Entscheidungsdatum
17.06.2021Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde der A. AG, vertreten durch die Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 19. Jänner 2021, Zl. MA 46-...1, mit welchem – unter anderem – einem Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 82 Straßenverkehrsordnung – StVO und II) gemäß § 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 – GAG stattgegeben wurde, nach Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde und Vorlageantrag der beschwerdeführenden Gesellschaft, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang und festgestellter Sachverhalt
1. Mit Antrag vom 21. Oktober 2020 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft bei der belangten Behörde einen "Antrag zur Nutzung des öffentlichen Straßengrundes gemäß StVO, GAG und/oder mittels privatrechtlicher Zustimmungserklärung" für die Liegenschaft Wien, B.-gasse, C.-straße, D.-straße. Unter der Rubrik "Nutzung des öffentlichen Raumes" gab die beschwerdeführende Gesellschaft in der Zeile "Kurzbeschreibung der Nutzung" die Wortfolge "14 Stk Fassadenbeleuchtung/Strahler" mit Nutzungsbeginn 1. Dezember 2011 an. Am Ende des Antragsformulars findet sich folgender Satz:
"Unter Einhaltung der Vorgaben des beiligenden Informationsblattes ersuche ich mit angeschlossenen Beilagen um Erteilung einer Bewilligung gemäß StVO, GAG und/oder einer privatrechtlichen Zustimmungserklärung zur Nutzung des öffentlichen Straßengrundes".
Dem Antrag sind Lichtbilder und planliche Darstellungen der Fassade der Liegenschaft angeschlossen, aus welchen sich jeweils die Fassadenbeleuchtung ersehen lässt.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Jänner 2021 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft unter Auflagen in Spruchpunkt I) eine "Bewilligung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) und in Spruchpunkt II) eine "Bewilligung nach dem Gebrauchsabgabegesetz 1966 (GAG)" erteilt; mit weiteren Spruchpunkten wurde die Gebrauchsabgabe festgesetzt und nachbemessen. Die Spruchpunkte I) und II) beziehen sich ausdrücklich auf folgende Gegenstände:
"in Wien C.-straße
a) 8 Strahler entlang der Hausfront
0,40m Vorsprung; 6,00m Bodenabstand
In Wien D.-straße
b) 6 Strahler entlang der Hausfront
0,40m Vorsprung; 6,00m Bodenabstand"
Die belangte Behörde entließ hinsichtlich der Spruchpunkte I) und II) eine Begründung gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche hinsichtlich der Spruchpunkte I) und II) an das Verwaltungsgericht Wien und im Übrigen an das Bundesfinanzgericht gerichtet ist. Mit der Beschwerde wird der Antrag gestellt, das Verwaltungsgericht Wien möge "gemäß Art 130 Abs 4 B-VG iVm § 28 Abs 2 f VwGVG in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid in den Spruchpunkten I und II dahingehend abändern, dass der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wird, in eventu den angefochtenen Bescheid vom 19.1.2021, AZ MA 46 – ...1, MA 46/GZ ...2, in den Spruchpunkte I und II gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an den Magistrat der Stadt Wien zurückverweisen."
4. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 10. März 2021 wurde – unter anderem – die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I) und II) des angefochtenen Bescheids gemäß § 14 VwGVG iVm § 82 StVO und gemäß § 14 VwGVG iVm § 1 iVm Tarif B Post 1 GAG als unbegründet abgewiesen.
5. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 26. März 2021, in welchem die Beschwerdeanträge wiederholt werden. Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde und den Vorlageantrag samt der Verwaltungsakten vor.
6. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt, insbesondere aus den jeweiligen darin enthaltenen Ausfertigungen der zitierten Schriftstücke.
II. Rechtliche Beurteilung
1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derogiert die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid, das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrags die Beschwerde; der Vorlageantrag richtet sich nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird. Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss, bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht; aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann freilich nur die – außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde – an die Stelle des Ausgangsbescheids getretene Beschwerdevorentscheidung (VwGH 9.9.2019, Ro 2016/08/0009, mwN).
Prüfungsgegenstand vor dem Verwaltungsgericht Wien ist daher der angefochtene Bescheid vom 19. Jänner 2021 und die dagegen erhobene Beschwerde. Das Verwaltungsgericht Wien teilt die von der beschwerdeführenden Gesellschaft vertretene Ansicht, dass es nur hinsichtlich der Spruchpunkte I) und II) des angefochtenen Bescheids für das Beschwerdeverfahren zuständig ist und ansonsten das Bundesfinanzgericht über die Beschwerde zu entscheiden hat. Da bei der Vorlage der Beschwerde die belangte Behörde angegeben hat, "die Sache gleichzeitig dem Bundesfinanzgericht vorgelegt" zu haben, geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass die Beschwerdevorlage auch nur hinsichtlich der Spruchpunkt I) und II) erfolgte und eine Weiterleitung der Beschwerde hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte an das Bundesfinanzgericht unterbleiben kann.
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft führt in ihrer Beschwerde und in ihrem Vorlageantrag zusammengefasst aus, die auf ihrer Liegenschaft am Gebäude angebrachten Strahler würden nicht über öffentlichen Grund ragen, was die belangte Behörde außer Acht gelassen habe. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid etwas genehmigt, was gar nicht beantragt gewesen sei, da die beschwerdeführende Gesellschaft "die Genehmigung für die angebrachten (den öffentlichen Grund nicht überragenden) Strahler beantragt [habe] und nicht für Strahler, die 0,40m in öffentlichen Grund ragen". Dazu erstattete die beschwerdeführende Gesellschaft mehrere Beweisanbote bzw. Beweisanträge, unter anderem die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Strahler nicht in den öffentlichen Grund ragen.
3. Voraussetzung für die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG ist das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses (VwGH 27.7.2017, Ra 2017/07/0014; 31.1.2018, Ra 2018/10/0022; VfGH 26.6.2020, E4233/2019; Köhler in Köhler/Brandtner/Schmelz, VwGVG [2020], Art. 132 Rz 19). Mangelt es im Zeitpunkt der Erhebung einer Beschwerde an einem solchen Rechtsschutzinteresse ("Beschwer"), ist die Beschwerde zurückzuweisen (VwGH 31.1.2018, Ra 2018/10/0022; vgl. auch Bumberger in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber, VwGVG [2019], § 28 Rz 24). Das erwähnte Rechtsschutzinteresse besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsakts. Ein derartiges Rechtsschutzinteresse ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber immer dann zu verneinen, wenn mit der angefochtenen Entscheidung dem Begehren des Beschwerdeführers vollinhaltlich Rechnung getragen wurde (vgl. dazu VwGH 23.6.1978, 1667/77; 15.10.1987, 87/02/0081; 26.4.1995, 94/07/0179; sowie bezogen auf Art 133 Abs. 6 B-VG Forster in Köhler/Brandtner/Schmelz, VwGVG [2020], Art. 133 Rz 116).
4. Für die Beurteilung der Prozessvoraussetzung der Beschwer ist daher im vorliegenden Fall der verfahrenseinleitende Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft dem diesen Antrag erledigenden Bescheid gegenüber zu stellen.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 21. Oktober 2020 wurde – wie festgestellt – ausdrücklich ein Antrag auf "Erteilung einer Bewilligung gemäß StVO, GAG und/oder privatrechtlichen Zustimmungserklärung zur Nutzung des öffentlichen Straßengrundes" gestellt. Dieser Antrag bezog sich auf "14 Stk Fassadenbeleuchtung / Strahler" welche im Antrag durch Lichtbilder und Planunterlagen konkretisiert wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diesem Antrag schließlich durch Erteilung einer Bewilligung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 bzw. dem Gebrauchsabgabegesetz 1966 vollinhaltlich entsprochen, diese Bewilligung bezog sich nach dem Spruch des angefochtenen Bescheids zweifellos auf die im verfahrenseinleitenden Antrag genannten straßenseitigen Strahler.
In diesem Sinne kann der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht gefolgt werden, wenn sie in ihrer Beschwerde ausführt, die belangte Behörde habe in den Spruchpunkten I) und II) etwas genehmigt, das nicht beantragt gewesen sei. Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrer Beschwerde ausführt, es sei die Genehmigung "für die angebrachten (den öffentlichen Grund nicht überragenden) Strahler beantragt" worden, entfernt sie sich insofern vom Akteninhalt, als im verfahrenseinleitenden Antrag ausdrücklich eine Genehmigung für die Nutzung öffentlichen Straßengrundes durch diese Strahler beantragt wurde.
Da somit mit den Spruchpunkten I) und II) des angefochtenen Bescheids dem Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vollinhaltlich entsprochen wurde und dieser Antrag bei Beschwerdeerhebung noch aufrecht war fehlt es im Beschwerdefall an der Prozessvoraussetzung der Beschwer. Die gegen die Bewilligung des Beantragten gerichtete Beschwerde ist daher in Abänderung der Beschwerdevorentscheidung als unzulässig zurückzuweisen.
5. Vor diesem Hintergrund konnte die Aufnahme weiterer Beweise zur Frage, ob die Strahler in den öffentlichen Grund ragen, unterblieben, da das Verfahrensergebnis von dieser Frage nicht abhängt (vgl. VwGH 14.4.2016, Ra 2014/02/0068, mwN).
6. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da – wie dargelegt – die Beschwerde bereits auf Grund der Aktenlage zurückzuweisen ist.
7. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Prozessvoraussetzung der Beschwer ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beschwerde; Rechtsschutzinteresse; Beschwer; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.101.032.8105.2021Zuletzt aktualisiert am
09.08.2021