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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
EStG 1988 §16 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Mag. W W in S, vertreten durch Dr. Friedrich Bamer, Rechtsanwalt in 4311 Schwertberg, Marktplatz 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. August 2016, Zlen. RV/5100597/2012, RV/5100609/2012, RV/5100611/2012, RV/5100613/2012, RV/5100852/2013, betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber machte in seinen Einkommensteuererklärungen insbesondere Kosten der doppelten Haushaltsführung (u.a. Mietaufwand für eine Wohnung mit einer Fläche von ca. 84 m², monatlicher Bruttomietzins in Höhe von 978,33 €) geltend.
2 Mit Bescheiden vom 2. April 2012 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 fest. In der - gesonderten - Bescheidbegründung wurde ausgeführt, Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung stellten im vorliegenden Fall grundsätzlich Werbungskosten dar. Die Grenze der abziehbaren Wohnungskosten sei aber in der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen. Der Beschäftigungsort befinde sich ca. 15 km östlich von Innsbruck im Bezirk Innsbruck-Land. Es sei daher auf die Mietkosten an diesem Ort bzw. diesem Bezirk abzustellen. Es sei von einem ortsüblichen Durchschnittspreis einer durchschnittlich ausgestatteten Wohnung in diesem Bezirk in einem Ausmaß ab 60 m² auszugehen. Darüber hinausgehende Wohnkosten seien gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht abzugsfähig. Nach dem Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer Österreich betrage der Quadratmeterpreis für Mietwohnungen (mit frei vereinbartem Mietzins) im Bezirk Innsbruck-Land in den Jahren 2007 und 2008 durchschnittlich 6,92 €, im Jahr 2009 7,27 € und im Jahr 2010 7,30 €. Unter Ansatz einer Fläche von 60 m² ergäbe sich hieraus der jeweils zu berücksichtigende Mietaufwand. Garagierungskosten seien nicht abzugsfähig, da es sich um Aufwendungen der privaten Lebensführung handle (Hinweis auf VwGH vom 7. Juni 1989, 88/13/0235).
3 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Berufungen.
4 Mit Bescheid vom 20. August 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2011 fest und verwies auf die Begründung zu den Einkommensteuerbescheiden 2007 bis 2010. Auch für das Jahr 2011 seien Mietkosten von 7,30 € pro Quadratmeter anzusetzen.
5 Der Revisionswerber erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung.
6 Mit Schreiben vom 26. Juli 2016 hielt das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber vor, entsprechend § 3 Abs. 3 der Wohnbeihilfen-Verordnung 2012 für Oberösterreich werde die Schätzung der Aufwendungen für eine angemessene, notwendige, zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort ausgehend von einer Wohnungsgröße von 45 m² für eine Einzelperson und dem Durchschnittspreis laut Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer Österreich berechnet werden. Auch die übrigen Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung seien an diese Wohnungsgröße anzupassen.
7 Der Revisionswerber brachte hiezu vor, eine andere adäquate Wohnung sei für ihn am Markt nicht erhältlich gewesen, die geltend gemachten Beträge stellten daher unvermeidbare Mehraufwendungen dar. Es bestehe kein Anlass, die begehrten Wohnungskosten zu kürzen.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2011 - jeweils zu Lasten des Revisionswerbers - ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
9 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, es lägen grundsätzlich die Voraussetzungen für das Vorliegen von Werbungskosten für auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten vor. Die Obergrenze der abziehbaren Wohnungskosten sei mit der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen.
10 Dem Finanzamt sei nicht entgegenzutreten, wenn es den Durchschnittspreis laut Immobilienpreisspiegel für den Bezirk Innsbruck-Land als Richtschnur herangezogen habe. Was die Größe einer zweckentsprechenden notwendigen Wohnung angehe, gebe es dazu im Einkommensteuerrecht keine unmittelbare Regelung. Im Bereich der Wohnbauförderung bestehe aber Gesetzgebung der Länder. Als maximal förderbare Gesamtnutzfläche für eine Person werde in den meisten Bundesländern (auch Tirol) 50 m² angesehen, in Oberösterreich sei die Wohnbeihilfe auf eine maximale Gesamtnutzfläche von 45 m² beschränkt. Da bei Ausnahmen vom Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für die Frage der Angemessenheit der strenge Maßstab der Notwendigkeit anzulegen sei, könne eine individualisierte Schätzung der angemessenen Wohnungskosten nur von 45 m² ausgehen. Unter Berücksichtigung der vom Finanzamt ermittelten durchschnittlichen Mietpreise im Bezirk Innsbruck-Land ergebe dies die im angefochtenen Erkenntnis näher dargelegten angemessenen Mietkosten für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort (ca. 4.000 € pro Jahr).
11 Maklergebühren sowie Strom und Gas seien lediglich mit 80% der erklärten Beträge zu berücksichtigen, da eine nahezu um 50% kleinere Wohnung für den Revisionswerber angemessen wäre. Aufwendungen für Reinigung der Wohnung, Kabelfernsehen und auch die Versicherung seien als nicht notwendig einzustufen. Garagierungskosten seien nicht abzugsfähig.
12 Die Rechtsfrage, wie Aufwendungen für einen beruflich bedingten doppelten Wohnsitz steuerlich zu berücksichtigen seien, werde von der Judikatur und Lehre einhellig beantwortet. Zu entscheiden sei hier nur gewesen, welche Aufwendungen im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen seien. Es handle sich bei den strittigen Punkten ausschließlich um Fragen der Beweiswürdigung und nicht um Rechtsfragen.
13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist zulässig und begründet.
16 Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
17 Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind. Die Obergrenze der abziehbaren Wohnungskosten ist mit der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen. In diesem Sinne unterliegen die tatsächlich angefallenen Wohnungskosten einer Angemessenheitsprüfung (vgl. VwGH vom 29. Jänner 2015, 2011/15/0173, mwN).
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Mai 2010, 2007/13/0095, VwSlg. 8552/F, ausgesprochen, dass der Beurteilung der (dortigen belangten) Behörde, es seien nur die Kosten einer Kleinwohnung am Beschäftigungsort mit einer Wohnungsgröße von 40 m² abziehbar, nicht gefolgt werden könne. Es sei weiters auf die Verhältnisse des Einzelfalles einzugehen. Im Folgeerkenntnis vom 23. November 2011, 2010/13/0148, VwSlg. 8678/F, hat der Verwaltungsgerichtshof sodann ausgesprochen, wenn die belangte Behörde mangels anderer Anhaltspunkte zur Ermittlung der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort eine Wohnungsgröße von rund 60 m² zu Grunde gelegt habe, könne ihr für sich allein noch nicht entgegentreten werden. Dass es dem (dortigen) Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, im Zeitraum seines berufsbedingten Aufenthaltes (in jenem Fall) in Wien um den von der belangten Behörde angesetzten monatlichen Betrag eine Wohnung anzumieten, habe der Beschwerdeführer ebenso wenig vorgebracht, wie er auch nicht konkret darstellte, aus welchen Gründen des Einzelfalles er mit einer solchen Wohnung nicht den beruflich veranlassten Wohnungsbedarf hätte abdecken können.
19 Wenn das Bundesfinanzgericht Aufwendungen nur für eine Kleinwohnung in der Größe von 45 m² berücksichtigt hat, so widerspricht schon dies der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.
20 Entscheidend sind die Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort. Der zweite Haushalt kann zwar auch in „üblicher Entfernung“ bzw. „im Einzugsbereich“ des Beschäftigungsortes errichtet werden (vgl. VwGH vom 31. Juli 2012, 2008/13/0086, VwSlg. 8737/F; vgl. - insbesondere zum „Einzugsbereich“ - auch VwGH vom 31. Juli 2013, 2009/13/0132, mwN). Da aber nur die unvermeidbaren Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind, kann die Wahl des Ortes des zweiten Wohnsitzes nicht dazu führen, dass höhere Wohnkosten (als jene unmittelbar am Beschäftigungsort) geltend gemacht werden können (vgl. neuerlich VwGH 2008/13/0086).
21 Das Bundesfinanzgericht geht aber offenkundig - insoweit in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers - davon aus, dass unmittelbar am Beschäftigungsort (in der politischen Gemeinde) zweckentsprechende Wohnungen nicht angemietet werden können. Insoweit ist daher auf angemessene Kosten einer zweckentsprechenden Wohnung im Einzugsgebiet des Beschäftigungsorts abzustellen.
22 Dem Bundesfinanzgericht kann nicht entgegen getreten werden, wenn es insbesondere den Bezirk Innsbruck-Land als derartiges Einzugsgebiet beurteilt hat. Freilich befindet sich auch - wie vom Revisionswerber dargelegt - eine Wohnung, die in einem anderen Bezirk (Innsbruck-Stadt) in einer Entfernung von etwa 15 km vom Beschäftigungsort liegt, im Einzugsgebiet dieses Beschäftigungsortes.
23 Da nur die unvermeidbaren Mehrkosten zu berücksichtigen sind, ist - wenn am Beschäftigungsort selbst keine zweckentsprechende Wohnung verfügbar ist - zu prüfen, welcher Aufwand mindestens erforderlich ist, um im Einzugsgebiet eine zweckentsprechende Wohnung anzumieten.
24 Das Bundesfinanzgericht ging insoweit davon aus, dass im Bezirk Innsbruck-Land ein reichhaltiges Angebot an Kleinwohnungen bestehe. Diese Sachverhaltsannahme ist allerdings - wie die Revision zutreffend aufzeigt - mit Verfahrensmängeln behaftet. Wenn das Bundesfinanzgericht in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, im Akt des Finanzamtes fänden sich zahlreiche Auszüge aus Wohnungsbörsen, so handelt es sich nach den vorgelegten Verfahrensakten aber lediglich um eine einzige Abfrage betreffend Innsbruck-Land zu Wohnungen mit einer Nutzfläche von 55 bis 65 m² (zu einer Nutzfläche, wie vom Bundesfinanzgericht angenommen, von 45 m² liegen hingegen keine Unterlagen vor). Als Ergebnis der Abfrage wurden zwar 27 Objekte ausgewiesen, hievon aber nur zwei als Mietwohnungen. Dass es dem Revisionswerber möglich wäre, zu den vom Bundesfinanzgericht angenommenen Kosten (ca. 4.000 € pro Jahr, also etwa 333 € pro Monat) eine zweckentsprechende Wohnung im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes anzumieten, geht aus diesen Unterlagen aber in keiner Weise hervor.
25 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.
Wien, am 14. September 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016150080.L00Im RIS seit
06.08.2021Zuletzt aktualisiert am
06.08.2021