TE Vfgh Erkenntnis 1995/6/12 B826/94

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Veröffentlicht am 12.06.1995
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §10 Abs1
RL-BA 1977 §50

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung von Disziplinarstrafen über einen Rechtsanwalt wegen nicht ordnungsgemäßer Honorarrechnung und Doppelvertretung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 1. April 1992 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstandes in vier Fällen schuldig gesprochen. Von zwei weiteren gegen ihn erhobenen disziplinären Vorwürfen wurde er mit demselben Erkenntnis freigesprochen.

Der dagegen erhobenen Berufung wegen Schuld und Strafe in sämtlichen Fakten wurde mit Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 6. Dezember 1993 teilweise Folge gegeben. Von zwei Anschuldigungen wurde der Berufungswerber freigesprochen. In den anderen beiden Fällen wurde der Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, daß er zu lauten hat, der Disziplinarbeschuldigte (im folgenden: DB) "ist

s c h u l d i g , er hat

1. in der Honorarnote vom 24.1.1991 einen Honoraranspruch von

S 500.000,-- mehr oder weniger behauptet, obwohl dieser nur in der Größenordnung von ca. S 300.000,-- mehr oder weniger bestanden hat, wodurch er gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Honorarabrechnung und somit gegen Ehre und Ansehen des Standes verstoßen hat;

   2. er hat am 5.12.1990 für seine Klientin ... eine Klage gegen

Ing. ... auf Schadenersatz wegen Nichtzuhaltens eines

Kaufvertrages verfaßt, obwohl er von beiden Vertragsparteien zur Verfassung des Kaufvertrages bevollmächtigt und als Treuhänder in dieser Vertragssache bestellt war, und dann keine Vorkehrung dagegen getroffen, daß die Klage in der von ihm verfaßten Form, wenn auch von einem anderen Rechtsanwalt mit dessen Kanzleistempel und Unterschrift versehen, bei Gericht überreicht wurde; er hat dadurch die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen."

Wegen dieser Disziplinarvergehen wurde der DB zur Zusatzstrafe einer Geldbuße in der Höhe von S 25.000,-- und zum anteiligen Ersatz der Kosten des Verfahrens beider Instanzen verurteilt.

Begründend wurde zum ersten Faktum im wesentlichen ausgeführt:

   "Der DB hat ... gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen

Honorarabrechnung und zur Vereinbarung eines Honorars, das zu

seinen Leistungen nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis

steht (§50 RL-BA 1977) dadurch verstoßen, daß er mit seinem

Vorschlag bei Dr. ... den fälschlichen Eindruck erweckt hat, ihm

mit der Verrechnung mit S 246.733,-- in einem sehr großen Umfang

entgegenzukommen, da sein voller Honoraranspruch etwa

S 500.000,-- betrage. Da der tatsächliche Honoraranspruch - wie

auch der DB gesteht - nur in der Größenordnung von S 300.000,--

lag, ist der Schuldspruch ... gerechtfertigt. ..."

   Zum zweiten Faktum wird u.a. begründend ausgeführt:

   "Da der DB in ... (einer) Vertragssache für beide Parteien

eingeschritten ist, hat er mit der Übergabe eines (zur sofortigen Einbringung bei Gericht geeigneten) Klageentwurfes an einen anderen Rechtsanwalt in einer mit der Vertragssache im Zusammenhang stehenden Rechtssache die Interessen der einen Vertragspartei gegen die andere wahrgenommen und damit das Disziplinarvergehen der Doppelvertretung nach §10 Abs1 RAO begangen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz "oder anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte" behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seinem gesamten Umfang hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruches sowie der Verpflichtung zum anteiligen Ersatz der Kosten des Verfahrens beider Instanzen begehrt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid deshalb im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, weil ihm im Punkt 1. des Schuldspruches vorgeworfen werde, in der Honorarnote vom 24. Jänner 1991 einen Honoraranspruch von S 500.000,-- behauptet zu haben, obwohl dieser nur in der Größenordnung von ca. S 300.000,-- bestanden habe; der Disziplinarrat im Verfahren I. Instanz habe aber einen angemessenen Honoraranspruch in der Höhe von S 104.000,-- festgestellt. Angesichts dieser Schwankung in der Bewertung des Honorarbetrages zwischen den Disziplinarbehörden I. und II. Instanz von S 200.000,-- sei dem Beschwerdeführer eine Fehlbeurteilung des Honoraranspruches disziplinarrechtlich nicht vorwerfbar.

Darüber hinaus sei die zur Begründung des Tatbestandes des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes erforderliche Publizität nicht gegeben. Insbesondere durch die Unterlassung der Einvernahme eines - näher genannten - Zeugen zum Beweisthema der Publizität habe die OBDK den Beschwerdeführer unsachlich benachteiligt. Auch hätte die Vernehmung dieses - angebotenen - Zeugen ergeben, daß dieser auf die Abrechnung nach Einzelleistungen verzichtet habe, was angesichts des vorgeworfenen Verstoßes gegen die Pflicht zur nachvollziehbaren Honorarabrechnung entscheidungserheblich sei.

Außerdem habe die OBDK bei der Strafbemessung einem Milderungsgrund ein zu geringes Gewicht beigemessen.

4.2. Die OBDK führt in ihrer Gegenschrift aus, daß die Rüge der unterschiedlichen Beurteilung des angemessenen Honoraranspruches durch die Disziplinarbehörden I. und II. Instanz am Inhalt des verurteilenden Erkenntnisses vorbeiführe. Dem Beschwerdeführer sei nämlich nur vorgeworfen worden, daß er gegenüber einem Klienten einen Honoraranspruch von S 500.000,-- behauptet habe, was bei diesem den Eindruck erwecken mußte, daß ihm der Beschwerdeführer mit der Verrechnung von S 246.733,-- in sehr großem Umfang entgegengekommen sei. Zudem habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung an die OBDK selbst zugegeben, daß sein Honoraranspruch bei korrekter Berechnung S 300.000,-- betragen hätte. Verfehlt seien auch die Ausführungen zur Publizität des Verstoßes, da es für die Qualifizierung eines Disziplinarvergehens als Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes genüge, daß auch nur einzelne außenstehende Personen davon Kenntnis erlangten. Auch vermöge der Umstand, daß einem Milderungsgrund nach Meinung des Beschwerdeführers größeres Gewicht einzuräumen gewesen wäre, ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde bei der Strafbemessung nicht zu begründen.

4.3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

Daß der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht oder daß die OBDK den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Aber auch ein willkürliches Vorgehen der Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer selbst führt in seiner Beschwerde aus, er habe den - zunächst - behaupteten Honoraranspruch in der Note vom 24. Jänner 1991 nach Diskussion mit seinem Klienten "von S 500.000,-- mehr oder weniger in eine Größenordnung korrigiert, welche nunmehr von der OBDK angenommen wurde." Die Verurteilung erfolgte, weil der Beschwerdeführer anläßlich der Abrechnung des Honorars gegenüber seinem Klienten entgegen seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Honorarabrechnung und zur Vereinbarung eines Honorars, das zu seinen Leistungen nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis stehe, fälschlich den Eindruck erweckt habe, mit der Verrechnung von rund S 246.000,-- ihm in sehr großem Umfang entgegenzukommen, da sein voller Honoraranspruch etwa S 500.000,-- betrage. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde bei der gegebenen Sach- und Beweislage jedenfalls vertretbar vorgegangen.

Auch mit der gerügten Unterlassung der Einvernahme eines namhaft gemachten Zeugen vermag der Beschwerdeführer ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde nicht darzutun, zumal der Zeuge zum Nachweis von Umständen geführt wurde, die von der belangten Behörde für die Beurteilung des disziplinären Fehlverhaltens als nicht wesentlich erachtet werden konnten.

Ebenso wird mit den Beschwerdeausführungen zur Publizität des inkriminierten Verhaltens und zur behaupteterweise nicht ausreichenden Berücksichtigung eines Milderungsgrundes eine Gleichheitswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan.

Was schließlich den zweiten Spruchpunkt des bekämpften Bescheides anbelangt, der von der Anfechtungserklärung zwar erfaßt ist, hinsichtlich dessen aber nichts vorgebracht wurde, so ist auch diesbezüglich dem Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Gleichheitssatzes nicht erkennbar. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 9454/1982, 10565/1985, 10659/1985, 11754/1988).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B826.1994

Dokumentnummer

JFT_10049388_94B00826_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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