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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §68 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 1. Juni 2015, Zl. LVwG-1-287/R11-2014, betreffend Übertretung des FSG (mitbeteiligte Partei: B in Z, vertreten durch die Advokaten Pfeifer Keckeis Fiel Scheidbach OG in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 2), betreffend Übertretung des FSG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 4. April 2014, Zl. X-9-2014/12580, als unbegründet abgewiesen wird und der Mitbeteiligte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 146,-- zu leisten hat.
Begründung
Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom 4. April 2014 wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, er habe am 10. Jänner 2014 um 11.31 Uhr an einem näher bezeichneten Ort ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gewesen sei. Er habe dadurch § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 FSG verletzt. Wegen dieser Übertretung wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 4 Z 1 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von € 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 337 Stunden) verhängt.
Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch in diesem Straferkenntnis unter anderem aus, dass über den Mitbeteiligten mit Strafverfügung vom 10. März 2014 wegen einer Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 110,-- verhängt worden sei. Er sei demnach schuldig, als Lenker des im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten Kraftfahrzeuges am 10. März 2014 um 11.31 Uhr an einem näher bezeichneten Ort (dem selben Ort, der auch in der Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses genannt wird) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 19 km/h überschritten zu haben. Diese Strafverfügung sei rechtskräftig.
Auch rechtskräftige Strafverfügungen würden Bindungswirkung entfalten. Aufgrund der Rechtskraft der Strafverfügung sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt am Tatort das Kraftfahrzeug gelenkt habe.
Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde, in der er ausschließlich geltend machte, dass er das Kraftfahrzeug nicht gelenkt habe, sondern die Fahrt von seinem Sohn durchgeführt worden sei.
Das Verwaltungsgericht führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Mitbeteiligte angehört sowie sein Sohn als Zeuge vernommen wurde.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Juni 2014 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Mitbeteiligte mit Strafverfügung vom 10. März 2013 (richtig: 2014) bestraft worden sei, weil er am 10. Jänner 2014 um 11.31 Uhr in M. einen Pkw gelenkt und dabei die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe. Die Strafverfügung sei rechtskräftig.
In weiterer Folge habe ihm die Behörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung zusätzlich zur Last gelegt, er habe den Pkw am 10. Jänner 2014 um 11.31 Uhr in M. gelenkt, ohne im Besitze einer gültigen Lenkberechtigung zu sein.
Dass der Mitbeteiligte am 10. Jänner 2014 um 11.31 Uhr in M. einen Pkw gelenkt habe, könne nicht festgestellt werden.
Nach Ausführungen zur Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht n rechtlicher Sicht unter anderem folgendes aus:
"Im vorliegenden Verfahren geht es um die Frage, ob der [Mitbeteiligte] trotz entzogener Lenkberechtigung einen Pkw gelenkt hat. Die Beantwortung dieser Frage hängt nicht davon ab, ob der [Mitbeteiligte] auch eine Geschwindigkeitsübertretung begangen hat. Die rechtskräftige Strafverfügung wegen einer am selben Ort und zur selben Zeit begangene Geschwindigkeitsübertretung ist daher keine rechtskräftige Entscheidung über eine Vorfrage, sodass keine Bindung an diese Strafverfügung besteht. Im vorliegenden Strafverfahren war daher selbständig zu beurteilen, ob der [Mitbeteiligte] den PKW gelenkt hat oder nicht."
Die "Begründung" für den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiedergabe der verba legalia.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch. Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 1 Abs. 3 FSG ist - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - das Lenken eines Kraftfahrzeuges nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse, in die das Kraftfahrzeug fällt.
Gemäß § 37 FSG begeht, wer (u. a.) dem FSG zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Gemäß § 37 Abs. 4 Z 1 FSG ist eine Mindeststrafe von 726 Euro zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl die Lenkberechtigung entzogen wurde.
2. Im Verfahren ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte mit rechtskräftiger Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10. März 2014 wegen einer Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO rechtskräftig bestraft wurde, weil er als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges am 10. März 2014 um 11.31 Uhr in M. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 19 km/h überschritten hat.
Ebenso unstrittig ist, dass der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt dieser Geschwindigkeitsübertretung über keine gültige Lenkberechtigung verfügte, die ihn zum Lenken des Kraftfahrzeuges berechtigt hätte, weil sie ihm behördlich entzogen worden war.
3. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, ohne dies im Übrigen offenzulegen und - wie es in diesem Fall gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit § 25a Abs. 1 VwGG geboten gewesen wäre - die Revision (mit kurzer Begründung) zuzulassen. Die Revision ist auch berechtigt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht. Von dieser Bindungswirkung sind auch Strafverfügungen erfasst (vgl. u.v.a. etwa das hg Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2007/03/0201).
Liegt wie im hier vorliegenden Fall daher eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vor, ist die Behörde - im Beschwerdeverfahren das Verwaltungsgericht - jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die in der Strafverfügung genannte Tat begangen hat, gebunden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. August 2014, Zl. Ra 2014/11/0027, mwN).
4. Vor diesem Hintergrund war der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes daher zugrunde zu legen, dass der Mitbeteiligte zur Tatzeit am Tatort ein Kraftfahrzeug gelenkt - und dabei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten - hat. Das Beschwerdevorbringen des Mitbeteiligten, in dem er das Fehlen der Lenkberechtigung nicht bestritten, sondern lediglich vorgebracht hat, dass nicht er, sondern sein Sohn das Kraftfahrzeug gelenkt hätte, war daher von vornherein nicht geeignet, die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu widerlegen.
5. Indem sich das Verwaltungsgericht über diese Bindungswirkung hinwegsetzte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.
Dieser Fall liegt hier vor. Der Mitbeteiligte hat die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung weder in seiner Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aus anderen Gründen als wegen der von ihm behaupteten fehlenden Lenkereigenschaft - die allerdings aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung durch die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10. März 2014 für das Verwaltungsgericht bindend feststand - bestritten; er hat auch keine Einwendungen gegen die Strafbemessung erhoben.
Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 4. April 2014, Zl. X-9-2014/12580, als unbegründet abgewiesen wird und der Mitbeteiligte gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, somit € 146,--, zu leisten hat.
Wien, am 24. September 2015
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015020132.L00Im RIS seit
06.08.2021Zuletzt aktualisiert am
06.08.2021