TE Dok 2021/7/22 2021-0.279.052

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Veröffentlicht am 22.07.2021
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2

Schlagworte

Suchtmittelkonsum

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde, Senat 27, hat am 22.07.2021 nach der am 22.07.2021 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

er hat verbotene Substanzen nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) konsumiert, nachdem ein am 16.11.20 durchgeführter Drogentest positiv auf Kokain verlaufen ist,

er hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG und § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.

Über den Beamten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 8.000,- (in Worten: achttausend) verhängt.

Die Suspendierung des Beamten wird gemäß § 112 Abs. 6 BDG mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

Seitens des Beamten wurde gemäß § 127 BDG eine Ratenzahlung im Ausmaß von 36 Monatsraten beantragt und seitens des Senates bewilligt.

Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

Begründung

Der Verdacht, schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 02.02.21 sowie den Erhebungen der LPD N.N.

Anlastung durch die Dienstbehörde:

Der Beamte wurde am 16.11.20 im Zuge einer Routineuntersuchung positiv auf Kokain getestet und steht somit im Verdacht, schuldhaft gegen seine Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 und § 44 BDG 1979 i.V.m. der DA „Dienstordnung der Landespolizeidirektion N.N.“ verstoßen zu haben.

Sachverhalt:

Am 12.1.20 wurde der Personalabteilung der LPD N.N. ein Polizeichefärztlicher Befund und Gutachten übermittelt, wonach der Beamte im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben.

Aufgrund eines außerdienstlichen Vorfalles im N.N. (Ausspruch Annäherungs- und Betretungsverbot nach einem verbalen Streit) wurde der Beamte vom Büro Polizeiärztlicher Dienst auferlegt, zur Feststellung seines Aggressionspotenziales u.a. ein nervenfachärztliches Gutachten einzuholen. Im Zuge des Termins wurde bei dem Beamten im Rahmen einer Routineuntersuchung ein positiver Kokainharnbefund nachgewiesen.

Verantwortung:

Der Beamte gab, nachdem das positive Ergebnis vorlag, einen Kokainkonsum zur Stimulation zu. Im Zuge des chefärztlichen Gespräches gab sich der Beamte gesprächsbereit, ihm sei es sichtlich peinlich gewesen, dass der fallweise Kokainkonsum ans Tageslicht gekommen sei.

Der Beamte erschien zur niederschriftlichen Einvernahme. Hierbei gab er an, dass es sich um einen einmaligen Drogenkonsum im Zuge einer Feier gehandelt habe. Die Feier habe am Wochenende vor der Untersuchung stattgefunden. Dieser einmalige Drogenkonsum habe keine Auswirkung auf seine Dienstverrichtung gehabt, da er an dem Wochenende dienstfrei gehabt habe. Er sei auch nicht berechtigt gewesen, seine Dienstwaffe zu tragen. Er versicherte, er habe kein Drogenproblem und der Konsum sei einmalig gewesen. Das Kokain habe eine Person auf der Feier mitgehabt, es sei nicht seines gewesen. Der Beamte ist sich seines Fehlers absolut bewusst, es werde definitiv nicht mehr vorkommen. Er müsse nun regelmäßig Harnbefunde der chefärztlichen Kanzlei übermitteln.

Drogentest:

Ein spontan angeordneter Urintest auf Drogen verlief negativ auf alle Substanzen. Der Beamte hat monatlich einen Drogenharnbefund der Chefarztkanzlei zu übermitteln einen Langzeitleberwert erstellen zu lassen.

Rechtsgrundlagen:

BDG

Ein Beamter hat gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Ein Beamter hat gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

Dienstanweisung

Gemäß „Dienstordnung der LPD N.N.“, § 2 „Verhalten der Polizeibediensteten“, haben sich Polizeibedienstete innerhalb und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass sie die Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung erwerben und wahren.

Mündliche Disziplinarverhandlung:

Mit Bescheid vom 24.02.21 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung nach Beendigung des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft für 22.07.2021 anberaumt und durchgeführt.

Der Senat hat dazu erwogen:

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte Kokain konsumiert hat und ein positiver Harntest diesen Vorwurf untermauerte.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, sowie aus dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und dem positiven Labortest

Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist die Bundesdisziplinarbehörde nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Straf- bzw. Verwaltungsgerichts zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – wie bei der Einstellung, Rücktritt von der Verfolgung oder Zurücklegung - hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen und dieser Umstand ändert nichts an der disziplinären Verantwortung des Beamten im Sinne des BDG.

Auch der Umstand, dass der Beamte strafrechtlich nicht verurteilt wurde, tut der objektiven Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung keinen Abbruch.

Der Spruchpunkt wird jedoch dahingehend modifiziert, als der Terminus „über einen längeren Zeitpunkt“ aus dem Spruch genommen wird, da nur ein einmaliger Suchtmittelmissbrauch nachgewiesen werden konnte.

Seitens des Beamten wurde angeführt, dass es nur einmal zu einem Suchtmittelmissbrauch gekommen wäre, als er wieder einmal nach einem Streit mit seiner damaligen Partnerin die Beziehung hinterfragte.

Er hätte sich an einer Tankstelle 2 Bier gekauft und wollte sich an die Donau setzen um in aller Ruhe nachdenken zu können. Beim Vorbeigehen bei einer Garage hätten sich dort einige Personen aufgehalten, die ihn einluden, mit ihnen gemeinsam zu trinken und dabei wäre ihm nach einiger Zeit Kokain angeboten worden. Offenbar aufgrund seiner damaligen Stimmung habe er sich hinreißen lassen und hätte dieses Verhalten sofort bereut. Es wäre bis heute das einzige Mal gewesen, dass er Suchtmittel konsumiert hätte. Er habe sich auch wegen seiner Alkoholkonsumgewohnheiten bereits in Behandlung begeben, habe aber danach begonnen, ab und zu alkoholische Getränke zu konsumieren und ist nach wie vor freiwillig in Therapie, die er jedoch selbst zu bezahlen hat.

Aber selbst durch diesen einmaligen Suchtgiftkonsum hat der Beamte eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung begangen. Wobei der Handlungs- und Gesinnungsunwert nicht zu bagatellisieren ist.

Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A).

Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, stellt die Judikatur jeweils darauf ab, ob der Schutz des betreffenden Rechtsguts allgemein zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Gerade an das Verhalten von Exekutivbeamten besonders qualifizierte Anforderungen gestellt werden, da diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben idR zum Schutz vor Verletzungen des gesamten StGB sowie deren Nebengesetze berufen sind und man zumindest von ihnen selbst erwarten können muss, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen. Es geht dabei um alle jene Verhaltensweisen, die mit der erforderlichen Einstellung eines Beamten zum Dienst keinesfalls vereinbar sind.

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der Disziplinaroberkommission (bis 31.12.2013) werden gerade an Polizeibeamte qualifizierte Anforderungen gestellt, da diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben zum Schutz vor Verletzungen des Strafrechts und deren Nebengesetze berufen sind. Von ihnen wird daher, sowohl was die Einhaltung von Rechtsnormen betrifft, aber auch hinsichtlich ihrer gesamten Dienstleistung ein besonders vorschriftengetreues Verhalten erwartet. Wenn nun ein Polizeibeamter ein derartiges Fehlverhalten setzt und Kokain konsumiert, so ist diese Handlung geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen. Er ist somit überführt, das Fehlverhalten im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben realisiert zu haben, weil die Vollziehung der Strafgesetze grundsätzlich von jedem Polizeibeamten zu besorgen ist. Die Einhaltung der Normen des StGB ist eine der wichtigsten Aufgaben der Polizei, die dafür auch wesentliche Ressourcen aufwendet.

Der Bürger erwartet sich zu Recht, dass die Polizei ihre Aufgaben - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität - in kompetenter und effizienter Weise erfüllt. Dazu gehört es auch, dass Polizeibeamte die von ihnen zu vollziehenden Gesetze selbst einhalten, somit auch nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten besonders gesetzestreu sind und sich auch so verhalten. Nur dadurch kann ein Polizeibeamter seine Glaubwürdigkeit erhalten.

 

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Nach Ansicht des Disziplinarsenates wird mit dieser Strafe sowohl den spezialpräventiven Erfordernissen als auch den Aspekten der Generalprävention hinreichend Rechnung getragen. Spezialpräventiv bedarf es keiner strengeren Strafe, zumal der Beamte in der Disziplinarverhandlung dargetan hat, sein Leben nunmehr in den Griff bekommen zu haben und auch den nunmehr verfahrensgegenständlichen Vorfall als einmaligen „Fehler“ dargestellt hat. Er ist arbeitswillig und setzt alles daran, seine Therapie weiterzumachen und die damit erzielten Erfolge positiv umzusetzen und sein Leben nunmehr erfolgreich zu führen. Die verfahrensgegenständliche Dienstpflichtverletzung wiegt schwer, zumal der Beamte als damaliger Mitarbeiter der N.N. gegen Bestimmungen des SMG verstoßen hat, dessen Bekämpfung und Vollzug zu den Kernbereichen der EGS gehören. Daher, und aus generalpräventiven Gründen - Exekutivorganen ist mit Deutlichkeit zu demonstrieren, dass der Umgang mit Suchtgift gerade aufgrund ihrer exponierten, mit Vorbildfunktion behafteten Rolle und Funktion keinesfalls geduldet wird - war die Verhängung einer Geldstrafe in der genannten Höhe erforderlich.

Im konkreten Fall war jedoch das Geständnis, die disziplinäre Unbescholtenheit, die sehr guten Dienstbeschreibungen, die Vielzahl an Belobigungen, die freiwillige Therapie sowie die positive Zukunftsprognose aus heutiger Sicht mildernd zu werten.

Erschwerend wirkte allerdings, dass der Beamte damals bei der N.N. war, gerade jener Einheit, die zur Bekämpfung der Straßen -und Suchtgiftkriminalität geschaffen wurde und tätig ist.

Aufgrund der massiven finanziellen Belastung des Beamten (Alimente für ein minderjähriges Kind, ein Wohnungsdarlehen, sowie die derzeitige Therapie, die selbst zu bezahlen ist) wurde dem Beamten das oben angeführte Ratenansuchen gewährt.

Aufhebung der Suspendierung gem. § 112 Abs. 6 BDG:

Da im Zuge der Verkündung des Disziplinarerkenntnisses seitens beider Parteien ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wurde, tritt die Beendigung der Suspendierung ex lege mit Abgabe des Rechtsmittelverzichts seitens des Disziplinaranwaltes ein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2021
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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