TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 95/02/0131

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
36 Wirtschaftstreuhänder;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
StGB §146;
StGB §147;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;
VwRallg;
WTBO §47 Abs1;
WTBO §48 litd;
WTBO §48;
WTDO §16 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W) vom 7. Mai 1993, Zl. 27/85, betreffend Verhängung einer Disziplinarstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 1993 wurde der Beschwerdeführer, ein Steuerberater, für schuldig befunden, das Standesansehen nach § 47 Abs. 1 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO) dadurch beeinträchtigt zu haben, daß er in Wien die den Gegenstand eines Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. April 1986 bildenden Tatbestände begangen habe. Gemäß § 48 lit. d WTBO wurde der Beschwerdeführer hiefür zur Strafe der Suspendierung für die Dauer eines Jahres verurteilt; gleichzeitig wurden Verfahrenskosten vorgeschrieben.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit dem erwähnten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. April 1986 des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB, teils als "Beschuldigter" nach § 12, dritter Fall, StGB für schuldig erkannt worden. Danach habe er in Wien mit dem Vorsatz, Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte von Versicherungsunternehmungen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorspiegelung, es lägen Schadensereignisse vor, woraus Ersatzansprüche wegen der Beschädigung von Sachen durch Verwendung von Kraftfahrzeugen erhoben würden oder die den jeweiligen Versicherer zur Leistung aufgrund von Kasko-Versicherungsverträgen verpflichten würden, zu Zahlungen zugunsten der Firma F., somit zu Handlungen verleitet, welche die Versicherungen am Vermögen geschädigt hätten, und zwar

1. dadurch, daß er Ende Februar 1980 a) mit einer Schadensanzeige, die er gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Hans Dieter S. hergestellt und letzterem zur Geltendmachung von Ansprüchen überlassen habe, seinem Kasko-Versicherer fälschlich gemeldet habe, der am 23. Februar 1980 von ihm gelenkte (näher angeführte) Pkw sei bei einem Verkehrsunfall durch ein von Johann T. gelenktes Fahrzeug beschädigt worden, worauf der Versicherer für den geltend gemachten Kasko-Anspruch am 25. März 1980 S 40.670,-- geleistet habe; b) unter Anleitung des zuvor genannten Hans Dieter S. einen Mietvertrag samt Rechnung unterfertigt und dem Genannten zur Geltendmachung von Ansprüchen überlassen habe, zur strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten Johann T. beigetragen, der als Lenker eines (näher angeführten) Pkw"s seinem Haftpflichtversicherer fälschlich sein Verschulden an dem oben unter Punkt a) geschilderten Unfall gemeldet habe, worauf der Versicherer für die geltend gemachten Haftpflichtansprüche im November 1980 S 34.022,-- für Selbstbehalt, Mietwagenkosten und Wertminderung geleistet habe;

2. dadurch, daß er Ende Jänner 1981 mit einer Schadensanzeige zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung seinem Haftpflichtversicherer fälschlich gemeldet habe, er habe am 20. Jänner 1981 mit seinem Pkw einen Verkehrsunfall verschuldet, bei welchem der von dem abgesondert verfolgten Alfred S. gelenkte (andere) Pkw beschädigt worden sei, worauf der Versicherer für die geltend gemachten Haftpflichtansprüche im März und April 1981 insgesamt S 61.620,86, also einen um

S 32.292,-- höheren Betrag geleistet habe, als er bei Inanspruchnahme der Kasko-Versicherung des Alfred S. hätte leisen müssen. Mit Urteil vom 3. Oktober 1988 habe der Oberste Gerichtshof dieses Urteil in seinem Schuldspruch bestätigt. Auf die Feststellungen des Strafurteiles und die rechtlichen Ausführungen der Gerichte, insbesondere des Obersten Gerichtshofes werde zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Wirtschaftstreuhänder - so die belangte Behörde weiter - unterlägen der Ehrengerichtsbarkeit, wenn sie die Pflichten ihres Berufes verletzten oder innerhalb oder außerhalb des Berufes durch ihr Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt hätten. Den Ausführungen in der Berufung, betreffend die Gutgläubigkeit beim Unterschreiben von Blanko-Versicherungsformularen, sei nicht zu folgen, da gerade von einem Wirtschaftstreuhänder eine besondere Sorgfaltspflicht zu erwarten sei und Blanko-Unterfertigungen dieser Erwartungshaltung widersprächen. Wenn eine Versicherungsmeldung blanko unterschrieben und von einer anderen Person ausgefüllt werde, so hafte der Unterzeichner voll für sämtliche, sich aus diesem Ausfüllen ergebenden Konsequenzen. Es liege somit dolus eventualis vor. Dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis liege das vom Obersten Gerichtshof bestätigte und daher rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. April 1986 wegen schweren Betruges zugrunde. An dieses Urteil sei der Ehrengerichts- und Disziplinarausschuß gebunden. Die Berufungsbehörde vertrete die Auffassung, daß die Straftat, deretwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, in hohem Maße geeignet erscheine, das Ansehen des Standes der Wirtschaftstreuhänder zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 WTBO). Es sei daher das verurteilende Disziplinarerkenntnis der ersten Instanz zu bestätigen gewesen, wobei der Strafausspruch dem Entscheidungswillen der Erstbehörde anzupassen gewesen sei (Suspendierung "für die" statt "bis zur" Dauer eines Jahres).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 15. März 1995, B 472/95, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichshof abtrat. Dieser hat erwogen:

Was zunächst die durch die belangte Behörde vorgenommene "Anpassung" des Spruches in Ansehung der Strafbemessung anlangt, ist folgendes zu bemerken: Mit dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis vom 8. Mai 1992 wurde die Strafe der Suspendierung "bis" zur Dauer eines Jahres ausgesprochen. Bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Abänderung dahingehend, daß die Suspendierung "für" die Dauer eines Jahres ausgesprochen werde, handelt es sich im Zusammenhang damit, daß die Berufungsbehörde dem Entscheidungswillen der ersten Instanz Rechnung getragen hat, lediglich um eine - zulässige - Präzisierung. Daß das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis infolge des erwähnten Spruchtextes - so der Beschwerdeführer - "nichtig" und die belangte Behörde daher "unzuständig" gewesen sein soll, ist dem Verwaltungsgerichshof nicht nachvollziehbar. Auf die von einer verfehlten Prämisse ausgehenden Beschwerdeausführungen war daher nicht einzugehen. Im übrigen vermag der Verwaltungsgerichshof dem Beschwerdeführer auch dahin nicht zu folgen, daß die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen wäre, das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis mit einer "Maßgabe" (welche sich in der erwähnten Präzisierung des Strafausspruches erschöpft) zu bestätigen. Insbesondere stand dem § 17 Abs. 8 erster Satz der Wirtschaftstreuhänder-Disziplinarordnung (im folgenden: WTDO) nicht entgegen, wonach der Berufungssenat berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Ehrengerichts- und Disziplinarausschusses zu setzen und demgemäß das angefochtene Erkenntnis in jeder Richtung abzuändern.

Der Beschwerdeführer ist auch der Ansicht, daß der angefochtene Bescheid "nicht mehr (hätte) zugestellt werden dürfen, und das Verfahren hätte eingestellt werden müssen", weil zwischen der Sitzung der belangten Behörde und der am gleichen Tage erfolgten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides bis zur Zustellung nahezu 20 Monate verstrichen seien. Er verweist in diesem Zusammenhang auf § 16 Abs. 2 WTDO.

Nach dieser Gesetzesstelle ist je eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses, die vom Vorsitzenden des Senates zu unterfertigen ist, dem Beschuldigten und dem Kammeranwalt "ehestens" zuzustellen. Wohl sind nach § 22 WTDO, soweit sich aus der WTBO, dem Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz und der WTDO nichts anderes ergibt, auf die Ehrengerichtsbarkeit der Wirtschaftstreuhänder und Berufsanwärter die Vorschriften des V. Abschnittes der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, sinngemäß anzuwenden. Damit ist für den Beschwerdeführer allerdings nichts gewonnen, weil sich eben aus deren § 16 Abs. 2 WTDO insofern "anderes" (vgl. § 22 leg. cit.) ergibt, als das Erkenntnis "ehestens" zuzustellen ist. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzubilligen, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides keineswegs "ehestens" erfolgte. Den daraus vom Beschwerdeführer gezogenen Schlüssen vermag der Verwaltungsgerichshof allerdings nicht beizupflichten, weil es sich bei der Vorschrift des § 16 Abs. 2 WTDO lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelt, deren Verletzung nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich zieht.

Der mit "Strafen" überschriebene § 48 WTBO lautet:

"§ 48. Im Ehrengerichtsverfahren können vom erkennenden Senat folgende Strafen verhängt werden:

a)

Verwarnung;

b)

strenge Verwarnung;

c)

Geldbußen bis zum Höchstausmaße von 100 000 S im Einzelfalle, wobei sich dieser Höchstbetrag in den Fällen, in denen der Täter vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt und einen schweren Schaden verursacht hat, auf 500 000 S erhöht; diese Geldbußen sind gemäß § 26 Abs. 2 des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes zu verwenden;

d)

Suspendierung bis zur Dauer eines Jahres. Gegen Berufsanwärter ist statt auf diese Strafe auf Verkürzung der gemäß § 19 Abs. 4 anrechenbaren Zeit, jedoch höchstens um ein Jahr, zu erkennen;

e)

dauernde Entziehung der Berufsbefugnis beziehungsweise Streichung als Berufsanwärter.

Welche Strafe zu verhängen ist und in welchem Ausmaß sie zu bemessen ist, ist nach der Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile zu beurteilen; dabei ist auf alle in Betracht kommenden mildernden und erschwerenden Umstände Bedacht zu nehmen. Die Strafe der dauernden Entziehung der Berufsbefugnis ist auszusprechen, wenn der Beschuldigte vorsätzlich gehandelt hat und durch sein Verhalten ein schwerer Schaden oder eine schwere Beeinträchtigung des Ansehens des Standes bewirkt wurde."

In der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vom 8. Mai 1992 finden sich hinsichtlich der Strafbemessung die Ausführungen, als mildernder Umstand sei der zwischenzeitlich verstrichene Zeitraum von mehr als 10 Jahren und die sonstige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gewürdigt worden. Im Berufungsbescheid wird unter Hinweis auf § 47 Abs. 1 WTBO die Auffassung vertreten, daß die Straftat, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, in hohem Maße geeignet erscheine, das Ansehen des Standes der Wirtschaftstreuhänder zu beeinträchtigen.

Zunächst ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß - sofern die Berufungsbehörde den Strafausspruch der ersten Instanz bestätigt - ein Unterlassen einer neuerlichen Darlegung der für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen nur so verstanden werden kann, daß sich die Berufungsbehörde den diesbezüglichen Erwägungen der Erstbehörde anschließt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Juni 1987, Slg. Nr. 12 489/A, worauf in der Gegenschrift der belangten Behörde zutreffend verwiesen wird). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde allerdings nicht gehalten, die mittlerweile erfolgte Tilgung der gerichtlichen Strafe in ihre Erwägungen miteinzubeziehen. Vielmehr konnte dadurch weder das Ausmaß der wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes nach § 48 WTBO möglichen Strafe verändert oder gar die Tatbestandsmäßigkeit bzw. Strafbarkeit des seinerzeitigen Verhaltens überhaupt ausgeschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1974, Zl. 381/72). Gleiches hat für die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Wiedergutmachung und die "mittlerweilig erfolgte Sühne" (gemeint wohl: die Bezahlung der gerichtlichen Strafe) zu gelten.

Was das Ausmaß der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe anlangt, kann - entgegen seiner Ansicht - von einem "Ermessensexzeß" keine Rede sein. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Unbescholtenheit und der seit der Tat verstrichene Zeitraum wurden ohnedies berücksichtigt. Auch verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darauf, daß nicht die höchstmögliche Strafe (vgl. § 48 lit. e WTBO) verhängt wurde. Im Hinblick auf die Verfehlungen des Beschwerdeführers, welche die Ehre und das Ansehen des Standes zweifellos schwer beeinträchtigt haben, kann der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie die für Disziplinarvergehen in § 48 lit. d WTBO vorgesehene Suspendierung für die Dauer eines Jahres als schuldangemessene Strafe verhängte (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. März 1974, Zl. 381/72).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der belangten Behörde betreffend weiterer Schriftsatzaufwand und Ersatz von Bundesstempeln war abzuweisen, weil Schriftsatzaufwand nur im Ausmaß von S 4.000,-- gebührt (vgl. die zitierte Verordnung, B, Ziffer 5) und gemäß § 48 Abs. 2 VwGG ein über den Vorlageaufwand und den Schriftsatzaufwand allenfalls hinaus entstandener sonstiger Aufwand der belangten Behörde nur zu ersetzen ist, wenn er mit einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichshof verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1974, Zl. 1424/74); eine derartige Verhandlung wurde jedoch nicht durchgeführt.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtBerufungsverfahrenInhalt der BerufungsentscheidungIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020131.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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