RS Vfgh 2021/6/7 E959/2021

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Veröffentlicht am 07.06.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz betreffend einen Staatsangehörigen von Bangladesch mangels Auseinandersetzung mit den Länderberichten zur Situation Homosexueller

Rechtssatz

Laut den vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zitierten Länderfeststellungen sind homosexuelle Handlungen in Bangladesch illegal und können mit bis zu lebenslangem Freiheitsentzug bestraft werden. Homosexualität sei gesellschaftlich "absolut verpönt"; wo Homosexuelle als solche erkannt würden, hätten sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen. Jedes Jahr werde über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet. Indem sich das BVwG mit diesen, von ihm selbst herangezogenen Länderfeststellung nicht auseinandergesetzt hat, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet.

Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass das BVwG insbesondere angesichts seiner eigenen Feststellungen zur homosexuellen Orientierung des Beschwerdeführers ("der [...] offensichtlich den Umgang zu einem homosexuellen Kreis in Österreich gefunden hat und Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hatte", was "sich aus den vorgelegten Bestätigungen" ergebe) jede Auseinandersetzung mit der Frage unterlässt, ob der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund der vom Bundesverwaltungsgericht erkennbar nicht in Zweifel gezogenen Homosexualität Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre. Im Zuge einer derartigen Prüfung hätte sich das BVwG des Näheren mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob - weil für die Gewährung von Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht nur jene Gründe maßgeblich sind, die den Antragsteller zum Verlassen des Herkunftsstaates bewogen haben, sondern auch jene, die zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können - dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe, oder ob eine solche Verfolgung gegebenenfalls im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, aufzugreifen sei.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E959.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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