TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 95/02/0601

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AVG §66 Abs4;
KJBG 1987 §18 Abs3;
KJBG 1987 §27a Abs1;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 16. Mai 1995, Zl. UVS 30.8-113/94-11, betreffend Übertretungen des KJBG,

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 1 bis 7 sowie 10 und 11 des angefochtenen Bescheides richtet, abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte 8 und 9 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zu I. (im Instanzenzug ergangene Spruchpunkte 1 bis 7 sowie 10 und 11):

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde jeweils weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt auch von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Zu II. (Spruchpunkte 8 und 9):

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 12. August 1994 wurde der Beschwerdeführer unter anderem für schuldig befunden, er habe als Verantwortlicher eines näher angeführten Gastgewerbebetriebes 8. dem zuständigen Arbeitsinspektorat die Beschäftigung eines namentlich genannten Jugendlichen an den beiden aufeinanderfolgenden Sonntagen, nämlich dem 26. Dezember 1993 und dem 2. Jänner 1994, nicht angezeigt sowie 9. dem zuständigen Arbeitsinspektorat die Beschäftigung einer (weiteren) namentlich genannten Jugendlichen an den beiden aufeinanderfolgenden Sonntagen, nämlich dem 26. Dezember 1993 und dem 2. Jänner 1994, nicht angezeigt. Der Beschwerdeführer habe dadurch jeweils Verwaltungsübertretungen nach § 27a Abs. 1 KJBG begangen.

Aufgrund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung änderte die belangte Behörde diese beiden Schuldsprüche dahingehend, daß der Beschwerdeführer zu 8. den namentlich genannten Lehrling an den beiden aufeinanderfolgenden Sonntagen (dem 26. Dezember 1993 und dem 2. Jänner 1994) beschäftigt und zu 9. die (weitere) namentlich genannte Jugendliche an den beiden aufeinanderfolgenden Sonntagen (dem 26. Dezember 1993 und dem 2. Jänner 1994) beschäftigt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 3 KJBG begangen.

Der Beschwerdeführer bringt dazu unter anderem vor, daß die belangte Behörde dadurch eine unzulässige Tatauswechslung vorgenommen habe. Er ist damit im Recht:

Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 1995, Zl. 94/03/0335), daß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Sie darf aber dem Beschuldigten keine andere Tat anlasten als diejenige, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist. Wechselt sie die von der Erstinstanz als erwiesen angenommene Tat aus, dann nimmt sie eine Befugnis in Anspruch, die durch § 66 Abs. 4 AVG nicht gedeckt ist.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer im oben zitierten Straferkenntnis vom 12. August 1994 mit den Spruchpunkten 8. und 9 jeweils zur Last gelegt, die Beschäftigung der dort angeführten Jugendlichen an den beiden aufeinanderfolgenden Sonntagen dem Arbeitsinspektorat "nicht angezeigt" zu haben. Hingegen wurde dem Beschwerdeführer mit dem - insoweit abgeänderten - Spruch des Berufungsbescheides vorgeworfen, die beiden Lehrlinge an den erwähnten beiden Sonntagen "beschäftigt" zu haben. Das erstinstanzliche Straferkenntnis hat dem Beschwerdeführer sohin insoweit die "Unterlassung einer Anzeige", der Berufungsbescheid aber eine "Beschäftigung" der Jugendlichen vorgeworfen. Die belangte Behörde hat daher den Beschwerdeführer in diesen Spruchpunkten jeweils einer anderen Tat für schuldig erkannt, als ihm im erstinstanzlichen Straferkenntnis zur Last gelegt worden war. Dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift, es sei "lediglich die rechtliche Subsumierung" geändert worden, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten.

Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, weil als Beilage zu der (dreifach einzubringenden) Beschwerde lediglich der angefochtene Bescheid (in einfacher Ausfertigung) anzuschließen war.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020601.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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