TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 96/19/0400

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995, Zl. 111.979/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 12. Juli 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer wegen folgender strafrechtlicher Delikte vom Jugendgerichtshof rechtskräftig verurteilt worden sei:

§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB mit Rechtskraft vom 8. Oktober 1991, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 zweiter Fall, 278 Abs. 1, 127 StGB mit Rechtskraft vom 21. September 1992 und § 142 Abs. 1 StGB mit Rechtskraft vom 16. Februar 1993.

Damit liege ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor; den Beschwerdeführer könne keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 13. Dezember 1995, B 2922/95-4, ablehnte und sie mit Beschluß vom 8. Jänner 1996, B 2922/95-6, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der nach der Abtretung ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer geht vor dem Gerichtshof selbst von den drei von der belangten Behörde angenommenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen aus. Er bekämpft auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, daß der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben sei (vgl. etwa zur Gewichtung von Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0105, sowie bei Angriffen gegen das Eigentum das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0004).

Zu Recht wendet sich der Beschwerdeführer jedoch gegen die Begründung des angefochtenen Bescheides, soweit sie die bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorzunehmende Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat nämlich die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (siehe hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826, mwN).

Auf der unzureichenden Interessenabwägung in diesem Sinne liegt das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen.

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, in Österreich geboren zu sein und hier Volk- und Hauptschule besucht zu haben. Er habe eine Lehre begonnen, diese jedoch nach 1 1/2 Jahren abgebrochen. Der Beschwerde ist weiters zu entnehmen, daß er in Österreich berufstätig ist und - da er nach der Haftentlassung mit seinem früheren Freundeskreis gebrochen hat - sich als sozial integriert betrachtet.

Die belangte Behörde hat im Zusammenhang mit der von ihr vorzunehmenden Interessenabwägung im dargelegten Sinn - selbst im Zusammenhalt mit dem bestätigten erstinstanzlichen Bescheid - keine ausreichenden Feststellungen getroffen und nur berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer seit seiner Geburt mit seinen Eltern in Österreich aufhältig ist. Die insbesondere bereits in der Berufung vom 3. November 1994 und auch in der Beschwerde behauptete berufliche und soziale Integration ist nun - nach dem Vorbringen - derart intensiv, daß ein Ausgang der Güterabwägung zu Gunsten dieser Interessen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0535).

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190400.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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