TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/5 W122 2216566-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2021
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Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

APSG §12 Abs1
APSG §4
B-VG Art133 Abs4
ZDG §13 Abs1 Z2
ZDG §25

Spruch


W122 2216566-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 18.03.2019, Zl. 409138/19/ZD/0319, betreffend (befristete) Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (nachfolgend kurz: BF) wurde am 01.02.2012 für tauglich befunden. Mit Bescheid vom 13.03.2014 stellte die Zivildienstserviceagentur aufgrund der mängelfreien Zivildiensterklärung den Eintritt der Zivildienstpflicht des BF mit 03.03.2014 fest.

Mit Bescheid vom 15.01.2019 (dem BF zugestellt am 23.01.2019) wurde der BF einer näher genannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes für den Zeitraum 01.04.2019 bis 31.12.2019 zugewiesen.

Mit Schreiben vom 01.02.2019 ersuchte der BF um Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes aus wirtschaftlichen und familiären Interessen. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass ihn seine Familie finanziell nicht unterstützen könne und er durch die Berufsunfähigkeit seiner Mutter und deren Umzug ins Ausland sein Elternhaus verloren habe. Aufgrund seiner finanziellen Notlage habe er einen Kredit aufnehmen müssen, um sich eine Wohnung samt Kaution und Einrichtung leisten und weiterhin seinem Beruf nachgehen zu können. Derzeit absolviere er eine Lehre als Friseur und Perückenmacher und werde er von 01.04.2019 bis 20.05.2019 einen Vorbereitungskurs für die Lehrabschlussprüfung absolvieren. Sein derzeitiger Lohn belaufe sich als angelernter Arbeitnehmer im zweiten Bildungsweg auf monatlich EUR 1.087,59, welcher sich nach abgeschlossener Lehrabschlussprüfung allerdings anpassen und sich seine finanzielle Situation dadurch künftig erleichtern werde.

Auf Aufforderung der Zivildienstagentur vom 12.02.2019 legte der BF weitere Unterlagen vor und brachte ergänzend vor, dass die Anmeldung zum Vorbereitungskurs für die Lehrabschlussprüfung aus finanziellen Gründen erst am 01.03.2019 erfolgen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid (dem BF zugestellt am 21.03.2019) wurde der Antrag des BF auf (befristete) Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 Zivildienstgesetz 1986 (ZDG 1986) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass der BF ab dem Zeitpunkt seiner Musterung bzw. der Feststellung seiner Zivildienstpflicht (03.03.2014) der Harmonisierungspflicht unterlegen sei und er unter Verletzung dieser Pflicht berufliche Dispositionen getroffen und einen Kredit aufgenommen habe. Auch sei eine Kontaktaufnahme seitens des BF vor der Erlassung des Bescheides vom 15.01.2019 zur Vereinbarung eines Termins für die Zuweisung nicht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und beantragte die nochmalige Prüfung der Befreiung sowie den Aufschub zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes bzw. die Festsetzung eines neuen Termins für die Ableistung ab Ende 2019/Anfang 2020 bei im Wesentlichen gleichbleibendem Vorbringen.

Mit Schriftsatz vom 26.03.2019 (eingelangt am 27.03.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Am 25.06.2021 teilte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage mit, dass der BF der Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes laut Bescheid vom 15.01.2019 keine Folge geleistet habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF wurde am 01.02.2012 für tauglich befunden und ist seit 03.03.2014 aufgrund seiner mängelfreien Zivildiensterklärung zivildienstpflichtig. Der Feststellungsbescheid über den Eintritt seiner Zivildienstpflicht wurde dem BF am 14.03.2014 zugestellt.

In seiner Zivildiensterklärung vom 03.03.2014 gab der BF an, seit 07.03.2013 eine Lehre zu absolvieren und dass er diese voraussichtlich im März 2015 abschließen werde.

Der BF nahm mit der belangten Behörde keinen Kontakt betreffend einen Termin für die Zuweisung zur Leistung seines ordentlichen Zivildienstes auf.

Mit Bescheid vom 15.01.2019 (dem BF zugestellt am 23.01.2019) wurde der BF einer näher genannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes für den Zeitraum 01.04.2019 bis 31.12.2019 zugewiesen. Der BF leistete dieser Zuweisung keine Folge.

Der BF lebt seit 05.11.2016 alleine in einer Wohnung der Stadt Wien und bezahlt hierfür Miete in der Höhe von EUR 371,86.

Der BF war von 07.03.2013 bis 03.02.2015 sowie von 09.05.2015 bis 22.05.2015 Arbeiter bei der XXXX und ist dies ebenfalls seit 27.10.2015 als angelernter Arbeitnehmer (Facharbeiterassistent) nach dem Kollektivvertrag der Friseure. Dem BF droht durch die Absolvierung des ordentlichen Zivildienstes kein Verlust seines Arbeitsplatzes.

Der BF nahm am 22.01.2019 einen Kredit über einen Auszahlungsbetrag von EUR 14.775,00 auf. Die monatlichen Raten betragen EUR 189,30 zuzüglich EUR 99,36 an Versicherungsbeiträgen, gesamt daher monatlich EUR 288,66.

Im Februar 2019 beabsichtigte der BF, sich am 01.03.2019 für einen Vorbereitungskurs für seine Lehrabschlussprüfung im Zeitraum 01.04.2019 bis 20.05.2019 mit Kosten in der Höhe von EUR 520,00 anzumelden.

Dem BF war im Zeitpunkt des Eingehens dieser finanziellen Verpflichtungen sowie der beabsichtigten Anmeldung für den Vorbereitungskurs bekannt, dass er noch seinen ordentlichen Zivildienst ableisten wird müssen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, insbesondere aus dem Bescheid vom 18.03.2019, den vom BF vorgelegten Schriftsätzen und Unterlagen (insbesondere Aufstellung seiner monatlichen Fixkosten, Mietvertrag vom 04.11.2016, Kreditvertrag vom 22.01.2019, Lohn-/Gehaltsabrechnungen von August 2018 bis Jänner 2019, Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis von 01.01.2018 bis 31.12.2018, Versicherungsdatenauszug vom 18.02.2019, Dienstzettel vom 27.10.2015, Bestätigung des Magistratischen Bezirksamtes vom 18.02.2019, Kostenvoranschlag des WIFI vom 18.02.2019).

Dass dem BF beim Eingehen seiner finanziellen Verpflichtungen sowie der beabsichtigten Anmeldung zum Vorbereitungskurs für den Lehrabschluss bekannt war, dass er noch seinen ordentlichen Zivildienst wird ableisten müssen, ergibt sich aus der Zustellung des Feststellungsbescheids über die Zivildienstpflicht des BF am 14.03.2014 sowie der Feststellung seiner Tauglichkeit bereits im Februar 2012. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage. Den Kredit über EUR 14.775,00 nahm der BF laut vorgelegtem Kreditvertrag der UniCredit Bank Austria AG erst am 22.01.2019 auf und hatte er zu diesem Zeitpunkt daher Kenntnis davon, dass er noch seinen Zivildienst wird leisen müssen. Dies gilt ebenso für den Zeitpunkt der beabsichtigten Anmeldung für den Vorbereitungskurs zur Lehrabschlussprüfung im März 2019, da dem BF zu diesem Zeitpunkt sogar bereits der Zuweisungsbescheid für die Ableistung des ordentlichen Zivildienstes ab 01.04.2019 zugestellt worden war.

Das Datum der Zustellung des Zuweisungsbescheids am 23.01.2019 ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 18.03.2019.

Dass der BF im Februar 2019 beabsichtigte, sich am 01.03.2019 für einen Vorbereitungskurs für seine Lehrabschlussprüfung im Zeitraum 01.04.2019 bis 20.05.2019 anzumelden und die diesbezüglichen Kosten ergeben sich aus dem Schreiben des BF an die belangte Behörde vom 22.02.2019 sowie dem Kostenvoranschlag des WIFI vom 18.02.2019.

Die Höhe der Versicherungsbeiträge für den aufgenommenen Kredit, der Kreditraten sowie der Mietkosten des BF ergibt sich aus der vom BF vorgelegten Aufstellung über seine monatlichen Fixkosten per Februar 2019 sowie dem Kreditvertrag der UniCredit Bank Austria AG vom 22.01.2019.

Dass der BF alleine in der von ihm gemieteten Wohnung der Stadt Wien lebt, ergibt sich aus der Bestätigung des Magistratischen Bezirksamtes vom 18.02.2019. Der Beginn des Mietverhältnisses ergibt sich aus dem Mietvertrag vom 04.11.2016.

Die Feststellungen zum Arbeitsverhältnis des BF ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug vom 18.02.2019 sowie dem Dienstzettel vom 27.10.2015. Dass der BF eine Lehre bei der XXXX absolvierte, geht aus den vom BF vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Laut Versicherungsdatenauszug war der BF vom 10.10.2011 bis 04.12.2012 Arbeiterlehrling beim XXXX sowie bei der XXXX und ab 07.03.2013 – mit Unterbrechungen – Arbeiter bei der XXXX . Ein Lehrabschlusszeugnis legte der BF – trotz Aufforderung durch die belangte Behörde – nicht vor.

Dass der BF der Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes keine Folge leistete, ergibt sich aus der telefonischen Auskunft der belangten Behörde am 25.06.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels gegenteiliger Regelung im einschlägigen Materiengesetz (ZDG 1986) liegt daher Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Da sich im gegenständlichen Verfahren der Sachverhalt aus den Akten ergibt, die maßgeblichen Fakten nicht bestritten waren und es im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur um Rechtsfragen ohne besondere Komplexität ging, konnte die Verhandlung im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie entfallen. Darüber hinaus hat der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des ZDG 1986 von Bedeutung:

„§ 13. (1) Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen – gleichgültig ob er bereits Zivildienst leistet oder noch nicht – von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es Belange des Zivildienstes oder sonstige öffentliche Interessen – insbesondere gesamtwirtschaftliche, familienpolitische oder Interessen der Entwicklungshilfe – erfordern,

2. auf Antrag des Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche, familiäre oder auf Grund einer eingetragenen Partnerschaft bestehende Interessen erfordern.

(2) Der Bescheid, mit dem die Befreiung verfügt wird, setzt einen allfälligen Zuweisungsbescheid außer Kraft.

(3) Die Zivildienstserviceagentur hat die Befreiung (Abs. 1) zu widerrufen, wenn die Voraussetzung für die Befreiung wegfällt.

(4) …“

Der BF machte in seinem Antrag sowohl besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche als auch familiäre Interessen geltend.

Die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Befreiung vom Präsenzdienst ist auf § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG 1986 übertragbar (VwGH 23.04.2002, 2000/11/0153).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Zivildienstpflichtige – ebenso wie Wehrpflichtige – gehalten, ihre wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall der Zuweisung bzw. Einberufung zur Ableistung des Dienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es der Betreffende, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der von ihm zu erwartenden Dienstleistungsverpflichtung zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Dienstes regelnden Bestimmungen angesehen werden. Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten die Folge der Verletzung dieser so genannten "Harmonisierungspflicht", können sie als Grundlage für die Befreiung nicht herangezogen werden (VwGH 24.07.2013, 2010/11/0140; 17.07.2009, 2008/11/0145).

Wirtschaftliche Interessen sind auch dann nicht besonders berücksichtigungswürdig, wenn ein Zivildienstpflichtiger bereits vor Erfüllung der ihn treffenden Zivildienstleistungspflicht seine berufliche Existenz zu verwirklichen begonnen hat (VwGH 23.04.1996, 95/11/0399; 10.11.1998, 97/11/0293) und gilt dies selbst dann, wenn es sich bei der aufgenommenen Tätigkeit um eine besonders günstige berufliche Chance handelte (VwGH 19.03.1997, 97/11/0012).

Finanzielle Verpflichtungen sind nur dann als besonders rücksichtswürdig, wenn dem Zivildienstpflichtigen im Zeitpunkt des Eingehens dieser Verpflichtungen nicht bekannt war, dass er weiterhin mit einer Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu rechnen hat (VwGH 18.12.1990, 90/11/0104).

Bei einer Verletzung der Harmonisierungspflicht sind wirtschaftliche Interessen selbst dann nicht als besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenz- bzw. Zivildienstes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eintreten könnte (VwGH 01.10.1996, 95/11/0400; 18.11.2008, 2008/11/0096).

Wie bereits die belangte Behörde richtigerweise erkannte, wusste der BF seit der Feststellung seiner Tauglichkeit im Februar 2012 bzw. der Zustellung des Feststellungsbescheids über seine Zivildienstpflicht am 13.03.2014, dass er Zivildienst wird leisten müssen. Der BF hätte daher seine Interessen mit der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes harmonisieren müssen und in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Zivildienstleistung auf die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes Bedacht zu nehmen gehabt.

Der BF hätte daher keine finanzielle Verpflichtung eingehen dürfen, deren Rückzahlung während der Leistung des ordentlichen Zivildienstes erschwert sein würde, wie die Aufnahme des von ihm im Jänner 2019 abgeschlossenen Kredites.

Der Kredit wurde daher in Verletzung der Harmonisierungspflicht aufgenommen und war die Rückzahlungsverpflichtung im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als Grundlage für eine (befristete) Befreiung vom ordentlichen Zivildienst nicht heranzuziehen.

Auch eine allfällige Anmeldung für den Vorbereitungskurs zur Lehrabschlussprüfung mit Beginn zu genau jenem Zeitpunkt, zu welchem der BF sogar bereits dem ordentlichen Zivildienst zugewiesen war (ab 01.04.2019), stellte einen klaren Verstoß gegen die Harmonisierungspflicht dar, da dem BF der Zuweisungsbescheid am 23.01.2019 zugestellt wurde und er eine Kursanmeldung erst im März 2019 beabsichtigte.

Auch die Tatsache, dass der BF von der belangten Behörde längere Zeit nicht zur Leistung des Zivildienstes herangezogen wurde, änderte nichts daran, dass der BF zur Leistung des Zivildienstes nach wie vor verpflichtet war.

Vielmehr hätte der BF seit der Feststellung seiner Tauglichkeit im Februar 2012 bis zu seiner Zuweisung beginnend mit 01.04.2019 hinreichend Zeit gehabt, einen allfälligen beruflichen Vorbereitungskurs bereits früher zu absolvieren und nicht erst ab dem 01.04.2019 (bis 20.05.2019) – sohin genau ab dem Tag seiner Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes.

Ebenso hätte der BF – bei Wahrunterstellung, dass er eine Lehre absolvierte – hinreichend Zeit gehabt, seine Lehre, deren Beendigung er laut seiner Zivildiensterklärung bereits im März 2015 plante, bis zu seinem Dienstantritt laut Zuweisungsbescheid am 01.04.2019 abzuschließen und im Sinne der Harmonisierungspflicht seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so zu sanieren, sodass eine Ableistung des ordentlichen Zivildienstes ohne wesentliche Einschränkung möglich ist. Dies auch deshalb, da der BF in seinem Antrag selbst vorbrachte, der positive Abschluss der Ausbildung sei für ihn finanziell enorm wichtig und werde sich seine finanzielle Situation damit in der Zukunft erleichtern.

Soweit der BF seine Rückzahlungsverpflichtungen für den aufgenommenen Kredit ins Treffen führt, ist ihm auch zu entgegnen, dass er nicht vorbrachte, versucht zu haben, eine Aussetzung seiner Rückzahlungsverpflichtungen oder eine Reduzierung derselben für die Dauer der Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu erwirken. Er behauptete auch nicht, dass er eine Aussetzung oder Reduzierung nicht hätte erwirken können. Zu betonen ist, dass der BF seit der Einbringung seiner Beschwerde im März 2019 nun erneut über zwei Jahre Zeit hatte, um seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der zu erwartenden Zivildienstpflicht zu harmonisieren.

Generell können nach der oben zitierten Judikatur die durch die Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit infolge der zivildienstbedingten Abwesenheit verursachten wirtschaftlichen Rückschläge nicht die besondere Rücksichtswürdigkeit der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen begründen, wenn ein Zivildienstpflichtiger bereits vor Erfüllung der ihn treffenden Zivildienstleistungspflicht seine berufliche Existenz zu verwirklichen begonnen hat. Den Nachteil, Verdienstmöglichkeiten wegen des noch zu leistenden Zivildienstes nicht nützen zu können, haben vielmehr zahlreiche Zivildienstpflichtige zu tragen.

Auch nahm der BF bis zur Erlassung des Zuweisungsbescheides keinen Kontakt mit der belangten Behörde auf und ließ er sohin die Möglichkeit, einen Termin für die Zuweisung zu vereinbaren, ungenutzt verstreichen, obwohl er für eine solche Kontaktaufnahme ebenfalls hinreichende Zeit gehabt hätte. Jeder Zivildienstpflichtige hat die Möglichkeit, sich eigenständig um eine Zuweisung zu bemühen und den Antrittstermin zum Zivildienst mitzugestalten, wenngleich auch kein Rechtsanspruch auf eine wunschgemäße Zuweisung besteht. Nimmt der Zivildienstpflichtige diese Möglichkeit nicht in Anspruch, wird er amtswegig zu einem ihm möglicherweise nicht genehmen Zeitpunkt zugewiesen.

Gemäß § 4 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 bleibt durch die Zuweisung zum Zivildienst auch das Arbeitsverhältnis des BF unberührt und ruhen während der Zeit des Zivildienstes die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers soweit nicht anderes bestimmt ist. § 12 Abs. 1 leg. cit. sieht ein Kündigungs- und Entlassungsverbot ab Zustellung des Zuweisungsbescheides vor (VwGH 22.04.2008 2008/11/0005). Es droht dem BF durch die Absolvierung des ordentlichen Zivildienstes daher auch kein Verlust seines Arbeitsplatzes.

Besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche Interessen des BF waren daher nicht zu erkennen. Auch von besonders berücksichtigungswürdigen familiären Interessen des BF war nicht auszugehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind besonders berücksichtigungswürdige familiäre Interessen nur dann gegeben, wenn ein Familienangehöriger des Zivildienstpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Zivildienstpflichtigen bedarf, die ihm dieser wegen der Leistung des Zivildienstes nicht gewähren könnte und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Zivildienstpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist. Zur Gefährdung sonstiger lebenswichtiger Interessen gehört auch die Gefährdung der Existenzgrundlage (VwGH 24.01.2012, 2010/11/0104; 14.05.2009, 2008/11/0089; 21.11.2000, 2000/11/0098).

Derartiges hat der BF im Verwaltungsverfahren aber nicht behauptet und lässt sich auch dem Akteninhalt nicht entnehmen. Weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerde konkretisierte der BF durch sachverhaltsbezogenes und durch Beweise untermauertes Vorbringen, dass alleine er die Unterstützung seiner kranken (berufsunfähigen) Mutter bewirken kann und sie im Falle der Ableistung seines ordentlichen Zivildienstes in ihrer Existenz oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen bedroht wäre. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass ausschließlich der BF in der Lage sei, für seine Mutter zu sorgen bzw. brachte er auch zu keinem Zeitpunkt vor, sie finanziell zu unterstützen.

Vielmehr brachte der BF lediglich vor, dass seine Mutter krank, berufsunfähig und ins Ausland verzogen sei und er daher keine finanzielle Unterstützung von ihr bekomme bzw. auch nicht von anderen Familienmitgliedern. Damit legte er aber keine Umstände, die rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründen könnten, dar.

Es ist aber Sache des Antragstellers – allenfalls über Aufforderung der Behörde – die ihn begünstigenden maßgeblichen Sachumstände bzw. konkret jenen Sachverhalt, aus dem er die besonderen rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen abgeleitet wissen will – in schlüssiger Weise zu behaupten und zu konkretisieren. Über diese Behauptungen sind von der Behörde Erhebungen zu führen, wobei die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Wahrheitserforschung jedenfalls nicht so weit geht, dass sie in jede denkbare Richtung Ermittlungen anzustellen hätte (VwGH 24.01.2012, 2010/11/0104).

Abschließend ist auch darauf zu verweisen, dass der BF im Rahmen der Ableistung seines ordentlichen Zivildienstes gemäß § 25 ZDG 1986 u.a. Anspruch auf Pauschal- und Reisekostenvergütung, Kranken- und Unfallversicherung und Verpflegung hat und es ihm offensteht, Wohnkostenbeihilfe zu beantragen.

Der belangten Behörde ging daher zu Recht davon aus, dass beim BF keine besonders berücksichtigungswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen vorliegen, welche eine (befristete) Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes rechtfertigen würden.

Soweit der BF in seiner Beschwerde den Aufschub der Leistung des ordentlichen Zivildienstes begehrte, ist darauf hinzuweisen, dass die Befreiung von der Zivildienstpflicht nach § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG 1986 und der Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes nach § 14 leg.cit. zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsinstitute sind, die auf verschiedenen rechtlichen Voraussetzungen beruhen (VwGH, 27.06.1995, 94/11/0150). Dem BF steht es frei, einen auf § 14 ZDG gestützten Antrag auf Aufschub der Leistung des ordentlichen Zivildienstes bei der erstinstanzlichen Behörde einzubringen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben zitierten Entscheidungen zur Harmonisierungspflicht und zur drohenden Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Zivildienstpflichtigen haben die gegenständliche Rechtsfrage der Voraussetzungen für eine Befreiung von der Leistung des Zivildienstes hinreichend geklärt.

Schlagworte

Befreiungsantrag befristete Befreiung familiäre Interessen Harmonisierungspflicht Kreditraten ordentlicher Zivildienst Tauglichkeit wirtschaftliche Interessen Zivildiener Zivildienstpflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W122.2216566.1.00

Im RIS seit

05.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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