TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/21 W135 2241146-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W135 2241146-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 11.03.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 18.03.2019 einen (ersten) Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, welcher mit Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), vom 29.10.2019, gestützt auf ärztliche Sachverständigengutachten, in welchen ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. festgestellt wurde, abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin brachte am 30.10.2020 beim Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Antrags nicht im Besitz eines Behindertenpasses war, wurde dieser Antrag als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet. Als vorliegende Gesundheitsschädigungen gab die Beschwerdeführerin „Diabetes, Hoher Blutdruck, Depressive Störung, Aneurysmablutung, Kopfschmerzen, Karpaltunnelsyndrom, Geruchssinnbeeinträchtigung, Anosmie, Stimmstörung sowie Hörbehinderung“ an. Dem Antrag legte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde den Blutdruck und Diabetes, die Aneurysmablutung und Anosmie sowie die Hörbehinderung und Depression betreffend bei.

Die belangte Behörde holte ein Sachverständigengutachten eines Arztes für HNO aufgrund der Aktenlage ein, welches am 14.11.2020 erstellt wurde. In diesem wird Folgendes ausgeführt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2019-08 HNO-VGA mit Untersuchung: Anosmie 20%, Stimmstörung 10%. Hörstörung war kein Thema.

2020-10 Tonaudiogramm von HNO-GP XXXX : Hörverlust nach Röser rechts 35%, links 36%.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

aktenmäßig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Hörstörung beidseits

Tabelle Zeile 2/Kolonne 2 - im oberen Rahmensatz, da im Tieftonbereich auf beiden Seiten bis 45dB Hörverlust.

12.02.01

20

2

Anosmie

Oberer Rahmensatz, da Geschmacksempfindung mitbetroffen

12.04.05

20

3

Stimmstörung

Unterer Rahmensatz, da keine höhergradige Heiserkeit vorliegt.

12.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB des ersten Leidens wird durch die übrigen nicht erhöht, da diese keine wesentlichen, zusätzlichen Funktionsstörungen darstellen und ein ungünstiges Zusammenwirken nicht besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

-

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum HNO-VGA: Anosmie und Stimmstörung unverändert; Aufnahme des Leidens "Hörstörung".

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

keine Änderung

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung“

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein, welches am 18.01.2021, nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag, erstellt wurde. In diesem wird Folgendes ausgeführt:

„Anamnese:

Letzte hierortige Einstufung 2019-9 mit 40% (Aneurysmablutung 30, Depressio 30, Diabetes mellitus Typ II 20, Anosmie 20, arterieller Bluthochdruck 10 Stimmstörung 10, Carpaltunnelsyndrom links 10)

TE, AE, Sectio, Ovargrav.

2017 Aneurysmaklipping

Diabetes mellitus seit ca. 2011 bekannt, letzter NBZ nicht erinnerlich, letzte HbA1c 6,6 im Nov. 2020. Medikamentös und diätisch eingestellt.

Derzeitige Beschwerden:

Die Antragswerberin klagt „über Schwindel bei windigem Wetter, Kopfschmerzen und seit neuestem auch Hör und Sehverminderung die manchmal auftreten und dann wieder besser seien. Sie schlafe sehr viel“

Pollen Allergie bekannt

Anderwärtige schwere Krankheiten, Operationen oder Spitalsaufenthalte werden negiert.

Lt. eigenen Angaben Benutzung der öffentlichen VM „ungerne“ möglich

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Jentadueto, Nebilan, Telmisartan, Rosuvastatin, Thrombo Ass, Escitalopram, Magnonorm, Dekristol, Zink

Sozialanamnese:

In Italien geboren, 1989 nach Österreich gekommen

seit ca. 2017 arbeitslos als Buchhalterin, 2 x geschieden 2013, 19 jähriger Sohn,

wohnt in einer Gemeindewohnung im 1. Stock mit Lift, einige Stufen sind zu überwinden.

Kein Pflegegeld

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2020-11 Dr. XXXX , Psychiater: geringes OPS nach SAB und Aneurysma Klippung, Anosmie, berichtet über undulierende Hör- und Sehstörungen , neurologisch bis auf Anosmie unauffällig, im MR keine Diffusionseinschränkung , angiographisch unauffällig

2020-11 Dr. XXXX , Internist: arterieller Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ II

2020-9 Dr. XXXX , Psychiater: Rezidivierende depressive Störung (ICD-10: F33.1)

Leichte kognitive Störung (ICD-10: F06.7)

Agoraphobie mit Panikstörung

AE, TE, Sectio cesarea, Eileiterschwangerschaft 2004, Subarachnoidalblutung A. comm. Ant.

07-2017 (Aneurysmaruptur)

Status Hepatitis A, B, C, HIV, Lues: anamnestisch neg.

Arterielle Hypertonie (Nebilan), Diabetes mellitus II (Jentadueto), Carpaltunnelsyndrom bds.,

Anosmie.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: 51-jährige AW in gutem AZ kommt alleine zur Untersuchung, Rechtshänderin,

Ernährungszustand: gut

Größe: 176,00 cm Gewicht: 95,00 kg Blutdruck: 130/80

Klinischer Status – Fachstatus:

Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute: unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt, normal blande Narbenverhältnisse

PR unauffällig, Rachen: bland,

Gebiß: saniert,

Hörvermögen ohne Hörgerät unauffällig

Collum: Halsorgane unauffällig, keine Einflußstauung, keine Stenosegeräusche

Thorax: symmetrisch,

Cor: HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72 / min

Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer

Abdomen: Bauchdecken über Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel, keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent,

blande NVH nach AE und Pfannenstiel

NL bds. frei

Extremitäten:

OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig.

Nacken und Schürzengriff gut möglich, in den Gelenken aktiv und passiv altersentsprechend frei beweglich, Faustschluß beidseits unauffällig, eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben

Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.

UE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Bandstabilität,

keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, Grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal.

Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme

PSR: seitengleich unauffällig, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.

Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht gering verstärkte Brustkyphose FBA: 5 cm, Aufrichten frei, kein Klopfschmerz , Schober: , Ott: unauffällig,

altersentsprechend freie Beweglichkeit der WS, Kinn-Brustabstand: 1 cm,

Hartspann der paravertebralen Muskulatur,

Gesamtmobilität – Gangbild:

kommt mit Stiefletten freigehend unauffällig, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits gut möglich. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten nahezu vollständig durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen

Status Psychicus:

Bewußtsein klar. gut kontaktfähig, Allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Affekt: dysthym

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Depressive Störung

2 Stufe über unterem Rahmensatz, da regelmäßige fachärztliche

Behandlungen erforderlich. Dieser Rahmensatz inkludiert auch Panikattacken

03.06.01

30

2

Zustand nach Subarachnoidalblutung und Aneurysma Klippung 2017

Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da noch geringes organisches Psychosyndrom objektivierbar.

03.01.01

20

3

Diabetes mellitus Typ II

Heranziehung dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da weitgehend ausgeglichene Blutzuckereinstellung durch regelmäßige Medikamenteneinnahme gewährleistet ist.

09.02.01

20

4

arterieller Bluthochdruck

Fixer Rahmensatz

05.01.01

10

5

Karpaltunnelsyndrom links

Unterer Rahmensatz, da kein motorisches Defizit.

04.05.06

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2-3 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Leiden 4-5 erhöht nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Die HNO Leiden werden durch das hierortige HNO Fachgutachten eingestuft

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Diagnoseänderung und Anpassung von Leiden 2 aufgrund der aktuellen Befunde, Maßgebliche neurologische Ausfälle sind nicht mehr dokumentiert

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

siehe Gesamtgutachten

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung“

In der von der belangten Behörde Zusammenfassung der eingeholten Gutachten durch einen Arzt für Allgemeinmedizin vom 25.01.2021 wird Folgendes ausgeführt:

Zusammenfassung der Sachverständigengutachten:

Name der/des SV

Fachgebiet

Gutachten vom

Dr. XXXX

Allgemeinmedizin

18.01.2021

Dr. XXXX

HNO

14.11.2020

Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung.

Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Depressive Störung

2 Stufe über unterem Rahmensatz, da regelmäßige fachärztliche

Behandlungen erforderlich. Dieser Rahmensatz inkludiert auch Panikattacken

03.06.01

30

2

Zustand nach Subarachnoidalblutung und Aneurysma Klippung 2017

Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da noch geringes organisches Psychosyndrom objektivierbar.

03.01.01

20

3

Diabetes mellitus Typ II

Heranziehung dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da weitgehend ausgeglichene Blutzuckereinstellung durch regelmäßige Medikamenteneinnahme gewährleistet ist.

09.02.01

20

4

Hörstörung beidseits

Tabelle Zeile 2/Kolonne 2 - im oberen Rahmensatz, da im Tieftonbereich auf beiden Seiten bis 45dB Hörverlust.

12.02.01

20

5

Anosmie

Oberer Rahmensatz, da Geschmacksempfindung mitbetroffen

12.04.05

20

6

arterieller Bluthochdruck

Fixer Rahmensatz

05.01.01

10

7

Karpaltunnelsyndrom links

Unterer Rahmensatz, da kein motorisches Defizit.

04.05.06

10

8

Stimmstörung

Unterer Rahmensatz, da keine höhergradige Heiserkeit vorliegt.

12.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2-5 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Leiden 6-8 erhöht nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Diagnoseänderung und Anpassung von Leiden 2 aufgrund der aktuellen Befunde, Maßgebliche neurologische Ausfälle sind nicht mehr dokumentiert

Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 4

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

Durch Besserung von Leiden 2 auch Absenkung des Gesamt GdBs

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung“

Mit Schreiben vom 01.02.2021 wurden der Beschwerdeführerin die eingeholten Sachverständigengutachten vom 14.11.2020, vom 18.01.2021 und vom 25.01.2021 übermittelt und ihr mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpass nicht vorliegen würden, da laut Sachverständigengutachten ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. vorliege. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen eingeräumt, welche diese ungenutzt verstreichen ließ.

Mit angefochtenem Bescheid vom 11.03.2021 sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle und wies den Antrag ab. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welche als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Nach diesen betrage der Grad der Behinderung 30 v.H. und damit seien die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin erneut die Sachverständigengutachten vom 14.11.2020, vom 18.01.2021 und vom 25.01.2021 übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30.03.2021 das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher sie angab, sie sei nur von einem praktischen Arzt und nicht – wie im Bescheid behauptet – von einem HNO Arzt untersucht worden. Man hätte ihren Grad der Behinderung mit 30 v.H. statt mit 40 v.H. falsch eingestuft.

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende einschätzungsrelevante Funktionseinschränkungen vor, wobei es sich bei der Funktionsbeeinträchtigung 1. um das führende Leiden handelt:

1.       Depressive Störung

2.       Zustand nach Subarachnoidalblutung und Aneurysma Klippung 2017

3.       Diabetes mellitus Typ II

4.       Hörstörung beidseits

5.       Anosmie

6.       Arterieller Bluthochdruck

7.       Karpaltunnelsyndrom links

8.       Stimmstörung

Das führende Leiden 1. wird durch Leiden 2. – 5. wegen des fehlenden maßgeblichen ungünstigen Zusammenwirkens nicht erhöht. Das führende Leiden wird durch Leiden 6. – 8. nicht weiter erhöht, da diese von zu geringer funktioneller Relevanz sind.

Der Gesamtgrad der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Behinderung beträgt 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin vorliegenden einschätzungsrelevanten, sohin mehr als sechs Monate andauernden Funktionseinschränkungen und dem Gesamtgrad der Behinderung basieren auf den im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für HNO vom 14.11.2020 und eines Sachverständigengutachten eines Facharztes für Allgemeinmedizin vom 18.01.2021 sowie auf dessen Gesamtbeurteilung vom 25.01.2021, welche in den entscheidungswesentlichen Teilen im Verfahrensgang wiedergegeben wurden. Darin wurden unter Heranziehung der – in den rechtlichen Ausführungen in den wesentlichen Teilen zitierten – Einschätzungsverordnung und deren Anlage die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen ordnungsgemäß eingeschätzt und dabei stimmen die von den Sachverständigen gewählten Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung und die gewählten Rahmensätze mit den diesbezüglichen Kriterien überein. In den Sachverständigengutachten gehen die beigezogenen Ärzte daher auf die Art der Leiden vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ein. Im Rahmen des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 18.01.2021 wurde eine persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durchgeführt. In die Beurteilung der Sachverständigen sind sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgelegte medizinische Beweismittel eingeflossen.

Betreffend das Hauptleiden „Depressive Störung“ nahm der Sachverständige für Allgemeinmedizin eine korrekte Zuordnung zur Position 03.06.01 (Depressive Störung – Dysthymie – leichten Grades) vor und wählte nachvollziehbar den Rahmensatz von 30 v.H. (die dazu in der Anlage der Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten: „Unter Medikation stabil, fallweise beginnende soziale Rückzugstendenzen, aber noch integriert“), da regelmäßige fachärztliche Behandlungen erforderlich sind. Der vom Sachverständigen gewählte Rahmensatz inkludiert auch Panikattacken.

Hinsichtlich der Funktionseinschränkung „Zustand nach Subarachnoidalblutung und Aneurysma Klippung 2017“, welche ordnungsgemäß der Position 03.01.01 (Teilleistungsschwächen geringen Grades) der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurde, wurde vom fachärztlichen Sachverständigen für Allgemeinmedizin der obere Rahmensatz von 20 v.H. gewählt (die dazu angeführten Parameter lauten: „Ohne wesentliche Beeinträchtigungen im Alltags- und Arbeitsleben bzw. der schulischen Leistungen; Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörung leichten Ausmaßes“), was schlüssig und nachvollziehbar ist. Da aufgrund der aktuellen Befunde maßgebliche neurologische Ausfälle nicht mehr dokumentiert sind, wurde seitens des Sachverständigen für Allgemeinmedizin in seinem Gutachten vom 18.01.2021 und seiner Gesamtbeurteilung vom 25.01.2021 eine Diagnoseänderung und eine Anpassung von der vorherigen Zuordnung zur höheren Position 03.01.02 zur niedrigeren Position 03.01.01 vorgenommen. Es liegen keine Einschränkungen mehr in einem Ausmaß vor, welche die Zuordnung zur nächst höheren Position 03.01.02 (Intelligenzminderung mit geringen bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen; Parameter: „Anamnestisch leichte Anpassungsstörung; Probleme in der Ausbildung; Unabhängigkeit in der Selbstversorgung, im Alltagsleben“) rechtfertigen würden.

Betreffend das Leidens 3. „Diabetes mellitus Typ II“, nahm der Sachverständige für Allgemeinmedizin ordnungsgemäß eine Zuordnung zur Position 09.02.01 (Leichte Hypertonie) mit dem mittleren Rahmensatz von 20 v.H. an, da weitgehend eine ausgeglichene Blutzuckereinstellung durch regelmäßige Medikamenteneinnahme gewährleistet ist.

Leiden 4. „Hörstörung beidseits“ wurde von den Sachverständigen zur Position 12.02.01 (Einschränkungen des Hörvermögens, Tabelle Zeile 2/ Kolonne 2) mit oberen Rahmensatz von 20 v.H. zugeordnet, da im Tieftonbereich auf beiden Seiten bis 45dB Hörverlust vorliegt.

Hinsichtlich Leiden 5. „Anosmie“, welches ordnungsgemäß der Position 12.04.05 (Verlust des Riechvermögens und Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung) zugeordnet wurde, wurde von den fachärztlichen Sachverständigen der obere Rahmensatz von 20 v.H. gewählt, da die Geschmacksempfindung mitbetroffen ist.

Leiden 6. „Arterieller Bluthochdruck“ wurde vom Sachverständigen für Allgemeinmedizin ordnungsgemäß zur Position 05.01.01 mit dem fixen Rahmensatz von 10 v.H. zugeordnet, was angesichts des erhobenen Blutdruckes nachvollziehbar ist.

Leiden 7. „Karpaltunnelsyndrom links“, wurde von dem Sachverständigen für Allgemeinmedizin zur Position 04.05.06 und dem unteren Rahmensatz von 10 v.H. nachvollziehbar zugeordnet, da kein motorisches Defizit vorliegt.

Leiden 8. „Stimmstörung“, wurde seitens der Sachverständigen ordnungsgemäß zur Position 12.05.01 mit unterem Rahmensatz von 10 v.H. zugeordnet, da keine höhergradige Heiserkeit vorliegt.

In Zusammenschau des auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachtens vom 18.01.2021 und der Gesamtbeurteilung vom 25.01.2021 sowie des eingeholten Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage vom 14.11.2020 sind sämtliche Leiden der Beschwerdeführerin berücksichtigt und den jeweiligen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung nachvollziehbar zugeordnet worden. Die jeweils gewählten Rahmensätze sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ausreichend begründet worden.

Die dem Antrag der Beschwerdeführerin beigelegten Befunde wurden im Sachverständigengutachten vom 18.01.2021 bis auf den Befundbericht vom 06.10.2020 ausnahmslos berücksichtigt. Der Befundbericht vom 06.10.2020 eines Arztes für HNO wurde im Rahmen der Gesamtbeurteilung des Sachverständigen vom 25.01.2021 aufgenommen und als Leiden 4 „Hörstörung beiderseits“ berücksichtigt. Überdies wurde die von der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag angeführte Hörstörung bereits im Sachverständigengutachten vom 14.11.2020 aufgenommen und in diesem als Leiden 1. berücksichtigt.

Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorbringt, ihre Behinderung sei mit 30 v.H. falsch eingeschätzt worden, sind dieser Behauptung die Sachverständigengutachten entgegenzuhalten, in welchen übereinstimmend ein Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt wurde. Im Rahmen der Erstellung des Sachverständigengutachtens vom 18.01.2021 wurde die Beschwerdeführerin auch persönlich untersucht. Durch Besserung und der damit einhergehenden Neuzuordnung von Leiden 2. kam es im Vergleich zum Vorgutachten zur einer Änderung des Gesamtgrades der Behinderung von 40 v.H. auf nunmehr 30 v.H. Seitens des Sachverständigen konnten keine Einschränkungen mehr in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Zuordnung zur nächst höheren Position 03.01.02 rechtfertigen würden, da keine maßgeblichen neurologischen Ausfälle mehr vorliegen.

Zum Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin sei entgegen dem Wortlaut des angefochtenen Bescheids vom 11.03.2021 von einem praktischen Arzt und nicht von einem HNO Arzt untersucht worden, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin zwar zuzustimmen ist, dass sie vom HNO-Sachverständigen nicht untersucht, sondern dieser sein Gutachten aufgrund der Aktenlage, also ein Aktengutachten, erstellte; dies ist aber gegenständlich nicht zu beanstanden, da darin sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgelegte HNO-Befunde mit den aufgenommenen Untersuchungsergebnissen berücksichtigt wurden und ein Aktengutachten ganz grundsätzlich ein taugliches Beweismittel darstellt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher insgesamt keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin hat kein Gegengutachten oder medizinische Befunde vorgelegt, welche Anlass gegeben hätten, die Schlüssigkeit der vorliegenden Gutachten sowie der Stellungnahme in Zweifel zu ziehen. Die Einholung weiterer Gutachten konnte somit unterbleiben.

Im Ergebnis ist daher bei der Beschwerdeführerin von einem Grad der Behinderung von 30 v.H. auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 40 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigen Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2).

In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen (§ 45 Abs. 3).

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen (§ 45 Abs. 4).

Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, lautet auszugsweise:

„Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Die Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sieht – soweit im gegenständlichen Fall relevant – auszugsweise Folgendes vor:
„03 Psychische Störungen

03.01   Kognitive Leistungseinschränkung

Die Beurteilung der kognitiven Leistungsbreite erfolgt unabhängig der Ursachen (angeborene, posttraumatische, genetische, entzündliche oder toxisch bedingte Leistungsminderung) abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen.

Auf kognitive Funktionsbehinderungen zurückgeführte Sprach – und Artikulationsstörungen bis hin zur Aphasie sind zu berücksichtigen.

03.01.01

Teilleistungsschwächen geringen Grades

10 – 20 %

Ohne wesentliche Beeinträchtigungen im Alltags- und Arbeitsleben bzw. der schulischen Leistungen

Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörung leichten Ausmaßes

03.01.02

Intelligenzminderung mit geringen bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen

30 – 40 %

Anamnestisch leichte Anpassungsstörung

Probleme in der Ausbildung

Unabhängigkeit in der Selbstversorgung, im Alltagsleben

 


[…]

03.06   Affektive Störungen

Manische, depressive und bipolare Störungen

03.06.01

Depressive Störung – Dysthymie - leichten Grades

Manische Störung – Hypomanie - leichten Grades

10 – 40 %

Keine psychotischen Symptome, Phasen mindestens 2 Wochen andauernd

20 %:

Unter Medikation stabil, soziale Integration

30 %

Unter Medikation stabil, fallweise beginnende soziale Rückzugstendenz, aber noch integriert

40 %

Trotz Medikation in stabil, mäßige soziale Beeinträchtigung

 

03.06.02

Depressive Störungen mittleren Grades Manische Störung mittleren Grades

50 – 70 %

50%:

Depression: Leistungsfähigkeit und soziale Kontakte schwer aufrecht zu erhalten

Manie: Während der Phasen Arbeitsleistung und soziale Funktionsfähigkeit vollständig unterbrochen

70%:

Leistungsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt

Keine Vollständige Remission trotz adäquater Therapie

[…]

04 Nervensystem

04.05.06

Nervus medianus

10 – 40 %

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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