Entscheidungsdatum
23.06.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W208 2241102-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der ZIVILDIENSTSERVICEAGENTUR vom 05.03.2021, Zl. 488642/17/ZD/0321, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 13a Abs 1 Z 4 Zivildienstgesetz 1986 mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Beschwerdeführer während seines aufrechten Theologie-Studiums an der türkischen UNIVERSITÄT XXXX (bis voraussichtlich Sommer 2026) von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes befreit ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) – dessen Tauglichkeit zum Wehrdienst erstmals am 22.03.2019 festgestellt wurde – brachte am 07.06.2019 eine mängelfreie Zivildiensterklärung ein. In der Zivildiensterklärung gab er an, dass er nach Abschluss der Polytechnischen Schule seit 2016 – 2020 den „Imam-Hatip“ Lehrgang besuche. Aus der beiliegenden Bestätigung des Institutsleiters des „Imam-Hatip“ Lehrganges ergibt sich, dass der BF sich im Ausbildungsjahr 2018/2019 in der 3. Klasse des innerreligionsgesellschaftlichen als vorbereitenden Lehrgang für die Ausbildung von Seelsorgern und Koranlehrern eingerichteten „Imam-Hatip“ Lehrgang angemeldet hat. Die Ausbildung dauere 4 Jahre.
2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur (ZISA) vom 17.06.2019 wurde der Eintritt seiner Zivildienstpflicht rechtskräftig festgestellt.
3. Am 21.10.2020 langte bei der ZISA ein Antrag auf Aufschub des Zivildienstes ein, den der BF mit dem Beginn seines Studiums der Theologie an der UNIVERSITÄT XXXX in der TÜRKEI seit 10.09.2020 (Immatrikulationsdatum, laut Studienbescheinigung vom 12.10.2020) begründete, wo er sich im Wintersemester 2020/2021 an der Theologischen Fakultät inskribiert habe.
4. Mit Schreiben der ZISA vom 22.10.2020 wurde der BF aufgefordert einen Nachweis über die Anrechenbarkeit bzw Möglichkeit der Nostrifizierung des Studiums als Hochschulstudium in Österreich vorzulegen sowie einen Nachweis der außerordentlichen Härte bzw. eines bedeutenden Nachteils zu erbringen, welcher ihm bei der Unterbrechung der Ausbildung durch den Zivildienst entstünde.
5. Mit E-Mail vom 02.11.2020 legte der BF eine Bestätigung der oben genannten Universität vom 30.10.2020 vor, wonach der BF sein Studium am 05.10.2020 begonnen habe und Lehrveranstaltungen besuche. Er sei ordentlicher Student. Weiters eine Studienbescheinigung, wonach er im Studienjahr 2020-2021 an der Theologischen Fakultät inskribiert sei.
6. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid (zugestellt am 09.03.2021) wies die ZISA (belangte Behörde) den Antrag auf Aufschub ab.
Begründend wurde im Wesentlichen nach Wiedergabe des unstrittigen Sachverhaltes ausgeführt, dass § 14 Zivildienstgesetz (ZDG) auf den vorliegenden Fall anzuwenden sei. Der BF habe nicht nachgewiesen, dass die von ihm absolvierte Ausbildung eine in Österreich anerkannte Hochschulausbildung sei. Selbst wenn dies der Fall wäre, habe der BF den vom Gesetz geforderten bedeutenden Nachteil oder eine außerordentliche Härte nicht nachgewiesen.
7. Mit E-Mail vom 30.03.2021 brachte der BF eine Beschwerde gegen den oa Bescheid ein, die er sinngemäß damit begründete, dass das AAIS (Anerkennungs- Antrags- und Informationssystem) des Bundesministeriums nur Anerkennungen für Abschlüsse und Diplome ausstelle, nicht für laufende Hochschulausbildungen. Eine Abweisung bedeute für ihn 3 Jahre Verzögerung des Studiums. Das Vorbereitungsjahr in dem er sich befinde, müsse wiederholt werden, sowie die Universitätsprüfung für die Aufnahme. Als Beweismittel übermittelte er eine Bestätigung der IFW (Islamische Föderation WIEN) vom 12.03.2021, wonach, Absolventinnen der genannten Universität in der TÜRKEI nach ihrem Abschluss in ihren 10 Moscheeneinrichtungen als Seelsorgerinnen oder Religiöse Vortragende zugelassen seien. Eine Bestätigung der Universität vom 15.03.2021, wonach der BF diese im Studienjahr 2020-2021 besuche, dort die Vorbereitungsklasse absolviere und im Wintersemester einen Notendurchschnitt von 91,33 habe.
8. Mit Schriftsatz vom 01.04.2021 legte die ZISA – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor (eingelangt 06.04.2021).
9. Das BVwG stellte, um die Angaben des BF zu überprüfen, ein Amtshilfeersuchen an das Kultusamt im Bundeskanzleramt, welches mit Schriftsatz vom 18.05.2021 beantwortet wurde.
Die Anfragebeantwortung ergab Folgendes:
„1. Ist ein vierjähriger „Imam-Hatip“ Lehrgang, das ist ein innerreligionsgesellschaftlichen vorbereitender Lehrgang für die Ausbildung von Seelsorgern und Koranlehrern bekannt (vgl Beilage 1)?
Der Lehrgang ist dem Kultusamt bekannt und der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) als anerkannte Religionsgesellschaft iSd Art 15 StGG zurechenbar. Ein Fachverein der IGGÖ mit dem Namen „Imam-Hatip“ in XXXX wurde dem Kultusamt am 14. Mai 2016 übermittelt. Das Kultusamt hat die Hinterlegungsanzeige mit der GZ XXXX am 11. Juli 2016 bestätigt, wodurch dieser Fachverein gemäß § 23 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse Islamischer Religionsgesellschaften (IslamG 2015), BGBl. I Nr. 39/2015, Rechtspersönlichkeit auch für den staatlichen Bereich erlangt hat.
Dieser Fachverein hat dem Stadtschulrat für Wien ein Curriculum für einen „Imam-Hatip-Lehrgang“ vorgelegt. Der Stadtschulrat für Wien gelangte bei seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, dass dieser Lehrgang nicht die Qualität für eine Privatschule erreicht. Es handelt sich nach dessen Auffassung vielmehr um eine innerkonfessionelle Schulung mit ausschließlich religiösem Inhalt. Mit dem Schreiben des Kultusamtes vom 8. Jänner 2018 mit der GZ XXXX wurde die IGGÖ in Folge darauf hingewiesen, dass ein Angebot an Jugendliche, die in den Anwendungsbereich des APflG fallen, bzw. an deren Eltern, welches die Jugendlichen an der Erfüllung der Ausbildungspflicht hindert, eine Aufforderung zu gesetzwidrigem Verhalten darstelle.
Mit dem Schreiben vom 20. April 2020 übermittelte die IGGÖ eine Änderungsanzeige des Fachvereins dahingehend, dass sich dieser zum „Institut für islamische Weiterbildung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“, Kurzbezeichnung: IIW, umbenennt. Das Kultusamt hat diese Änderungsanzeige mit dem Schreiben vom 30. April 2020 ( XXXX ) bestätigt.
2. Stellt der „Imam-Hatip“ Lehrgang eine anerkannte Berufsvorbereitung oder Schulausbildung dar?
Die allgemeine Universitätsreife wird mit einem türkischen Sekundarschulabschlusszeugnis einer Imam-Hatip-Oberschule nicht nachgewiesen, weil sich die Unterrichtsfächer und deren Gewichtung wesentlich von den österreichischen unterscheiden. Auch in gegenständlichem Fall sehen wir die allgemeine Universitätsreife (mit den vorgelegten Dokumenten) als nicht erfüllt. Sollte der Student das türkische Studium nicht abschließen, so ist es ihm nicht möglich, sein Studium in Österreich zu beenden bzw. ein neues Studium in Österreich (mit der vorliegenden Ausbildung) zu beginnen.
3. Ist Ihnen – vor dem Hintergrund des Islamgesetzes (insb § 24) bekannt, dass die IFW (Islamische Föderation WIEN, XXXX , (Präsident XXXX ) Absolventinnen der Universität XXXX in der TÜRKEI, nach ihrem Abschluss des Theologiestudiums dort, in ihren 10 Moscheeneinrichtungen als Seelsorgerinnen oder Religiöse Vortragende zugelassen hat (Beilagen 2 und 3)?
Die Auswahl der Seelsorger und religiösen Vortragenden stellt eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft iSd Art 15 StGG dar und ist damit ein Ausdruck des religionsgesellschaftlichen Selbstbestimmungsrechts. Folglich existiert in der Bestellung von Seelsorgern und religiösen Vortragenden keine rechtliche Beschränkung auf jene Personen, welche eine Ausbildung im Sinne des § 24 Islamgesetz absolviert haben.
Zum Verhältnis der genannten Institution zur IGGÖ ist Folgendes zu bemerken: Die IGGÖ hat mit Nachricht vom 14. Mai 2016 die Gründung des Fachvereins „IFW Egitim“ mit Sitz in XXXX sowie dessen Statuten vorgelegt. Das Bundeskanzleramt / Kultusamt bestätigte am 13. Juni 2016 mit der GZ XXXX , dass der Fachverein mit Sitz in Wien, auf Grund der im Mai 2016 durchgeführten Hinterlegung, die Rechtspersönlichkeit gemäß § 23 Abs. 4 IslamG auch für den staatlichen Bereich erlangt hat. Am 18. Juni 2019 gab die IGGÖ dem Kultusamt die Änderung des Namens sowie des Vorstandes des obgenannten Fachvereins in „IFW Bildung“ bekannt. Das Kultusamt nahm dies im Schreiben vom 18. August 2019 mit der GZ XXXX zur Kenntnis.
4. Ist ein Theologiestudium an der Universität XXXX in der TÜRKEI, ein in Österreich anerkanntes Hochschulstudium oder wird es als Berufsausbildung für Imame, Seelsorger oder Religionslehrer anerkannt?
Studienabschlüsse aus der Türkei werden grundsätzlich in Österreich anerkannt, sofern sie an einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung abgeschlossen wurden. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich im Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region vom 11. April 1997 („Lissabonner Anerkennungsübereinkommen“), BGBl. III Nr. 71/1999, welches Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens für den gesamten Europäischen Hochschulraum (EHR) festlegt. Bei der angefragten Universität handelt es sich um eine anerkannte postsekundäre Bildungseinrichtung (siehe https://www.yok.gov.tr/universiteler/universitelerimiz).
Ein einheitliches System für die Ausbildung von Imamen oder Seelsorgern existiert derzeit in Österreich nicht. Ein Einsatz als Imam oder Seelsorger im Rahmen von Einrichtungen der IGGÖ ist möglich.
5. Müssen Absolventen des Vorbereitungsklasse an der Universität XXXX in der TÜRKEI, diesen wiederholen, wenn sie nicht im Anschluss weiterstudieren.
Dem BMBWF liegen derzeit keine Informationen zu der Vorbereitungsklasse vor. Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen Sprachausgleich (Arabisch), ähnlich dem Latinum in Österreich. Diese Frage könnte allenfalls durch Nachfrage bei ENIC NARIC Turkey beantwortet werden. Falls erforderlich, wird um Fristerstreckung ersucht.
6. Wie lange dauert ein Theologiestudium an der Universität XXXX ?
Derartige Bachelorstudien (Lisans Diplomasi) dauern in der Türkei vier Jahre und umfassen 240 ECTS credits. Ausgehend von der Webseite der obgenannten Fakultät ( XXXX ) dauert das Theologiestudium Bachelor insgesamt fünf Jahre, wobei das erste Jahr als Vorbereitungsjahr gilt.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des oa. Verfahrensganges und der vorgelegten Verwaltungsakten steht fest, dass sich der BF im Jahr seiner Feststellung der Tauglichkeit und Abgabe seiner Zivildiensterklärung (2019) einer Ausbildung im „Imam-Hatip“ Lehrgang (einem vorbereitenden Lehrgang für die Ausbildung von Seelsorgern und Koranlehrern) unterzogen hat (2016-2020).
Seit 21.10.2020 absolviert der BF als ordentlicher Studierender ein Theologie-Studium an der türkischen UNIVERSITÄT XXXX . Bei der UNIVERSITÄT XXXX handelt es sich um eine anerkannte postsekundäre Bildungseinrichtung. Der Abschluss dieses Theologie-Studiums wird als Studienabschluss in Österreich anerkannt.
Das in Rede stehende Studium (Bachelorstudium der Theologie) dauert insgesamt 5 Jahre, wovon das erste Jahr einen Vorbereitungslehrgang darstellt. Der BF wird sein Theologie-Studium daher voraussichtlich im Sommer 2026 abschließen.
Fest steht, dass der BF mit seinem abgeschlossenen Studium als Imam oder Seelsorger im Rahmen von Einrichtungen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) zum Einsatz kommen kann bzw zur Ausübung dieser Funktionen berechtigt ist.
Der BF wurde noch keiner Organisation zur Ableistung zugewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden, sind unbestritten und werden daher der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Dass der BF ordentlicher Studierender der UNIVERSITÄT XXXX in der Türkei ist, hat er insbesondere mit der im E-Mail vom 02.11.2020 vorgelegten Bestätigung der oben genannten Universität vom 30.10.2020, wonach der BF sein Studium am 05.10.2020 begonnen habe und Lehrveranstaltungen besuche, sowie einer Studienbescheinigung vom 12.10.2020, wonach er im Studienjahr 2020-2021 an der Theologischen Fakultät inskribiert sei, glaubhaft nachgewiesen.
Die Anfragebeantwortung des Kultusamtes vom 18.05.2021 hat zudem ergeben, dass es sich bei der UNIVERSITÄT XXXX in der Türkei, an welcher der BF sein Theologie-Studium absolviert, um eine in Österreich anerkannte postsekundäre Bildungseinrichtung handelt und der Abschluss eines dortigen Theologie-Studiums als Studienabschluss in Österreich anerkannt wird (vgl. Punkt 4.).
Des Weiteren hat das Kultusamt in seiner Anfragebeantwortung ausgeführt, dass die Auswahl der Seelsorger und religiösen Vortragenden eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft iSd Art 15 StGG darstellt und damit ein Ausdruck des religionsgesellschaftlichen Selbstbestimmungsrechts ist, weshalb in der Bestellung von Seelsorgern und religiösen Vortragenden keine rechtliche Beschränkung auf jene Personen existiert, welche eine Ausbildung im Sinne des § 24 Islamgesetz (Theologisches-Studium an der Universität Wien) absolviert haben (Punkt 3.).
Ebenso wurde dies mit Schreiben der IFW vom 12.03.2021, wonach Absolventinnen der genannten Universität nach ihrem Abschluss in ihren 10 Moscheeneinrichtungen als Seelsorgerinnen oder Religiöse Vortragende zugelassen seien, bestätigt.
Die vom BF getroffenen Angaben hinsichtlich der Aufnahme seines Theologie-Studiums als Vorbereitung auf eine zukünftige Funktion als Imam oder Seelsorger im Rahmen von Einrichtungen der IGGÖ konnten somit durch Einholung einer Stellungnahme beim Kultusamt überprüft und nähere Erläuterungen dazu eingeholt werden.
Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen hat der BF somit nachvollziehbar dargelegt, dass er seit Oktober 2020 ein Theologie-Studium in der TÜRKEI absolviert, nach dessen in Österreich als gleichwertig anerkannten Abschluss er zur Ausübung der Funktion als Imam oder Seelsorger im Rahmen von Einrichtungen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) berechtigt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Gemäß § 2a Abs 4 ZDG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst kein Anhaltspunkt für eine Unzulässigkeit erkennbar.
Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, (BVwGG), wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist bzw. nicht substantiiert bestritten wurde, sodass eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhaltes erwarten lässt. Auch die Rechtsfrage ist nicht derart komplex, dass es einer mündlichen Erörterung bedürfte. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 (keine „civil rights“ betroffen) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389 (kein Bezug zu EU-Normen) entgegen.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen
Die belangte Behörde hat bei der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes übersehen, dass hier ein – von Amts wegen wahrzunehmender – Fall einer Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes nach § 13a Abs 1 Z 4 ZDG vorliegt, weshalb nunmehr ebendiese Bestimmung der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt wird:
§ 13a Zivildienstgesetz 1986 – ZDG, BGBl. Nr. 679/1986 idgF, lautet:
„§ 13a. (1) Von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes sind folgende, einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehörende Zivildienstpflichtige befreit:
1. ausgeweihte Priester,
2. Personen, die auf Grund absolvierter theologischer Studien im Seelsorgedienst oder in einem geistlichen Lehramt tätig sind,
3. Ordenspersonen, die die ewigen Gelübde abgelegt haben, und
4. Studierende der Theologie, die sich auf ein geistliches Amt vorbereiten.
(2) Die nach Abs. 1 befreiten Personen haben den Wegfall der Voraussetzungen unverzüglich der Zivildienstserviceagentur mitzuteilen.“
§ 1 Islamgesetz 2015, BGBl. I Nr. 39/2015 idgF (IslamG 2015), lautet:
„Körperschaft öffentlichen Rechts
§ 1. Islamische Religionsgesellschaften in Österreich sind anerkannte Religionsgesellschaften im Sinne des Artikels 15 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.“
§ 24 IslamG 2015 lautet auszugsweise:
„Theologische Studien
§ 24. (1) Der Bund hat ab dem 1. Jänner 2016 zum Zwecke der theologischen Forschung und Lehre und für die wissenschaftliche Heranbildung des geistlichen Nachwuchses islamischer Religionsgesellschaften den Bestand einer theologischen Ausbildung an der Universität Wien zu erhalten. Für diese sind insgesamt bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal vorzusehen.
[…]“
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Der gegenständliche Sachverhalt ist an § 13a ZDG und nicht an § 14 ZDG zu messen, das hat die belangte Behörde verkannt.
Gemäß der im vorliegenden Fall maßgeblichen Z 4 des § 13a Abs 1 ZDG sind von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes Zivildienstpflichtige, die Studierende der Theologie sind und sich auf ein geistliches Amt vorbereiten, sofern sie einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören, befreit.
Für die Anwendbarkeit von § 13 Abs 1 Z 4 ZDG ist demnach zu prüfen, ob 1.) das vom BF ins Treffen geführte Studium ein in Österreich anerkanntes Theologie-Studium darstellt, mit welchem er sich 2.) auf ein geistliches Amt vorbereitet und er 3.) dies als Angehöriger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft tut.
3.3.1. Hinsichtlich der Definition des Begriffs eines „theologischen Studiums“ führt der VwGH im Erkenntnis vom 22.02.1996, Zl. 94/11/0252, Folgendes aus: Unter dem im § 13a Abs 1 ZDG und im § 24 Abs 3 WehrG 1990 verwendeten Begriff "theologische Studien" ist nur das Studium der Theologie an theologischen Fakultäten einer Universität bzw Hochschule oder ihnen gleichkommenden Einrichtungen (wie insbesondere kirchliche theologische Lehranstalten iSd Art V § 1 Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich, BGBl II 1934/2) und nicht auch eine Ausbildung zum Religionslehrer für Pflichtschulen an einer Religionspädagogischen Akademie zu verstehen. Diese Auffassung begegnet unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Wie oben bereits festgestellt ist die türkische UNIVERSITÄT XXXX eine anerkannte postsekundäre Bildungseinrichtung und wird der Abschluss eines dort absolvierten Theologie-Studiums als Studienabschluss in Österreich anerkannt.
Vor dem Hintergrund dieser höchstgerichtlichen Ausführungen erfüllt der einem Abschluss an einer österreichischen Hochschule gleichgestellte Abschluss des Theologie-Studiums an der türkischen UNIVERSITÄT XXXX die Definition des von § 13 Abs 1 Z 4 geforderten Begriffs des „Studiums der Theologie“.
3.3.2. Weitere Voraussetzung ist, dass der BF dieses Theologie-Studium betreibt, um sich auf ein „geistliches Amt“ vorzubereiten. Zur Definition des geistlichen Amtes wird in der höchstgerichtlichen Judikatur (zu dem vergleichbaren, damals in Geltung stehenden § 24 Abs 3 WehrG 1990) festgehalten, dass die Bedeutung der Wortgruppe "geistliches Amt" […] nur unter Heranziehung der Rechtsordnung der betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft […] beurteilt werden kann (VwGH 21.11.2000, 99/11/0161).
Wie oben festgestellt, beabsichtigt der BF nach Abschluss seines Theologie-Studiums als Imam oder als Seelsorger im Rahmen von Einrichtungen der IGGÖ zu arbeiten. Die Funktion des Imams als geistliches Haupt der islamischen Gemeinschaft und religiöser Vortragender stellt daher im Islam zweifelsfrei ein „geistliches Amt“ dar, weshalb auch diese Voraussetzung erfüllt ist.
Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang noch auf die Anfragebeantwortung des Kultusamtes vom 18.05.2021 (Punkt 4.) zu verweisen, wonach derzeit in Österreich kein einheitliches System für die Ausbildung von Imamen oder Seelsorgern existiert und ein möglicher Einsatz des BF nach Abschluss des Studiums als Imam oder Seelsorger im Rahmen von Einrichtungen der IGGÖ bejaht wird.
3.3.3. Schließlich betreibt der BF sein Studium als Angehöriger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft, zumal die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) gemäß § 1 Islamgesetz 2015 unstrittig eine anerkannte Religionsgesellschaft iSd Art 15 Staatsgrundgesetz ist.
Wie in der Anfragebeantwortung des Kultusamtes vom 18.05.2021 ausgeführt, stellt die Auswahl der Seelsorger und religiösen Vortragenden eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft iSd Art 15 StGG dar und ist damit ein Ausdruck des religionsgesellschaftlichen Selbstbestimmungsrechts. Folglich existiert in der Bestellung von Seelsorgern und religiösen Vortragenden keine rechtliche Beschränkung auf jene Personen, welche eine Ausbildung im Sinne des § 24 Islamgesetz (theologisches Hochschulstudium an der Universität Wien) absolviert haben.
3.4. Im konkreten Fall erfüllt BF mit der Absolvierung seines Theologie-Studiums an der türkischen UNIVERSITÄT XXXX als Vorbereitung auf die zukünftige Bekleidung eines geistlichen Amtes im Rahmen von Einrichtungen der IGGÖ den Befreiungstatbestand nach § 13a Abs 1 Z 4 ZDG.
Dies war, da es für eine ex lege Befreiung keines Antrages bedarf, vom BVwG amtswegig aufzugreifen und aufgrund der Erfüllung des vorliegenden Befreiungstatbestandes des § 13a Abs 1 Z 4 ZDG die Befreiung des BF von der Verpflichtung von der Leistung des Zivildienstes für die Zeit seines aufrechten Studiums (bis voraussichtlich Sommer 2026) festzustellen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass jede Art der Beendigung (Abbruch oder Abschluss) des Studiums zum Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen nach § 13a Abs 1 Z 4 ZDG führt und der belangten Behörde gemäß § 13 Abs 2 ZDG unverzüglich mitzuteilen ist.
Da dem angefochtenen Bescheid somit eine Rechtswidrigkeit iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anhaftet, ist spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die zitierte Judikatur des VwGH wird verwiesen.
Schlagworte
Ausbildungszeit Befreiungsantrag befristete Befreiung Glaubensgemeinschaft ordentlicher Zivildienst Religion Universitätsstudium Zivildiener ZivildienstpflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2241102.1.00Im RIS seit
05.08.2021Zuletzt aktualisiert am
05.08.2021