TE OGH 2021/6/28 5Ob241/20g

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Veröffentlicht am 28.06.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG *****, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C***** W*****, 2. R***** W*****, *****, 3. T***** W*****, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Lindle, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Oktober 2020, GZ 39 R 199/20h-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]             1. Die Beurteilung, ob die Eintrittsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts nach § 14 Abs 3 MRG vorliegt, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche Beurteilung wirft daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn dem Berufungsgericht eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (10 Ob 16/15y; 7 Ob 178/14y; RIS-Justiz RS0107188). Das ist hier nicht der Fall.

[2]                      2. Der gemeinsame Haushalt wird durch gewisse durch die Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht beendet, wohl aber bei dauernder Trennung. Als Fälle einer nicht dauernden (nur kurzen) Trennung werden unter anderem auswärtige Studien, Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte und befristete Aufenthalte in einem Alters- oder Pflegeheim angesehen (RS0069712).

[3]             3.1. Ob eine zeitlich längere Abwesenheit bloß vorübergehend oder auf Dauer ist, bestimmt sich nicht bloß nach ihrer Dauer, vielmehr ist die Willensrichtung des Betroffenen ausschlaggebend. Bei krankheits- oder pflegebedingter Abwesenheit schadet auch eine lange Dauer der Abwesenheit für die Annahme des Fortbestehens des gemeinsamen Haushalts nicht, sofern die Absicht, in die Wohnung zurückzukehren, fortbesteht. Eine Ausnahme kann unter Umständen dann in Betracht kommen, wenn die Verwirklichung dieser Absicht schlechthin unmöglich ist (RS0069705).

[4]             3.2. Der gemeinsame Haushalt wird sohin nicht schon durch die Aufnahme des Hauptmieters in ein Pflegeheim beendet (RS0069712 [T4]). Hat der Hauptmieter die Absicht, im Fall der Möglichkeit einer Betreuung zu Hause oder auch nach einer allfälligen Besserung seines Gesundheitszustands in die Mietwohnung zurückzukehren und wäre eine solche Rückkehr aufgrund objektiver Tatsachen nicht schlechthin (objektiv betrachtet) ausgeschlossen, wird der gemeinsame Haushalt iSd § 14 Abs 3 MRG durch die vorläufige Unterbrechung des Zusammenlebens nicht aufgehoben (RS0069705 [T2]). Wenn also eine Rückkehr des Hauptmieters in seine Mietwohnung nicht jedenfalls ausscheidet, ist für das Fortbestehen eines gemeinsamen Haushalts nur dessen Willensbekundung von Bedeutung (RS0069705 [T1]). Die Rückkehrabsicht kann dabei auch aus den Umständen erschließbar sein (8 Ob 29/12s).

[5]             3.3. Mit der Behauptung und dem Beweis des Vorliegens aller Eintrittsvoraussetzungen gemäß § 14 Abs 3 MRG ist derjenige belastet, der behauptet, eintrittsberechtigt zu sein, oder der vorbringt, dass der vom Vermieter geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG wegen einer eintrittsberechtigten Person nicht verwirklicht sei (4 Ob 16/18h; RS0069504; RS0107852). Den Eintrittswerber trifft demnach die Beweislast für den Rückkehrwillen und die Fortführung des gemeinsamen Haushalts, den Vermieter für den Nachweis der objektiven Unmöglichkeit der Rückkehr. Allerdings wird in der Rechtsprechung in Fällen langer Abwesenheit von der Wohnung, in denen der Mieter in ein Pflegeheim aufgenommen wurde und seinem Willen zur Rückkehr in die Wohnung schicksalhaft nicht mehr Ausdruck verleihen konnte, das heißt angesichts seines schlechten Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage war, für seine Belange geeignete Vorkehrungen zu treffen, im Zweifel davon ausgegangen, dass er bei Änderung der Sachlage in seine Wohnung zurückkehren will (8 Ob 29/12s; 9 Ob 88/08v; RS0069795). Hat der Mieter demnach nicht seinen Willen bekundet, nicht mehr in die Wohnung zurückzukehren, dann ist davon auszugehen, dass er in seine Wohnung zurückkehren will, sobald dies die Umstände zulassen (9 Ob 88/08v mwN).

[6]            3.4. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die fortbestehende Absicht der Mieterin, im Fall einer Änderung der Sachlage in die Wohnung zurückzukehren, lasse sich aus den hier festgestellten Umständen mit ausreichender Deutlichkeit ableiten, bewegt sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Mieterin zu irgendeinem Zeitpunkt den Willen fasste, im Pflegeheim zu bleiben und nicht mehr in ihre Wohnung zurückzukehren oder Äußerungen tätigte, ihre Wohnung aufgeben zu wollen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, aus der in einem Vorprozess in deren Namen (bedingt) abgegebenen Erklärung des Prozessbevollmächtigten, die Abtretung der Hauptmietrechte anzuzeigen, sei nicht abzuleiten, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits geschäftsunfähige Mieterin tatsächlich keine Rückkehrabsicht mehr gehabt habe, nicht korrekturbedürftig.

Textnummer

E132368

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00241.20G.0628.000

Im RIS seit

13.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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