mutter des Mitbeteiligten in ihrer Einvernahme am 5. September 2018 vor der belangten Behörde angegeben, der Mitbeteiligte - und nicht sie - habe den Traktor gelenkt. Lässt eine Entscheidung jedoch notwendige Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch eine Partei im Wege der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, so führt ein solcher Mangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. VwGH 24.4.2014, 2012/08/0134).

26       Damit hat das LVwG das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 1. mit prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb das Erkenntnis im Umfang des Spruchpunktes 1. sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt 3.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. VwGH 29.4.2021, Ra 2021/02/0038, mwN).

27       Der von der revisionswerbenden Behörde gestellte Hauptantrag an den Verwaltungsgerichtshof, in der Sache selbst zu entscheiden, umfasst einen Antrag auf Aufhebung des bekämpften verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses. Die Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst ist nicht antragsbedürftig (vgl. VwGH 2.12.2020, Ra 2020/02/0144, mwN). Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes liegen jedoch schon aufgrund der im fortgesetzten Verfahren vom LVwG zu treffenden Feststellungen nicht vor.

Wien, am 21. Juli 2021

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung Fahrtüchtigkeit Besondere Rechtsgebiete Beweise Beweismittel Indizienbeweise indirekter Beweis Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Beweismittel Zeugen Beweismittel Zeugenbeweis Gegenüberstellung Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung ärztliches Gutachten Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Nachtrunk Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Tatbild Verfahrensbestimmungen Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2 Verfahrensrecht Beweismittel Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020084.L00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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