RS Vfgh 2021/6/8 E974/2021 ua

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Veröffentlicht am 08.06.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie von Staatsangehörigen von Afghanistan; keine Bezugnahme auf aktuelle Länderberichten des EASO und des UNHCR insbesondere hinsichtlich des Bestehens einer internen Fluchtalternative in Kabul sowie mangelnde Prüfung der Unterstützung durch dort lebende Familienangehörige

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) begründet die Zumutbarkeit der Rückführung der besonders vulnerablen Personengruppe (Ehepaar mit Kind im Kindergartenalter) vorwiegend damit, dass die Schwester, ein Onkel und Tanten des Erstbeschwerdeführers in Kabul lebten und somit "familiäre Anknüpfungspunkte" in Kabul gegeben seien. Zu den konkreten Kontakten der beschwerdeführenden Parteien zu diesen in Kabul lebenden Verwandten bzw deren finanziellen Situation hat das BVwG keine näheren Feststellungen getroffen. Das BVwG geht lediglich davon aus, es könne über die im Iran lebende Mutter des Erstbeschwerdeführers Kontakt mit der in Kabul lebenden Schwester aufgenommen werden. Die Schwester des Erstbeschwerdeführers habe für die Mutter gesorgt, weshalb davon auszugehen sei, dass sie auch die beschwerdeführenden Parteien, insbesondere bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, unterstützen würde. Diese Vermutung reicht nach Auffassung des VfGH für die entscheidungswesentliche Annahme, die beschwerdeführenden Parteien hätten mit Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative, nicht aus. Daran ändert auch die Feststellung nichts, dass die Zweitbeschwerdeführerin in Kabul geboren, jedoch im Alter von einem Jahr nach Parwan gegangen sei, wo sie bis zu ihrer Ausreise lebte. Ein einjähriger Aufenthalt eines Familienmitgliedes in Kabul im Säuglingsalter reicht für die Annahme des Vorliegens von Ortskenntnissen nicht aus.

Entscheidungstexte

  • E974/2021 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 08.06.2021 E974/2021 ua

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E974.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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