TE Bvwg Beschluss 2021/5/5 L515 2167920-1

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Veröffentlicht am 05.05.2021
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Entscheidungsdatum

05.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs3

Spruch


L515 2167694-1/40E

L515 2167920-1/39E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über den Antrag von

1.)       XXXX , geb. am XXXX in Sisian, StA. Armenien, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.8.2020, Zl. L515 2167694-1/27E,

2.)       XXXX , geb. am XXXX in Schwanizor, StA. Armenien der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.8.2020, Zl. L515 2167920-1/27E,

erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 26.11.2015 beim Bundesamt für fremdenwesen und Asyl (BFA) Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche erstrevisionswerbende und die weibliche zweitrevisionswerbende Partei sind Ehegatten.

Die erstrevisionswerbende Partei brachte vor, in Armenien Zeuge eines Verkehrsunfalles bzw. eines Mordes gewesen zu sein. Wegen dieser Zeugenschaft bzw. weil sie sich an die Sicherheitskräfte gewandt hätte, sei sie gravierenden Repressalien ausgesetzt gewesen, worauf sie Armenien verlassen hätte. Im weiteren Verlauf des Verfahrens stellte sich heraus, dass die erstrevisionswerbende Partei an verschiedenen Erkrankungen leidet und legte sie hierzu ein umfangreiches Konvolut an medizinischen Unterlagen in Bezug auf durchgeführte Behandlungen vor. Seitens des BFA wurde hierzu ein medizinisches Gutachten eingeholt, woraus sich ergibt, dass die bP1 an keiner akut lebensbedrohlicher Erkrankung leidet.

Die zweitrevisionswerbende Partei berief sich auf die Gründe des Erstrevisionswerbers und legte ebenfalls verschiede medizinischen Unterlagen in Bezug auf durchgeführte Behandlungen vor. Seitens des BFA wurde hierzu auch in ihrem Fall ein medizinisches Gutachten eingeholt, woraus sich ergibt, dass auch die Zweitrevisionswerberin an keiner akut lebensbedrohlicher Erkrankung leidet.

Die Beschwerden betreffend die revisionswerbende Parteien gegen die abweislichen Bescheide des BFA wurden in allen Spruchpunkten mit den im Spruch genannten ho. Erkenntnissen § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF abgewiesen

In Bezug auf die revisionswerdenden Parteien ging das ho. Gericht insbesondere davon aus, dass diese in Armenien mit keiner Gefahr von Repressalien zu rechnen hätten und über eine Existenzgrundlage verfügen, sowie Zugang zum armenischen Sozial- und Gesundheitssystem finden. Ebenso handelt es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat, für den der im gegenständlichen Fall nicht erschütterte Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG liegen nicht vor, im Rahmen einer Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK sei von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen, es bestehen keine Abschiebehindernisse und sei eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen als angemessen anzusehen.

Gegen das ho. Erkenntnis richtete die revisionswerbende Partei zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 24.2.2021, E3379-3380/2020-7, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Mit Schriftsatz vom 3.5.2021 brachten die revisionswerbenden Parteien eine Revision die im Spruch genannten ho. Erkenntnisse ein, in welchem die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages der Revisionswerber auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen, keine Aufenthaltsrecht gem. § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt wurde und eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt wurde, ein.

Ebenso brachten die revisionswerbenden Parteien den Antrag ein, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit folgender Begründung ein:

„Der sofortige Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für uns mit der Gefahr der Abschiebung nach Armenien verbunden. Die Abschiebung nach Armenien wäre für uns mit katastrophalen Folgen für Leben und Gesundheit verbunden. Insbesondere aufgrund der Veränderungen der Gesellschaft durch die Corona-Pandemie, hätten wir keine Überlebensmöglichkeit. Angesichts unseres langjährigen unbescholtenen Aufenthalts in Österreich, unseres korrekten Verhaltens im Bundesgebiet und unseres schützenswerten Privat- und Familienleben stehen der aufschiebenden Wirkung auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind daher erfüllt.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrenshergang und den nachfolgenden Ausführungen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der außer Zweifel stehenden und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage.

Rechtliche Beurteilung:

Die Revision hat gemäß § 30 Abs 1 Satz 1 VwGG keine aufschiebende Wirkung.

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“

Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht hat über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden. Nach § 30a Abs. 7 VwGG sind Abs. 1 bis 6 leg cit nicht anzuwenden, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis oder Beschluss ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat den anderen Parteien sowie im Fall des § 29 VwGG dem zuständigen Bundesminister bzw. der Landesregierung eine Ausfertigung der außerordentlichen Revision samt Beilagen zuzustellen und dem Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision samt Beilagen unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass das Verwaltungsgericht (auch) in Fällen außerordentlicher Revisionen zur Entscheidung über die aufschiebende Wirkung so lange zuständig ist, bis die Revision dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wird; vgl. etwa VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113, aA Gruber § 30 VwGG Rz 4, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über einen Antrag auf aufschiebende Wirkung nach § 30 VwGG die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern – wenn das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist – zunächst, im Provisorialverfahren, von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Demnach ist die aufschiebende Wirkung nur zuzuerkennen, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potenzieller, sondern ein evidenter ist. Vgl. mwN VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493.

In dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof ferner zum wiederholten Male ausgesprochen, dass der Revisionswerber – um die vom Gesetz geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können – schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzulegen hat, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falls die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.

Schließlich kommt dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens für die nach § 30 Abs 2 VwGG vorzunehmende Interessenabwägung wesentliche Bedeutung zu; vgl. abermals VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493. In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof am 30.05.2019, Ra 2019/22/0104, bei der Interessenabwägung nach § 30 Abs 2 VwGG aus, die dortige Revisionwerberin beinträchtige durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, und gab dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht statt.

Im gegenständlichen Fall stammen die revisionswerbenden Parteien aus einem sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG, für den der Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt –woraus folgt, dass der armenische Staat gewillt und befähigt ist, Menschen, die sich auf dem von ihm kontrollierten Territorium befinden vor Übergriffen wirksam und nachhaltig zu schützen-, welcher im gegenständlichen Fall nicht erschüttert wurde und in dem sie über eine Existenzgrundlage verfügen und ergibt sich auch aus dem Gesundheitszustand der revisionswerbenden Partei vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des armenischen Gesundheitswesens, dass keine medizinischen Abschiebehindernisse vorliegen. Es wurde in einer verwaltungsbehördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen festgestellt, dass die revisionsführende Partei in ihrem Herkunftsstaat keiner Gefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK, Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre und aufenthaltsbeendende Maßnahmen keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht- auf ein Privat- und Familienleben darstellen. Revisionen erwiesen sich regelmäßig als nicht zulässig.

Im gegenständlichen Fall sei auch auf den unionsrechtlich (insbes. RL 2013/32/EU vom 26.06.2013, Erwägungsgrund 20, 36 und 40, sowie Art. 36f, 40f und 46 Abs. 6) sich ergebenden, von den Mitgliedstaaten zwingend zu beachtenden Rechtsgrundsatz des effet utile hingewiesen und ergibt sich aus einer Zusammenschau unionsrechtlicher und nationaler Rechtsvorschriften ein herabgesetztes Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten.

Die revisionswerbenden Parteien begründeten ihren Antrag ua. mit den unbescheinigt behaupteten „katastrophalen Folgen für Leben und Gesundheit […] [i]nsbesondere aufgrund der Veränderungen der Gesellschaft durch die Corona-Pandemie“. Hierzu ist anzuführen, dass dieser Umstand von den revisionswerbenden Parteien lediglich pauschal, nicht konkret –und wie bereits angeführt unbescheinigt- behauptet wurde und durch die Berichtslage (Anm: die COVID19-bedingte Lage in Armenien kann aufgrund einer Vielzahl von öffentlich (auch elektronisch) zugänglichen Quellen für die Verfahrensparteien als notorisch bekannt angesehen werden) nicht gedeckt wird, aus welcher keine relevante Änderung der Lage für Rückkehrer entnehmbar ist und wurden die Unterstützungsleistungen für Rückkehrer nicht eingeschränkt. Das ho. Gericht geht in seiner ständigen –und in diesem Punkt von den Höchstgerichten nicht beanstandeten- Rechtsprechung (vgl. etwa ho. Erkenntnis vom 22.4.2021, L515 2182370-1/20E) davon aus, dass in Bezug auf die aktuell weltweit herrschende Pandemie basierend auf die Präsenz des Virus COVID 19 die Republik Armenien taugliche Mittel setzt um die unkontrollierte Ausbreitung des Virus zu verhindern und Infizierte bei Bedarf Zugang zum armenischen Gesundheitssystem finden. Ebenso existieren Hilfsprogramme für Bedürftige.

In Bezug auf die privaten und familiären Interessen der revisionswerbenden Parteien ergibt sich aus den Ausführungen in den angefochtenen ho. Erkenntnissen, dass von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen ist und wurde auch zu diesem Punkt im Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, lediglich ein pauschales, nicht einzelfallspezifisches Vorbringen erstattet.

Ebenso befasste sich bereits der Verfassungsgerichtshof mit der gegenständlichen Rechtssache und ging davon aus, dass die Umsetzung fremdenpolizeiliche Maßnahmen in Bezug auf die revisionswerbenden Partien insbesondere offensichtlich keine Verletzung der Art. 2, 3 und 8 EMRK darstellt, indem er die Behandlung der Beschwerde im bereits zitierten Beschluss ablehnte.

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich ein zwingendes öffentliches Interesse, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegensteht.

Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses ist für die revisionswerbenden Partei kein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden, zumal sie mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in Bezug auf einen sicheren Herkunftsstaat konfrontiert wären, für den der nicht erschütterte Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt, sie Zugang zu Sozial- bzw. Unterstützungsleistungen bzw. medizinischer Versorgung finden und ihnen im Fall einer Stattgabe der Revision eine Wiedereinreise zu gestatten wäre. Ein Abwarten des Ergebnisses des Revisionsverfahrens in Armenien ist den revisionswerbenden Parteien daher zumutbar.

Aus diesen Erwägungen war dem Antrag darauf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben und ist des den Revisionswerbern zumutbar, die Entscheidung über die Revision im Herkunftsstaat abzuwarten (vgl. hierzu auch VwGH 10.2.2020, RA 2019/21/0366-5).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Familienverfahren öffentliche Interessen Revision sicherer Herkunftsstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2167920.1.00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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