TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 95/19/0566

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
AVG §68 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §48 Abs2 Z2;
ZPO §232;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerden 1.) der 1958 geborenen GK, 2.) des 1984 geborenen SK, 3.) des 1981 geborenen TK, 4.) des 1981 geborenen AK,

5.) des 1986 geborenen BK und 6.) der 1992 geborenen EK, alle in W, die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 16. November 1994,

Zlen. 1.) 100.297/14-III/11/94, 2.) 100.297/4-III/11/94,

3.)

100.297/12-III/11/94, 4.) 100.297/13-III/11/94,

5.)

100.297/3-III/11/94 und 6.) 100.297/5-III/11/94, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin und der Sechstbeschwerdeführerin werden als unbegründet abgewiesen.

Die vom Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Erstbeschwerdeführerin und die Sechstbeschwerdeführerin haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter der übrigen Beschwerdeführer. Die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer verfügten nach der Aktenlage über gewöhnliche Sichtvermerke für folgende Zeiträume:

12. Juli 1990 bis 12. Oktober 1990

9. November 1990 bis 10. April 1991

28. April 1992 bis 16. August 1992

17. August 1992 bis 9. Juli 1993

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unstrittig ist, daß die Erstbeschwerdeführerin am 30. Juni 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung stellte. (Aus dem hg. Akt Zl. 95/18/0398 ist bekannt, daß der diesen Antrag im Instanzenzug abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 25. März 1994, Zl. 100.297/2-III/11/94, mit hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1995 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.) Am 13. Juni 1994 stellte die Erstbeschwerdeführerin den hier verfahrensgegenständlichen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag.

Der Zweit- und der Fünftbeschwerdeführer beantragten am 30. Juni 1993 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien je vom 22. Juni 1994 abgewiesen. Anträge des Zweit- und Fünftbeschwerdeführers vom 13. Juni 1994 auf Erteilung einer Bewilligung wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 2. August 1994 abgewiesen. Diese letztgenannten Bescheide wurden infolge der dagegen erhobenen Berufungen mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 16. November 1994 ersatzlos behoben. Mit den hier angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom gleichen Tag wurde über die Berufungen gegen die Abweisung der Anträge des Zweit- und Fünftbeschwerdeführers vom 30. Juni 1993 mit den Bescheiden der erstinstanzlichen Behörde vom 22. Juni 1994 entschieden. Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer beantragten (nach der Aktenlage erstmals) am 13. Juni 1994 die Erteilung einer Bewilligung. Die in Wien geborene Sechstbeschwerdeführerin stellte - nach der Aktenlage ausschließlich - am 30. Juni 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, über den mit dem hier angefochtenen Bescheid im Instanzenzug abgesprochen wurde.

Die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer begründeten im Verwaltungsverfahren ihre Anträge erkennbar mit dem Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter, aber auch, der Fünftbeschwerdeführer durch Vorlage einer Schulbesuchsbestätigung schlüssig, die übrigen genannten Beschwerdeführer ausdrücklich, mit dem Aufenthaltszweck "Schulbesuch".

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden vom 16. November 1994 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin, des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers je vom 13. Juni 1994 sowie die Anträge des Zweitbeschwerdeführers, des Fünftbeschwerdeführers und der Sechstbeschwerdeführerin vom 30. Juni 1993 abgewiesen.

In Ansehung der Erstbeschwerdeführerin stützte die belangte Behörde ihren Bescheid - unter anderem - auf den Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG (in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995, im folgenden:

a. F.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der von der Erstbeschwerdeführerin am 30. Juni 1993 rechtzeitig gestellte Antrag sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. März 1994 abgewiesen worden. Die Verlängerung einer Bewilligung komme daher nicht in Betracht. Aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG (a.F.) sei ein Erstantrag vom Ausland aus zu stellen.

In den die übrigen Beschwerdeführer betreffenden, auf § 3 Abs. 1 Z. 2 a.F., § 4 Abs. 4 a.F. und § 5 Abs. 1 AufG gestützten Bescheiden führte die belangte Behörde im wesentlichen gleichlautend aus:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG (a.F.) sei ehelichen minderjährigen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorliege. Aus dem Grunde des § 4 Abs. 4 AufG (a.F.) sei die Bewilligung mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die Bewilligung des Elternteils. Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin (vom 13. Juni 1994) sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. November 1994 rechtskräftig abgewiesen worden. Deshalb sei auch den Anträgen der übrigen Beschwerdeführer nicht stattzugeben gewesen.

Überdies sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG die Erteilung einer Bewilligung unter anderem ausgeschlossen, wenn eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich nicht gesichert sei. Den Beschwerdeführern stünde, jeweils gemeinsam mit fünf anderen Personen, eine Wohnung mit einer Nutzfläche von nur 26 m2 zur Verfügung. Im Hinblick auf einen grundsätzlichen Mindestbedarf von 10 m2 Nutzfläche pro Person liege eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nicht vor. Zwar bestünden familiäre Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich, die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung greife jedoch nicht mit derselben Wahrscheinlichkeit und Intensität in das Privat- und Familienleben ein wie ein Aufenthaltsverbot. Daher überwögen die öffentlichen Interessen an der Versagung der Aufenthaltsbewilligung die familiären Interessen dieser Beschwerdeführer.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften jeweils mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (17. Jänner 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 3 Abs. 1 Z. 2, § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und 3 sowie § 13 Abs. 1 AufG in der Fassung vor Inkrafttreten dieser Novelle lauteten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

...

2.

von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

§ 4. (1) ...

...

(4) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 oder gemäß § 3 Abs. 3 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes.

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. (1) ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

(3) Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung sind so rechtzeitig zu stellen, daß darüber vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden werden kann; solche Anträge sind jedenfalls spätestens vier Wochen vor diesem Zeitpunkt zu stellen. Wird über einen solchen Antrag nicht rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden, so verlängert sich die Geltungsdauer bis zum Zeitpunkt der Entscheidung, längstens aber um sechs Wochen.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."

Die Erstbeschwerdeführerin verweist nun darauf, daß sie über einen Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 9. Juli 1993 verfügt und in Wahrheit drei Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen eingereicht habe, nämlich "im Mai 1993", am 30. Juni 1993 und am 13. Juni 1994. Ausgehend davon vertritt sie die Auffassung, es liege in ihrem Fall ein Anwendungsfall des § 13 Abs. 1 AufG vor.

Der Erstbeschwerdeführerin ist zunächst insoweit beizupflichten, als sie durch ihren Antrag vom 30. Juni 1993 rechtzeitig, nämlich vor Ablauf der aufgrund des Wiedereinreisesichtvermerkes bestehenden Berechtigung, die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragt hat. Dieser Antrag bewirkte aus dem Grunde des nach der Anordnung des § 13 Abs. 1 AufG sinngemäß anzuwendenden § 6 Abs. 3 AufG a.F., daß sich die aufgrund des Wiedereinreisesichtvermerkes bestehende Berechtigung, gerechnet vom Ablaufdatum dieses Wiedereinreisesichtvermerkes, dem 9. Juli 1993, um sechs Wochen verlängert hat. Infolge des Ablaufes der Bewilligung nach Verstreichen dieser Frist bestand (am 13. Juni 1994) keine Berechtigung der Erstbeschwerdeführerin zum Aufenthalt im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG, welche durch den hier gegenständlichen Antrag hätte verlängert werden können. An dieser Beurteilung könnte auch der erstmals im Beschwerdeverfahren behauptete Umstand, die Erstbeschwerdeführerin habe auch im Mai 1993 einen weiteren Antrag gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei, nichts ändern, weil auch dieser Antrag eine Verlängerung der Berechtigung des Aufenthaltes der Erstbeschwerdeführerin aufgrund des bis 9. Juli 1993 gültigen Sichtvermerkes über die sechswöchige Frist des § 6 Abs. 3 letzter Satz AufG a.F. hinaus nicht hätte bewirken können. Gleiches gelte für eine Rückwirkung der Aufhebung des Berufungsbescheides vom 25. März 1994 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1995.

Insoweit die Erstbeschwerdeführerin die Auffassung vertritt, eine Entscheidung über den Antrag vom 13. Juni 1994 sei unzulässig gewesen, weil über den im Mai 1993 gestellten Antrag hätte abgesprochen werden müssen, ist ihr zu entgegnen, daß das Rechtsinstitut der Streitanhängigkeit dem AVG fremd ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 99, wiedergegebene Judikatur). Da die rechtzeitige Antragstellung Erfolgsvoraussetzung eines Verlängerungsantrages ist, bewirkt die Rechtskraft der - mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. November 1994 erfolgten - Abweisung des verspätet gestellten Verlängerungsantrages nicht das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG in einem anderen Verfahren aufgrund eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages.

Auch der Hinweis der Erstbeschwerdeführerin auf ihre privaten und familiären Interessen in Österreich vermag ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Hat der Fremde - wie dies die Erstbeschwerdeführerin getan hat - von der Möglichkeit, einen Verlängerungsantrag zu stellen, rechtzeitig Gebrauch gemacht und wird dieser aus einem anderen Grunde als dem der Versäumung der Frist des § 6 Abs. 3 AufG a.F. abgewiesen, so war bereits bei dieser Entscheidung auf die privaten und familiären Interessen des Fremden an der Fortsetzung seines Aufenthaltes im Inland im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK Bedacht zu nehmen. Daraus folgt, daß der Fremde diese Interessen nur im Verfahren über seinen rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag, nicht aber mit weiteren, verspäteten, vom Inland aus gestellten "Verlängerungsanträgen" verfolgen kann (vgl. das zu einem gemäß § 6 Abs. 2 AufG a.F. mangels Antragstellung vom Ausland aus abgewiesenen Erstantrag, welcher nach rechtskräftiger Abweisung eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages gestellt wurde, ergangene hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zlen. 95/19/0347 bis 0349).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

In Ansehung der übrigen Beschwerdeführer ist der belangten Behörde nach dem Vorgesagten zunächst dahingehend beizupflichten, daß die Erstbeschwerdeführerin, mit der Familienzusammenführung angestrebt wird, im Zeitpunkt der Erlassung der von ihren Kindern angefochtenen Bescheide keine Fremde war, auf die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG a.F. zutrafen. Demnach stand den Zweit- bis Sechstbeschwerdeführern ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung aus dem Grunde des § 3 Abs. 1 AufG a.F. nicht zu. Eine Anwendung des § 4 Abs. 4 AufG a.F. kam daher gar nicht in Betracht (vgl. das zur insofern vergleichbaren Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0710).

Der Sechstbeschwerdeführerin, die - obzwar im Inland geboren - bislang über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Inland verfügte, konnte auch im Wege einer Ermessensentscheidung über ihren Erstantrag vom 30. Juni 1993 keine Bewilligung zum - allein geltend gemachten - Zweck der Familienzusammenführung mit ihrer Mutter erteilt werden, weil die erstmalige Erteilung einer Bewilligung zu diesem Zweck jedenfalls voraussetzt, daß sich der Angehörige, mit dem die Familienzusammenführung angestrebt wird, rechtmäßig im Inland befindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0549). Im Hinblick auf den von der Erstbeschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren dargetanen Zeitraum ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland von etwa zwei Jahren mit einer etwa einjährigen Unterbrechung einerseits und auf den Umstand, daß die Sechstbeschwerdeführerin selbst nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, andererseits, wurde durch den Ablauf der Bewilligung der Erstbeschwerdeführerin mit Verstreichen der sechswöchigen Frist des § 6 Abs. 3 AufG a.F. und durch die folgenden, die Verlängerung dieser Bewilligung versagenden Bescheide der Verwaltungsbehörden nicht in ein den Schutz des Art. 8 Abs. 1 MRK genießendes Familienleben der Sechstbeschwerdeführerin eingegriffen. Es kann daher im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Begründung, der Angehörige, mit dem die Familienzusammenführung angestrebt werde, verfüge über keine Bewilligung, auch dann allein tragfähig wäre, wenn die Versagung der Bewilligungserteilung an diesen Angehörigen schon ihrerseits - allenfalls - einen Eingriff in ein bereits nach Art. 8 Abs. 1 MRK geschütztes Privat- und Familienleben des Antragstellers darstellte. In Ansehung der Sechstbeschwerdeführerin lag daher auch bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein den Schutz des Art. 8 Abs. 1 MRK genießendes Familienleben vor. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf den alternativ gebrauchten Versagungsgrund der nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft. Ihre Beschwerde war aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die übrigen Beschwerdeführer haben sich in ihren Anträgen nicht allein auf die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter als Zweck ihres beabsichtigten Aufenthaltes berufen, sondern sich darüber hinaus auf den Aufenthaltszweck des Schulbesuches gestützt. Die Geltendmachung mehrerer Aufenthaltszwecke ist zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134). Der Antrag dieser Beschwerdeführer war daher nicht schon deshalb abzuweisen, weil ihre Mutter über keine Berechtigung zum Aufenthalt verfügte (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0710).

Auch der von der belangten Behörde in Ansehung der Zweitbis Fünftbeschwerdeführer erstmals gebrauchte Versagungsgrund der mangelnden ortsüblichen Unterkunft vermag ihre abweisliche Entscheidung nicht zu tragen.

Die Beschwerdeführer bringen hiezu insbesondere vor, die von der Erstbeschwerdeführerin und auch von ihnen - den Kindern - stets eingehaltene penible Sauberkeit ermögliche ihnen selbst auf engstem Raum ein gedeihliches Zusammenleben, zumal die minderjährigen Kinder weniger Wohnfläche benötigten als die ohnedies ganztätig berufstätige Erstbeschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß die hier von der belangten Behörde getroffene Annahme, eine für Inländer ortsübliche Unterkunft liege nur dann vor, wenn jeder der darin lebenden Personen eine Nutzfläche von mindestens 10 m2 zur Verfügung stehe, keinesfalls offenkundig sei. Gleiches gälte insbesondere unter Berücksichtigung des im Hinblick auf den erstmaligen Gebrauch des Abweisungsgrundes durch die belangte Behörde nicht dem Neuerungsverbot unterliegenden oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringens - noch (vgl. allerdings das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zlen. 95/19/0523, 0559) - für die hier pro Person zur Verfügung stehende Nutzfläche.

So hat der parlamentarische Ausschuß für innere Angelegenheiten anläßlich der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, den von dieser Novelle unberührt gebliebenen § 5 Abs. 1 AufG wie folgt interpretiert (vgl. AB 181 BlgNR 19. GP zu § 5 Abs. 1 AufG, BGBl. Nr. 351/1995):

"Der Ausschuß für innere Angelegenheiten geht weiters davon aus, daß die "ortsübliche Unterkunft" nicht an das Vorhandensein einer bestimmten Quadratmeterzahl Wohnfläche geknüpft wird, insbesondere aber, daß eine Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung nicht deshalb verweigert wird, weil sich die Anzahl der Familienmitglieder des Ausländers vergrößert hat und daher unter Umständen weniger Wohnraum pro Person zur Verfügung steht."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Interpretation der Gesetzesbestimmung durch den Innenausschuß an. Sie wäre im vorliegenden Fall auch insbesondere dann von Bedeutung, wenn die gegenständliche Wohnung der Familie schon vor der Geburt der Sechstbeschwerdeführerin zur Verfügung gestanden wäre.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst Feststellungen über die Beschaffenheit der in Rede stehenden Unterkunft sowie darüber zu treffen haben, wie diese von den Beschwerdeführern konkret genutzt wird.

Sodann wird zu ermitteln und darzulegen sein, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur (Anzahl der Familienmitglieder, Alter, Schulpflicht etc.) und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen wie die Beschwerdeführer.

Das Fehlen von Darlegungen im obigen Sinn durch die belangte Behörde hindert die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0361, und vom 22. Mai 1996, Zl. 95/21/0383). Die Bescheide betreffend die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer sind daher in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG mit einem Begründungsmangel behaftet.

Ist aber die Versagung aus diesem Grunde nicht tragfähig, so wären Feststellungen in Richtung des Aufenthaltszweckes "Schulbesuch" zu treffen und sodann im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 AufG Ermessensentscheidungen zu erlassen gewesen.

Indem sie dies unterließ, belastete die belangte Behörde ihre Bescheide in Ansehung der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodaß diese Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) und c) VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wurde von mehreren Beschwerdeführern Beschwerde erhoben und hat sodann die belangte Behörde wegen des sachlichen Zusammenhanges nur eine Gegenschrift erstattet - in der sie auf die einzelnen Fälle getrennt Bezug genommen hat -, dann gebührt ihr im Falle des Obsiegens ein mehrfacher Zuspruch des Schriftsatzaufwandes (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 692, wiedergegebene Judikatur). Gleiches gilt, wenn die belangte Behörde - wie hier - in einer zu den Beschwerdefällen gemeinsam erstatteten Gegenschrift die - ihres Erachtens alle Beschwerdeführer gleichermaßen betreffenden - Gründe für die mangelnde Berechtigung der Beschwerden darlegt.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190566.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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