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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag OberösterreichNorm
AVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie der Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kienesberger, in der Revisionssache der Mag. Dr. I E in R, vertreten durch Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl, LL.M., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 28. Jänner 2021, LVwG-100135/7/RK/MH, betreffend Übertretung der Oö. Bauordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit im Berufungsweg ergangenem Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde N. vom 8. Juni 2017 wurde der Revisionswerberin gemäß § 49 Abs. 1 iVm Abs. 4 Oö. Bauordnung 1994 (in der Folge: Oö. BauO 1994) aufgetragen, einen Wohnhausneubau mit Geräteschuppen und Senkgrube auf näher bezeichneten Grundstücken der KG N. entsprechend den Markierungen im beigefügten Lageplan, der einen integrierenden Bestandteil des Spruches bilde, innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides abzutragen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Aufgrund der Veränderung der Lagen der Hauptgebäude und der Senkgrube sei die mit Bescheid vom 14. November 2009 erteilte Baubewilligung nicht verwirklicht worden und daher in der Folge gemäß § 38 Oö. BauO 1994 erloschen. Eine neuerliche Baubewilligung könne aus näheren Gründen nicht erteilt werden.
2 Mit Erkenntnis vom 23. August 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (in der Folge: LVwG) die von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Revisionswerberin aufgetragen wurde, die gegenständliche bauliche Anlage innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Erkenntnisses abzutragen und den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die Revisionswerberin hätte über eine rechtskräftige Bauplatzbewilligung sowie Baubewilligung verfügt, in der Folge jedoch ein „aliud“ errichtet.
3 Mit Beschluss vom 26. November 2018, E 4033/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
4 Die gegen das genannte Erkenntnis des LVwG in der Folge von der Revisionswerberin an den Verwaltungsgerichtshof erhobene außerordentliche Revision wies dieser mit Beschluss vom 27. Februar 2019, Ra 2019/05/0040, zurück.
5 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 15. November 2019 wurde die Revisionswerberin einer Übertretung des
§ 57 Abs. 1 Z 11 Oö. BauO 1994 für schuldig erkannt, weil sie dem Bescheidauftrag nicht nachgekommen sei und somit eine baubehördliche Anordnung nicht bescheidgemäß erfüllt habe. Über die Revisionswerberin wurde eine Geldstrafe in der Höhe von € 10.000,- (sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen und 21 Stunden) verhängt und sie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Strafhöhe teilweise statt und setzte die Geldstrafe auf € 5.400,-, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 50 Stunden und die behördlichen Verfahrenskosten entsprechend herab. Darüber hinaus wies es die Beschwerde mit einer näher ausgeführten Spruchmodifizierung ab und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
7 Begründend führte das LVwG, soweit vorliegend relevant, zusammengefasst aus, die Revisionswerberin habe nicht bestritten, der behördlichen Anordnung nicht nachgekommen zu sein, weshalb sie den objektiven Tatbestand unstrittig erfüllt habe. Eine inhaltliche Prüfung oder Abänderung des rechtskräftigen baupolizeilichen Auftrages könne im Strafverfahren nicht mehr erfolgen. Es sei kein Bauansuchen anhängig; wie die Revisionswerberin selbst angebe, sei zunächst die Kundmachung der Änderung des Flächenwidmungsplanes notwendig. Auf das Vorbringen, der baupolizeiliche Abbruchauftrag dürfe erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung eines Bauansuchens vollstreckt werden, sei daher nicht weiter einzugehen. Die Revisionswerberin habe sich weder in einer Notwehrsituation noch in einer Notstandssituation befunden, da sie die von ihr argumentierte „Zwangslage“ selbst verschuldet habe, indem sie das Bauvorhaben ohne entsprechenden baurechtlichen Konsens umgesetzt habe. Zudem könne die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht seien, nicht als Notstand im Sinne des § 6 VStG beurteilt werden (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
8 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob die Nichtbefolgung eines baupolizeilichen Abbruchauftrages, während ein „Bauansuchen oder ähnliches“ anhängig sei, strafbar sei. Zudem stehe die Rechtsprechung, wonach die Revision an den Verwaltungsgerichtshof den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht hindere, im Widerspruch zur Rechtslage nach der ZPO. Darüber hinaus rühre die geltend gemachte Notlage nicht alleine aus dem Verhalten der Revisionswerberin, sondern maßgeblich aus dem rechtswidrigen Verhalten des Bürgermeisters der Gemeinde N. (wird näher ausgeführt), was bei der Beurteilung eines Notstandes gemäß § 6 VStG zu berücksichtigen sei.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Vorauszuschicken ist, dass das LVwG zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die inhaltliche Prüfung oder Abänderung eines baupolizeilichen Auftrages im nachfolgenden Strafverfahren nicht mehr erfolgen kann (vgl. in diesem Sinn etwa zu einem wasserpolizeilichen Auftrag und nachfolgendem Strafverfahren VwGH 27.4.2017, Ra 2017/07/0033, mwN).
13 Zum Zulässigkeitsvorbringen, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Revision an den Verwaltungsgerichtshof den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht hindere, stehe im Widerspruch zur Rechtslage nach der ZPO:
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert die Erhebung einer Revision die Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses nicht (vgl. aus vielen etwa VwGH 2.8.2019, Ra 2018/11/0017, mwN). Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ergibt sich aus dem genannten Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin schon deshalb nicht, weil das Revisionsmodell der Art. 133 Abs. 4 B-VG zwar nach dem Muster der §§ 500 ff ZPO gestaltet wurde, damit aber nicht in jedem Detail die Übereinstimmung der beiden Verfahrensregime einhergehen muss. Im Übrigen hat auch der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 24. November 2015, 1Ob 127/15f, mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass sich der Gesetzgeber bei Einführung der Revision gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zwar am Modell der ZPO orientierte, daraus aber nicht abgeleitet werden könne, dass durch die Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts dessen Rechtskraft hinausgeschoben werden sollte. Dazu kommt, dass fallbezogen auch nicht ersichtlich ist, inwiefern diese Frage angesichts der Tatsache, dass der Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren betreffend den Abbruchauftrag vom 27. Februar 2019 und das vorliegend bekämpfte behördliche Straferkenntnis vom 15. November 2019 datieren, sachverhaltsbezogen überhaupt von Relevanz sein sollte.
15 Soweit die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen weiters die Rechtsfrage aufwirft, ob die Verhängung einer Verwaltungsstrafe in Fällen, in denen ein Abbruchauftrag aufgrund der Anhängigkeit eines Bauansuchens einer Vollstreckung nicht zugänglich ist, zulässig sei, genügt es, auf die Feststellung im angefochtenen Erkenntnis zu verweisen, wonach die Revisionswerberin jedenfalls bis zu dessen Erlassung ein nachträgliches Bauansuchen nicht gestellt hat und daher ein Baubewilligungsverfahren nicht anhängig war. Die angesprochene Rechtsfrage erweist sich daher schon sachverhaltsbezogen nicht als relevant.
16 Zum Zulässigkeitsvorbringen betreffend das angebliche Vorliegen eines Notstandes nach § 6 VStG ist festzuhalten, dass das LVwG zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen hat, wonach unter Notstand im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden kann, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht, und davon im Falle einer wirtschaftlichen Schädigung solange nicht die Rede sein kann, als diese nicht die Lebensmöglichkeiten selbst unmittelbar bedroht (vgl. etwa VwGH 26.2.2009, 2009/09/0031); das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes im Sinne der Rechtsprechung habe die Revisionswerberin nicht darlegen können. Dieser - für sich tragfähigen - Begründung des LVwG setzt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nichts entgegen.
17 Wenn die Revisionswerberin „aus dem rechtswidrigen Verhalten des Bürgermeisters bezüglich der Nichtkundmachung der Flächenwidmungsplanänderung“ eine Notlage abzuleiten versucht, verkennt sie die Rechtslage. Ein subjektives Recht auf eine Änderung des Flächenwidmungsplanes kommt der Revisionswerberin nämlich nicht zu (vgl. VwGH 29.9.2015, Ra 2015/05/0045, mwN).
18 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Juli 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050080.L00Im RIS seit
16.08.2021Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021