TE Vwgh Beschluss 2021/8/4 Ra 2021/18/0275

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Veröffentlicht am 04.08.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Z M, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2021, W115 2165099-1/16E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Faryab, stellte am 14. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, sein Heimatland aus Furcht vor einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban sowie durch die örtliche Arbaki-Miliz verlassen zu haben.

2        Mit Bescheid vom 30. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend erachtete das BVwG die vorgebrachte Bedrohung des Revisionswerbers durch die Taliban und durch Arkabi-Milizionäre mit näherer Begründung für nicht glaubhaft; selbst bei Wahrunterstellung stünde dem Revisionswerber aber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den afghanischen Städten Herat und Mazar-e Sharif offen. Aus dem letztgenannten Grund sei ihm auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren, obwohl seine Heimatprovinz nicht als sicher gelten könne. Zur Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine Abwägung der für und gegen den Verbleib des Revisionswerbers im Bundesgebiet sprechenden Umstände nach Art. 8 EMRK vor und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwögen.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 602/2021-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das BVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, wann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden könne bzw. wann eine solche zu wiederholen sei, ab. Das BVwG habe nach Durchführung einer Verhandlung am 6. September 2018 eine weitere mündliche Verhandlung zu Unrecht unterlassen, um aktuelle Entwicklungen des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich seiner Persönlichkeit als auch seiner Integration vollständig zu ermitteln. Der Revisionswerber sei auch nicht nochmals „zur Einvernahme seiner Situation im Herkunftsland, Afghanistan, eingeladen“ worden, sondern „lediglich unter Zuhilfenahme einer schriftlichen Stellungnahme im Wege des Parteiengehörs seine Situation vom erkennenden Gericht erörtert“ worden. Das BVwG hättte ihn zur Beurteilung der zwischenzeitig eingetretenen beruflichen, sozialen und sprachlichen Integration im Bundesgebiet neuerlich einvernehmen müssen. Das BVwG wäre auch verhalten gewesen, nach Einholung eines länderkundlichen aktuellen Gutachtens dem Revisionswerber die Möglichkeit zu gewähren, einvernommen zu werden. Insbesondere hätte bei einer persönlichen zeitnahen Einvernahme zur Entscheidungsfindung des BVwG aufgrund des nun vorliegenden aktuellen neuen Länderinformationsblattes vom 13. November 2019 (idF vom 21. Juli 2020) der Revisionswerber direkt über mögliche Unterstützungsnetzwerke vor Ort befragt werden können. Mangels ergänzender Beweisaufnahme, insbesondere mangels Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung zur ergänzenden Befragung des Revisionswerbers, habe das BVwG jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen.

7        Auf dieses Zulassungsvorbringen wird in den folgenden Revisionsgründen nicht mehr Bezug genommen.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9        Das oben wiedergegebene Zulassungsvorbringen der Revision führt fallbezogen schon deshalb nicht zum Erfolg, weil dazu in den Revisionsgründen nichts mehr ausgeführt wird (vgl. dazu etwa VwGH 16.12.2019, Ra 2019/05/0310, mwN).

10       Ungeachtet dessen ist Folgendes festzuhalten: Soweit die Revision geltend macht, das BVwG hätte aufgrund der zwischen der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2018 und der Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses verstrichenen Zeit eine weitere Verhandlung durchführen müssen, vermag die Revision nicht darzulegen, inwiefern sich der maßgebliche entscheidungswesentliche Sachverhalt geändert hatte und weshalb zur Erörterung desselben eine Fortsetzung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen wäre. Die Behauptung, diese hätte zur Klärung der aktuellen Entwicklung der Persönlichkeit bzw. zur zwischenzeitig eingetretenen beruflichen, sozialen und sprachlichen Integration des Revisionswerbers erfolgen müssen, reicht dafür nicht aus, stellt die Revision doch nicht einmal ansatzweise dar, welche relevanten Entwicklungen eingetreten sind oder welche Integrationsschritte der Revisionswerber zwischenzeitig unternommen hat. Auch das Vorbringen, der Revisionswerber hätte zu einem Unterstützungsnetzwerk vor Ort befragt werden müssen, lässt nicht erkennen, welche Beweisergebnisse diese Befragung hätte ergeben können und welche Schlussfolgerungen (für das Verfahrensergebnis) die Revision daraus ziehen möchte. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang wird dadurch nicht ausreichend aufgezeigt (vgl. VwGH 28.2.2020, Ra 2019/14/0121, mwN).

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. August 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180275.L00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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