TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 95/02/0562

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs2;
FrG 1993 §48 Abs3;
PersFrSchG 1988 Art1 Abs3;
PersFrSchG 1988 Art5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 17. November 1995, Zl. UVS-8/222/3-1995, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. November 1995 wurde der an diese gerichteten Beschwerde des Beschwerdeführers unter Berufung auf die §§ 51 und 52 Fremdengesetz keine Folge gegeben und die Rechtmäßigkeit der Festnahme des Beschwerdeführers sowie dessen Anhaltung in Schubhaft seit 1. August 1995 festgestellt. Weiters wurde ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei "restjugoslawischer" Staatsangehöriger, er entstamme der ethnischen Minderheit der Kosovo-Albaner. Er habe sich seit Sommer 1991 in Österreich aufgehalten, habe dabei in W. gewohnt und sei im Jahre 1993 als Landarbeiter beschäftigt gewesen. Letztmalig habe er nach dem Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltsbewilligung bis 26. April 1994 erhalten. Im Jänner 1994 sei der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückgekehrt, um dort zu heiraten. Nach seinen Angaben sei ihm die Wiedereinreise nach Österreich von serbischen Polizisten untersagt und er sei sechs Tage lang gefoltert und mißhandelt worden, sodaß er sich stationär im Krankenhaus habe behandeln lassen müssen. Am 10. November 1994 sei der Beschwerdeführer mit dem Flugzeug nach Wien gelangt und habe dort einen Asylantrag gestellt, welcher mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. November 1994 abgelehnt worden sei. Der Beschwerdeführer sei daraufhin nach Albanien abgeschoben worden. Nach seinen Angaben sei er von dort im April 1995 in den Kosovo zurückgekehrt. Am 1. August 1995 habe der Beschwerdeführer von Ungarn kommend illegal mit Hilfe eines Schleppers die Grenze nach Österreich überschritten. Er habe sich sodann zu seiner Schwester nach W. und in weiterer Folge nach Salzburg zum Hauptbahnhof begeben, wo er sich eine Fahrkarte nach Wien gekauft habe. Dort sei er von der Polizei kontrolliert und wegen des fehlenden Reisepasses und einer gegen ihn laufenden Fahndung des Landesgerichtes Wien festgenommen worden. Mit Bescheid vom 1. August 1995 habe die Bundespolizeidirektion Salzburg über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt. Der Fremdenakt sei dann in weiterer Folge an die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung abgetreten worden, welche den Beschwerdeführer am 10. August 1995 niederschriftlich in Kenntnis gesetzt habe, daß geplant sei, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Mit Schreiben an das jugoslawische Generalkonsulat vom 16. August 1994 sei die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt und dieser Antrag am 29. September und 31. Oktober 1995 urgiert worden. Ein Heimreisezertifikat sei bisher nicht ausgestellt worden. Am 18. August 1995 habe der Beschwerdeführer (neuerlich) einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Oktober 1995 letztinstanzlich abgewiesen worden sei. Am 29. September 1995 sei der Beschwerdeführer von der Fremdenbehörde niederschriftlich in Kenntnis gesetzt worden, daß die Schubhaft über zwei Monate hinaus verlängert werde, da vom jugoslawischen Generalkonsulat das beantragte Heimreisezertifikat noch nicht eingelangt sei. Bereits am 6. September 1995 habe der Beschwerdeführer die "Verlängerung" seiner Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz beantragt. Am 3. November 1995 habe er bei der Fremdenbehörde einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Jugoslawien, Albanien und Ungarn gemäß § 37 Fremdengesetz gestellt und gleichzeitig einen Abschiebungsaufschub nach § 36 Abs. 2 leg. cit. wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung beantragt; mit diesem Antrag habe der Beschwerdeführer auch eine Verpflichtungserklärung (samt Beilagen) einer namentlich genannten Person vom 25. Oktober 1995 vorgelegt. Am 9. November 1995 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Übertretung der §§ 223 und 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt worden. Daraufhin habe die Fremdenbehörde, die den Ausgang dieses Strafverfahrens abgewartet habe, mit Bescheid vom 10. November 1995 ein bis zum 13. November 2000 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, wobei die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen worden sei. Dieser Bescheid sei dem Vertreter des Beschwerdeführers am 16. November 1995 zugestellt worden. Bereits am 13. November 1995 sei die gegenständliche Schubhaftbeschwerde eingelangt. Mit ergänzendem Vorbringen vom 14. November 1995 habe der Beschwerdeführer noch eidesstattliche Erklärungen vorgelegt.

Aufgrund dieser Tatsachen und der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sei die Einleitung eines Aufenthaltsverbotsverfahrens jedenfalls gerechtfertigt gewesen. Es sei auch seine Inschubhaftnahme zur Sicherung des Aufenthaltsverbotsverfahrens geboten gewesen, da aufgrund der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers mit Recht habe vermutet werden können, daß er sich "in Freiheit belassen" dem Zugriff der Behörden entziehen werde. Daran vermöge auch die erst am 3. November 1995 übermittelte Verpflichtungserklärung bzw. die dem unabhängigen Verwaltungssenat übermittelten eidesstattlichen Erklärungen nichts ändern. Es erscheine im konkreten Fall aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens des Beschwerdeführers auch bei von dritter Seite zur Verfügung gestellter Unterkunft und Unterhaltsmittel die Gefahr seines Untertauchens nicht gebannt. Diese Gefahr bestehe nunmehr umsomehr, da seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Schubhaft gemäß § 48 Abs. 3 Fremdengesetz nunmehr zur Sicherung der Abschiebung verhängt gelte. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 48 Abs. 1 Fremdengesetz sei nicht erkennbar. Die Fremdenbehörde habe parallel zum eingeleiteten Aufenthaltsverbotsverfahren bei der jugoslawischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates unverzüglich veranlaßt und dieses bereits zweimal urgiert. Es spreche nichts dagegen, daß bei einer geplanten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schon vor Vorliegen des entsprechenden Bescheides Abschiebungsschritte im Hinblick auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates gestellt würden. Eine Säumigkeit der Fremdenbehörde sei nicht erkennbar, zumal sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt eindeutig ergebe, daß das Zuwarten zur Erlassung des Bescheides nur deswegen erfolgt sei, um den Ausgang des gegen den Beschwerdeführer laufenden strafgerichtlichen Verfahrens in die Beurteilung des Aufenthaltsverbotsverfahrens miteinzubeziehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zweck der Schubhaft, der nach § 41 Abs. 1 Fremdengesetz unter anderem auch die Notwendigkeit der Festnahme und Anhaltung eines Fremden zur Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung umfaßt, ist aus § 48 Abs. 4 Fremdengesetz - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht ableitbar, daß bereits ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot oder eine durchsetzbare Ausweisung nach Ablauf des im § 48 Abs. 2 leg. cit. genannten zweimonatigen Zeitraumes vorhanden sein müßte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. August 1996, Zl. 96/02/0093). Wird in der Folge ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar, so gilt die Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt, wenn die Überwachung der Ausreise notwendig ist (§ 48 Abs. 3 Fremdengesetz).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Annahme der belangten Behörde, die Überwachung der Ausreise des Beschwerdeführers sei aus den von ihr dargelegten Gründen notwendig, keineswegs als rechtswidrig zu erkennen. Zu Recht hat die belangte Behörde hervorgehoben, daß im Hinblick auf die anderen dargelegten Umstände der erwähnten Verpflichtungserklärung und den vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen in diesem Zusammenhang keine wesentliche Bedeutung zukommt. Weiters entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Oktober 1996, Zl. 96/02/0234), daß die Überprüfung, ob eine Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (scheint), nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen hat. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf Art. 1 Abs. 3 (iVm Art. 5 Abs. 2) des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit geht fehl, weil die Ausführung dieses Verfassungsgrundsatzes dem einfachen Gesetzgeber obliegt. Im Fremdengesetz ist dem durch die Normierung der Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft Rechnung getragen worden. Im Rahmen dieser Voraussetzungen kann ohne gesetzliche Grundlage von einem ausreichenden gelinderen Mittel zur Sicherung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Abschiebung keine Rede sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1994, Zlen. 94/02/0170, 0171). Demgemäß entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. März 1996, Zl. 94/02/0386), daß die Anwendung eines "gelinderen Mittels" als der Schubhaft bei Vorliegen der Haftgründe gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Ferner kann dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukam, weil nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 96/02/0151) auch gegen Fremde mit einer solchen Aufenthaltsberechtigung die Schubhaft verhängt werden kann.

Schließlich ist dem Beschwerdeführer die ständige hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, daß im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 Fremdengesetz die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde zu erfolgen hat. Die Unzuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate ist sogar dann gegeben, wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wurde. Es ist ihnen auch diesfalls die vorfrageweise Beurteilung dieses Umstandes verwehrt. Dieser Aspekt der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft ist der Prüfung durch die unabhängigen Verwaltungssenate jedenfalls entzogen (vgl. zum Ganzen etwa das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 96/02/0151).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020562.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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