TE Vwgh Erkenntnis 2017/9/12 Ra 2017/16/0106

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Veröffentlicht am 12.09.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §18 Abs4
B-VG Art102 Abs1
B-VG Art116 Abs3
B-VG Art18
VStG §53a
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien in 1030 Wien, Ungargasse 33, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. März 2017, Zl. VGW-001/016/2708/2017-8, betreffend Aufschub des Strafvollzuges gemäß § 54a Abs. 1 VStG (mitbeteiligte Partei: S A in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Gegen den Mitbeteiligten wurden von der revisionswerbenden Partei wegen fahrlässiger Verkürzung der Parkometerabgabe zahlreiche Geldstrafen und für den Fall der Uneinbringlichkeit entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Dem vom Mitbeteiligten nach Strafantritt bei der Landespolizeidirektion Wien gestellten Antrag auf Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafen wurde mit Erledigung vom 7. Februar 2017 gemäß § 54a Abs. 1 VStG nicht stattgegeben. Im Kopf der Erledigung wird der Magistrat der Stadt Wien genannt, beim Namen des Sachbearbeiters findet sich folgender Hinweis:

„LPD Wien - PK Innere Stadt
für den Magistrat der Stadt Wien auf Grundlage
einer individuellen Ermächtigung der Magistrats-
direktion (Verfassungsdienst)“.

Die Fertigungsklausel lautet: „Für den Magistrat: Mag. M.“.

2        Die genannte Ermächtigung lautet wie folgt:

„Ermächtigung gemäß § 54a VStG

Wien, 22. November 2016

Auf Grund des mit der Landespolizeidirektion Wien erzielten Einvernehmens erfolgt folgende

Ermächtigung:

Herr Mag. M[...], geboren am [...]

wird ermächtigt, Bescheide, mit denen über Anträge von Bestraften auf Aufschub des Strafvollzuges gemäß § 54a Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG entschieden wird, namens des Magistrats der Stadt Wien zu genehmigen, sofern sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Landespolizeidirektion Wien in Verwaltungsstrafhaft befindet und gemäß § 53a VStG die Zuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien zur Entscheidung gegeben ist.

Der angeführte Beamte ist bei der Vollziehung der genannten Angelegenheit an die Weisungen des Magistrats der Stadt Wien gebunden. Diese Ermächtigung gilt gegen jederzeitigen Widerruf.

Mit freundlichen Grüßen

Die Abteilungsleiterin:

Mag.a A[...]“

3        Über die gegen die oben genannte Erledigung erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien in Spruchpunkt I. das Verfahren hinsichtlich der bereits vollzogenen Ersatzfreiheitsstrafen eingestellt, weil ein Aufschub des Vollzuges schon rein begrifflich nicht mehr in Betracht komme. Im Übrigen wurde mit Spruchpunkt II. die Beschwerde betreffend den Aufschub der noch nicht vollzogenen Ersatzfreiheitsstrafen als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die im Namen der revisionswerbenden Partei ergangene Erledigung von einem nicht in diese Behörde organisatorisch eingegliederten Organwalter der Landespolizeidirektion Wien erlassen worden sei, dem weder infolge einer internen Weisung noch Kraft Beleihung oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung eine Approbationsbefugnis namens der revisionswerbenden Partei zukomme. Es liege auch kein Intimationsbescheid vor. Somit richte sich die Beschwerde gegen einen absolut nichtigen Rechtsakt und sei in diesem Umfang zurückzuweisen gewesen.

4        Weiters sprach das Verwaltungsgericht im Spruchpunkt III. aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei und begründete dies im Wesentlichen damit, dass für die hier zu lösende Rechtsfrage die Gesetzeslage eindeutig sei.

5        Gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Wien richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, es fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es möglich sei, dass einzelne, individuell bestimmte Bedienstete der Landespolizeidirektion Wien ermächtigt werden könnten, Bescheide, mit denen über Anträge von Bestraften auf Aufschub des Strafvollzuges entschieden werde, namens des Magistrats der Stadt Wien zu genehmigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision ist aus dem von der revisionswerbenden Partei aufgezeigten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

9        Gemäß § 53a VStG obliegen alle Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe bis zum Strafantritt der Behörde oder jener Behörde, der der Strafvollzug gemäß § 29a VStG übertragen wurde; mit Strafantritt stehen diese Anordnungen und Entscheidungen, soweit nicht das Vollzugsgericht zuständig ist, der Verwaltungsbehörde zu, der gemäß § 53 VStG der Strafvollzug obliegt (Strafvollzugsbehörde).

10       Diese „variable“ Zuständigkeitsordnung (vgl. Siess, Die Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen im Verwaltungsrecht [1993], S 28, FN 66) führt dazu, dass vor dem Strafantritt die Titelbehörde, danach die Strafvollzugsbehörde zuständig ist. Demnach hat über den Aufschub des Vollzuges der noch nicht angetretenen Ersatzfreiheitsstrafen die revisionswerbende Partei, also der Magistrat der Stadt Wien zu entscheiden.

11       Nach der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung unter anderem die Bezeichnung der Behörde und den Namen des Genehmigenden zu enthalten.

12       Zur (behördeninternen) Genehmigung einer Erledigung ist derjenige Organwalter der zuständigen Behörde berufen, der nach den Organisationsvorschriften den behördlichen Willen zu bilden hat. Im monokratischen System ist dies der Behördenleiter oder der von diesem Ermächtigte. Der Behördenleiter kann nämlich untergeordnete Organwalter innerhalb seiner Behörde ermächtigen, in seinem Namen Erledigungen zu genehmigen. Die Erteilung einer solchen Approbationsbefugnis („innerbehördliches Mandat“) wird als Angelegenheit der behördeninternen Organisation angesehen. Das bedeutet, dass die Rechtmäßigkeit einer solchen Ermächtigung keine gesetzliche Grundlage im Sinn des Art. 18 B-VG voraussetzt, weil sie von der Leitungsbefugnis des Behördenleiters umfasst ist (vgl. zu all dem Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 18, Rz 4 und die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 22. März 1954, V 28/53, VfSlg 2650; vom 3. Juli 1954, V 16, 17/54, VfSlg 2709; vom 22. Juni 1964, V 3/64, V 13/64, VfSlg 4733; und vom 6. März 1992, V 254-258/91, V 262/91, VfSlg 13.021; insbesonders zum hierarchischen Aufbau das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. März 1953, G 20/52, V 33, 34, 35/52, VfSlg 2500; und zu internen Regelungen der Approbationsbefugnis das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Februar 1985, B 470/80, VfSlg 10.338).

13       Beim zwischenorganischen oder zwischenbehördlichen Mandat wird ein Organwalter eines anderen Organs mit der Willensbildung betraut und die Übertragung bedarf einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Moritz, ÖJZ 1991, 329 [331] mit weiteren Nachweisen aus der Judikatur). Eine gesetzliche Grundlage für die Weitergabe der Befugnis zur Willensbildung verlangen etwa auch Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³, S 335; Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht [1998], Rz 166; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4, Rz 68, FN 137; Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht³, Rz 351; Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht - Allgemeines Verwaltungsrecht³, Rz 844; Wenger in Allgemeines Verwaltungsrecht [1979], S 352).

14       Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bedarf die Regelung der inneren Organisation einer Behörde grundsätzlich keines Gesetzes (vgl. VfSlg 2650, 2709, 4733, 13.021; sowie das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, 2008/16/0118).

15       Nicht zum inneren Aufbau zählen hingegen die Schaffung selbstständiger Organe mit einem festen, auch nach außen in Erscheinung tretenden Wirkungskreis (das schon zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 2500), die Ermächtigung einer Landesregierung, sich eines Bürgermeisters oder Bezirkshauptmannes als Hilfsapparat zu bedienen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. September 2007, 2007/12/0129, und vom 10. Oktober 2007, 2007/12/0130) oder die Bestellung eines Regierungskommissärs mit einem Zuständigkeitsübergang an einen nicht in die Verwaltungsorganisation eingegliederten Rechtsträger (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2011, 2007/17/0176).

16       Die Betrauung eines Mitgliedes der Landesregierung in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung durch den Landeshauptmann in Verbindung mit der ihm vorbehaltenen Möglichkeit, alle Geschäftsstücke wieder an sich zu ziehen, stellt sich als innerbehördliches Mandat zur Besorgung der mittelbaren Bundesverwaltung an Mitglieder der Landesregierung in Vertretung des Landeshauptmannes dar (das Erkenntnis des Verfassungsgerichtsfhofes vom 5. März 2008, V 91/07 ua, VfSlg 18.402), während ein zwischenbehördliches Mandat vom Landeshauptmann an sämtliche Bezirksverwaltungsbehörden schon daran scheitert, dass dem Landeshauptmann als Vorstand des Amtes der Landesregierung nur die Bezirkshauptmannschaften im Land und nicht auch die Städte mit eigenem Statut als Hilfsorgan unterstellt sind (das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2009, G 173/08 ua, V 464/08 ua, VfSlg 18.910).

17       Die über den Aufschiebungsantrag des Mitbeteiligten ergangene Erledigung vom 7. Februar 2017 weist in ihrem Kopf die Bezeichnung der revisionswerbenden Partei (Magistrat der Stadt Wien) als ausstellende Behörde aus und wurde auch von Mag. M für diese gefertigt. Allerdings ergibt sich aus dieser Erledigung auch, dass Mag. M nicht Organwalter der revisionswerbenden Partei, sondern vielmehr der Landespolizeidirektion Wien ist und er sich auf eine „individuelle Ermächtigung der Magistratsdirektion (Verfassungsdienst)“ beruft.

18       Eine allfällige Eingliederung von Mag. M in den Magistrat der Stadt Wien in Form einer Dienstzuteilung scheitert schon daran, dass dieser offensichtlich Bundesbeamter ist und solche gemäß § 39 Abs. 1 BDG nur zu Dienststellen des Bundes (§ 278 Abs. 1 BDG) zur Dienstleistung zugewiesen werden können (Fellner, BDG Beamten-Dienstrecht, § 39 Anm 1).

19       Da Mag. M nicht Organwalter der revisionswerbenden Partei ist, kommt für seine Ermächtigung, Bescheide namens der revisionswerbenden Partei zu genehmigen, nicht das innerbehördliche, sondern vielmehr das zwischenbehördliche Mandat in Frage.

20       Da die der revisionswerbenden Partei primär zustehende Befugnis zur Willensbildung über Anträge auf Aufschiebung noch nicht angetretener Ersatzfreiheitsstrafen von einer Landes- und Gemeindebehörde durch einen Organwalter der Landespolizeidirektion, also einer Bundesbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2017, Ro 2016/01/0005) erfolgen sollte, kann die gesetzliche Grundlage nicht mit der Leitungsbefugnis des Behördenleiters einer Landes- und Gemeindebehörde begründet werden. Eine explizite gesetzliche Grundlage für die Weitergabe der genannten Befugnis zur Willensbildung vermochte auch die revisionswerbende Partei nicht aufzuzeigen. Für das zwischenbehördliche Mandat fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage, weshalb sich die hier in Rede stehende „Ermächtigung“ als nicht tragfähig erweist.

21       Daran vermag auch die Berufung der revisionswerbenden Partei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1974, B 206/73, VfSlg 7264, nichts zu ändern, weil der dort zu Grunde liegende Berufungsbescheid gegen ein Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom Leiter der Abteilung 62 des Magistrats der Stadt Wien für den Sicherheitsdirektor gezeichnet und als Berufungsbehörde die Sicherheitsdirektion Wien genannt wurde sowie die Zurechnung an die Sicherheitsdirektion wegen der Besorgung von Aufgaben durch eine Magistratsabteilung, sohin vom Magistrat und nicht von der Sicherheitsdirektion durch individuell bestimmte Gemeindebedienstete erfolgte. Wenn in diesem Erkenntnis die Heranziehung von Dienstnehmern eines Landes oder einer Gemeinde zu Dienstleistungen im Rahmen einer Behörde des Bundes die Identität dieser Bundesbehörde unberührt lässt, sagt dies noch nichts darüber aus, ob für ein zwischenbehördliches Mandat eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, wie sich dies aus der bereits oben dargestellten Judikatur und Lehre ergibt.

22       Somit hat das Verwaltungsgericht Wien zutreffend angenommen, dass eine Entscheidung des Magistrats der Stadt Wien wegen mangelnder Approbationsbefugnis infolge offengelegten unzulässigen zwischenbehördlichen Mandates nicht erfolgte, und die dagegen erhobene Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

23       Auf die mit Spruchpunkt I. des in Revision gezogenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Wien vorgenommene Einstellung des Verfahrens über die Anträge auf Aufschiebung der bereits vollzogenen Freiheitsstrafen braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil dieser Teil vom Umfang der Anfechtung nicht erfasst ist.

24       Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen ließ, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. September 2017

Schlagworte

Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160106.L00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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