TE Vwgh Beschluss 2021/7/23 Ra 2020/06/0047

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Veröffentlicht am 23.07.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache der Dr. E W in S, vertreten durch die Gradischnig & Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in 9500 Villach, Moritschstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 10. Oktober 2019, KLVwG-714/7/2019, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Seeboden am Millstätter See; mitbeteiligte Partei: Mag. U E in S; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Seeboden am Millstätter See (belangte Behörde) vom 27. Februar 2019 wurde der Berufung der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Seeboden am Millstätter See vom 24. November 2017, mit dem die von der Revisionswerberin beantragte Bewilligung zur Errichtung einer Toranlage auf dem Grundstück Nr. X, KG S., versagt worden war, im Sinne der Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides insoweit Folge gegeben, als der Revisionswerberin die Baubewilligung für die Errichtung von sonstigen baulichen Anlagen, des Vorhabens „Errichtung Toranlage“ auf dem Grundstück Nr. X, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt wurde. Die Auflage 2. („Technische Ausgestaltung“) lautet:

„Die Toranlage ist so zu gestalten bzw. auszuführen, als dass im Bodenbereich sowohl bei den Fixelementen als auch bei den Torflügelelementen - also über die gesamte Toranlagenbreite - ein Klappmechanismus mit einer lichten Höhe von mindestens 51 cm gegeben ist, welcher im Fall eines Bemessungsereignisses beim Techendorfer Bach (von Norden angreifender Staudruck) selbsttätig öffnet. Dabei besteht die Möglichkeit, die Klappen so auszuführen, dass die Öffnung entweder nach unten (klappt nach unten) oder nach oben (pendelt nach oben) oder nach links bzw. rechts (schwenkt nach links bzw. rechts) erfolgt. Jedenfalls ist bezüglich der Gängigkeit des Mechanismus sicher zu stellen, dass die Klappen bei anströmendem Wasser leicht öffnen.“

2        Die von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (LVwG) als unbegründet abgewiesen. Der erwähnte Auflagenpunkt 2. wurde mit der Maßgabe ergänzt, dass die Wortfolge „Die Summe der Querschnittsflächen der Einzelklappen hat einen Wert von mindestens 2 m2 zu ergeben“ anzufügen sei. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

3        Begründend hielt das LVwG fest, das Grundstück Nr. X sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde S. als Bauland-Kurgebiet ausgewiesen. Der Bereich, in dem die Toranlage errichtet werden solle, sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als rote Gefahrenzone ausgewiesen.

4        Die gegenständliche Toranlage sei bereits errichtet worden. Das Grundstück Nr. X liege gemäß dem gültigen Gefahrenzonenplan der Marktgemeinde S. in der gelben Gefahrenzone des T.-Baches. Im Bereich des „verrohrt“ geführten T.-Baches sei eine rote Gefahrenzone ausgewiesen.

5        Die bereits fertig gestellte Toranlage stelle bei einem Bemessungsereignis (gemäß Richtlinie für die Gefahrenzonenplanung BMLFUW-LE.3.3.3-0185-IV/5/2007 in der Fassung vom 4. Februar 2001) ein Abflusshindernis dar. Das LVwG verwies zusammengefasst auf die Möglichkeit einer Verklausung bei einem Hochwasserereignis. Aufgrund des zu erwartenden Bemessungsereignisses sei ein Klappmechanismus über die gesamte Breite erforderlich, wobei bei offener Klappe eine Querschnittsfläche von 2 m2 gegeben sein müsse. Durch eine solche Konstruktion könnten bei einem Bemessungsereignis (von Norden angreifender Staudruck) nachteilige Auswirkungen im Hochwasserfall verhindert werden.

6        Dazu verwies das LVwG beweiswürdigend auf die Ausführungen des Sachverständigen der Lawinen- und Wildbachverbauung und des beigezogenen hochbautechnischen Amtssachverständigen.

7        Zum Einwand der Revisionswerberin, dass mit der Errichtung der Klappen eine Gefährdung ihres Grundstücks durch abfließendes Hochwasser eintreten könnte, führte das LVwG aus, der Sachverständige der Wildbach- und Lawinenverbauung habe klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Abflussmöglichkeit allfälliger Hochwässer bei einem Bemessungsereignis erforderlich sei und es daher keinesfalls zulässig sein könne, dass durch allfällige bauliche Maßnahmen eine Barriere errichtet werde, die einen möglichst ungestörten Abfluss des Hochwasser verhindere, was wiederum zur Folge hätte, dass entsprechende Folgeschäden auftreten könnten.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis beruhe auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts und auf der teilweise unrichtigen und mangelhaften Durchführung des Verfahrens. So habe das LVwG die in der Beschwerde der Revisionswerberin enthaltene Verfahrensrüge und Rechtsrüge betreffend die Berücksichtigung und Gewährleistung und Sicherheit der baulichen Anlagen auf dem Grundstück der Revisionswerberin nicht erledigt. Das LVwG habe die Rechtsfrage unbeantwortet gelassen, ob für die Erteilung und Vorschreibung einer Auflage (nach § 18 Kärntner Bauordnung) - wie gegenständlich des aufgetragenen Einbaues bzw. der Errichtung einer Durchlassklappe in eine bestehende Toranlage - durch die Baubehörde lediglich die „Interessen einer Interessenvertretung (wie hier der Wildbach- und Lawinenverbauung)“ zu berücksichtigen und zu gewährleisten seien oder ob die Baubehörde in erster Linie die Interessen der Kärntner Bauvorschriften und die Interessen der Sicherheit des Bauwerbers sowie der baulichen Anlage (gegenständlich der Toranlage auf Grundstück Nr. X) und der bereits bestehenden Gebäude (im Gegenstand Kabinen- und Sanitärgebäude sowie Werksgebäude am Grundstück Nr. X) des Baugrundstücks zu sichern und zu gewährleisten habe.

13       Mit diesen abstrakt formulierten Zulässigkeitsausführungen wird - bezogen auf den vorliegenden Fall - keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

14       Die Frage, ob und welche Auflagen in einem konkreten Fall vorzuschreiben sind, betrifft nur den Einzelfall. Gleiches gilt für eine Ermessensübung (bzw. hier: die Überprüfung einer Ermessensübung). Fragen, die nur den Einzelfall betreffen, berühren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung würde nur dann vorliegen, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre bzw. wenn eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (vgl. zum Ganzen VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0280, mit mwN).

15       Eine solche die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage 2. durch das LVwG, das sich auf die Beurteilung des Sachverständigen der Lawinen- und Wildbachverbauung und des hochbautechnischen Amtssachverständigen stützen konnte, ist nicht ersichtlich und wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision auch nicht dargelegt.

16       Gleiches gilt für die Beweiswürdigung, die das LVwG nicht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 5.11.2019, Ra 2019/06/0115, mwN).

17       Auf dem Boden der genannten fachkundigen Beurteilung ist weiters nicht zu erkennen, dass die der Gefahrenabwehr im Hochwasserfall dienende Auflage 2. einen zur Erfüllung dieses Zwecks überschießenden Inhalt aufweist (vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz etwa VwGH 20.2.1997, 93/06/0230; 26.9.2012, 2007/04/0151).

18       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Juli 2021

Schlagworte

Ermessen VwRallg8 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020060047.L00

Im RIS seit

13.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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