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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der D KG in A, vertreten durch Dr. Anneliese Lindorfer, Mag. Dr. Bernhard Feichtner und Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Josef-Pirchl-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 27. März 2015, LVwG-2014/19/0748-5, betreffend wasserrechtliche Bewilligung und Einräumung eines Zwangsrechtes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: A C in O, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter und Mag. Michaela Wörgötter, Rechtsanwälte in 6380 St. Johann in Tirol, Mag. Eduard-Angerer-Weg 14), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (BH) vom 17. Jänner 2014 wurde der mitbeteiligten Partei - gestützt u.a. auf §§ 9 und 32 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) - die wasserrechtliche Bewilligung für eine Oberflächenentwässerungsanlage auf Grundstück Nr. 960/4 KG A nach Maßgabe der eingereichten Projektunterlagen und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Ferner wurden gemäß § 60 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 63 lit. b WRG 1959 auf dem Grundstück Nr. 957/2 der Revisionswerberin die für die Errichtung, den Bestand und den Betrieb des Oberflächenwasserkanales (DA 160) auf einer Länge von 3,0 m erforderlichen Dienstbarkeiten zugunsten der mitbeteiligten Partei sowie deren Rechtsnachfolgern zwangsweise eingeräumt. Die Einwendungen der Revisionswerberin wurden als unbegründet abgewiesen. Darüber hinaus wurde für die Einräumung der Dienstbarkeiten eine an die Revisionswerberin zu entrichtende Entschädigung in der Höhe von € 209,00 festgesetzt.
2 Das Projekt der mitbeteiligten Partei sieht eine Neukonzeption der Oberflächenentwässerungsanlage für den nördlichen Teil des Grundstücks Nr. 960/4 in der Form vor, dass die Niederschlagswässer, welche auf den nördlichen Dachflächen (A 1, A 2 und A 3) anfallen, über Rohrleitungen gesammelt und anschließend einem Retentionsbecken mit einem Rückstauvolumen von 3 m³ zugeführt werden. Dieses Retentionsbecken weist einen Drosselschlitz auf, über welchen die gesammelten Niederschlagswässer gedrosselt Richtung Norden in einen Steilgraben (auf Grundstück Nr. 957/2) abgeleitet werden, der als namenloses Gerinne bezeichnet wird. Die gedrosselte Einleitungsmenge beträgt 1,27 l/s. Durch die Anlage werden das Grundstück Nr. 960/4 der mitbeteiligten Partei und das Grundstück Nr. 957/2 im Eigentum der Revisionswerberin berührt. Das Grundstück der Revisionswerberin wird durch das Ableitungsrohr DA 160 mit einer Länge von 3 m im Ausmaß von maximal 1 m bis 2 m in Anspruch genommen.
3 Die von der Revisionswerberin gegen den Bescheid der BH erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 27. März 2015 unter gleichzeitiger Neufestsetzung der Bauvollendungsfrist abgewiesen. Ferner entfiel bei den im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zitierten gesetzlichen Bestimmungen § 32 WRG 1959, sodass sich die wasserrechtliche Bewilligung (nur noch) auf § 9 WRG 1959 stützt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für unzulässig.
4 Mit Beschluss vom 12. Juni 2015, E 1012/2015-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen das angefochtene Erkenntnis des LVwG vom 27. März 2015 erhobenen Beschwerde ab.
5 Gegen das Erkenntnis des LVwG vom 27. März 2015 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision behauptet die Revisionswerberin ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in mehreren Punkten, ohne diese Rechtsprechung jedoch konkret darzulegen (zum Erfordernis einer konkreten Darlegung, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. November 2015, Ra 2015/07/0144, vom 28. Juli 2016, Ra 2016/07/0054, und vom 11. August 2017‚ Ra 2017/10/0115, jeweils mwN).
10 Die Revisionswerberin bringt dazu vor, sowohl die BH als auch das LVwG hätten in der gegenständlichen Angelegenheit unzuständiger Weise entschieden. Für das Ableiten des Regenwassers in das namenlose Gerinne komme § 9 WRG 1959 (hier: § 9 Abs. 2 WRG 1959) als Entscheidungsgrundlage nicht zur Anwendung. Die Ableitung des Regenwassers habe laut einem eingeholten Gutachten auf die Höhe des Wasserstandes im Gerinne keinen Einfluss. Durch das Ableiten des Regenwassers in das Gerinne auf dem Grundstück der Revisionswerberin werde zwar ein fremdes Recht berührt, jedoch fielen Vorrichtungen und Anlagen, die die Niederschlags- und Abfallwässer von Hausrealitäten abzuführen bezweckten, maximal in die Kompetenz der Baubehörde (Verweis auf das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 28. Oktober 2002, 1 Ob 232/02b).
11 Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Regelung der Abwässerbeseitigung von bebauten Liegenschaften, soweit sie die Einwirkung der Abwässerbeseitigung auf fremde Rechte oder auf öffentliche Gewässer betrifft, gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 10 B-VG (Wasserrecht) Bundessache (vgl. VfSlg. 4387/1963). Der Verfassungsgerichtshof ging in seiner Judikatur auch von einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht der Ableitung von Niederschlagswässern auf fremden Grund aus (vgl. VfSlg. 12.842/1991).
12 Vorrichtungen und Anlagen, welche die Niederschlags- und Abfallwässer von Hausrealitäten abzuführen bezwecken, fallen in die Kompetenz der Baubehörden (vgl. Grabmayr/Rossmann, Das österreichische Wasserrecht² (1978), FN 6 der Judikaturdarstellung zu § 9 WRG 1959).
13 Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Ableitung von Niederschlagswässern (Dachwässern) vom Grundstück der mitbeteiligten Partei auf das Grundstück der Revisionswerberin und die Einleitung in ein näher genanntes Gerinne. Dadurch erfolgt eine Benutzung eines privaten Tagwassers und unstrittig eine Berührung fremder Rechte, nämlich des Grundeigentums der Revisionswerberin. Benützte die mitbeteiligte Partei für ihre Anlagenteile fremde Liegenschaften auf der rechtlichen Grundlage eines Privatrechtstitels, dann läge keine Bewilligungsbedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 WRG 1959 vor (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1994, 92/07/0085, mwN). Unstrittig liegt jedoch keine Zustimmung der Revisionswerberin für die Inanspruchnahme ihres Grundstückes durch die Oberflächenentwässerungsanlage der mitbeteiligten Partei vor. Das LVwG ist daher zutreffend von einer Bewilligungspflicht nach § 9 Abs. 2 WRG 1959 ausgegangen. Der dem von der Revisionswerberin zitierten Erkenntnis des OGH, 1 Ob 232/02b, zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich vom vorliegenden Sachverhalt schon dadurch, dass in jenem Fall eine Vereinbarung der Streitteile über die Wasserableitung vorlag.
14 Entgegen den weiteren Ausführungen der Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung bestehen gegen die Beurteilung des LVwG, wonach die geordnete Entsorgung der gegenständlichen Niederschlagswässer im öffentlichen Interesse geboten sei, weil eine weiterhin ungeordnete Entsorgung der anfallenden Dachwässer zu nachteiligen Auswirkungen auf die unterliegenden, bebauten Grundstücke in Form von Vernässungen führen könne und durch immer größer werdende bzw. tiefer gehende Vernässungen Instabilitäten in dieser Hanglage ausgelöst werden könnten, keine Bedenken.
15 Im Zusammenhang mit der Dienstbarkeitseinräumung bringt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit der Revision vor, es seien die übrigen Möglichkeiten der Oberflächenwasserentsorgung im Verfahren nicht ausreichend geprüft worden. Sie verweist dazu einerseits auf die Möglichkeit, „über die Grundstücke 960/2 und 960/3 einen Regenwasserkanal zu errichten“, andererseits auf eine zweite Variante, nämlich die Ableitung des anfallenden Oberflächenwassers über den Regenwasserkanal, an den die südlichen Dachflächen angeschlossen seien.
16 Das LVwG hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der Zwangsrechtseinräumung auf die bereits anlässlich der Vorbegutachtung abgegebene Stellungnahme des kulturbautechnischen Amtssachverständigen verwiesen, wonach auf Grund der Situation vor Ort jede andere Ableitung (als die hier gegenständliche) jedenfalls bautechnisch schwieriger und somit wesentlich teurer zu bewerten sein würde und die Inanspruchnahme von erheblich mehr Fremdgrund erforderlich sei.
17 Hinsichtlich der von der Revisionswerberin dargelegten zweiten Variante verwies das LVwG ferner auf die Ausführungen des kulturbautechnischen Amtssachverständigen in der von der BH durchgeführten mündlichen Verhandlung, wonach bei einer Ableitung in Richtung Süden bzw. der südlichen Dachteile neben der Installation einer Pumpe samt den entsprechenden isolierten und/oder beheizten Leitungen über die bestehenden Kanäle jedenfalls eine größere Länge an Fremdgrund beansprucht werden müsste.
18 Darüber hinaus stützte das LVwG seine Feststellung, wonach „die beiden möglichen Varianten“ wesentlich teurer als die beantragte Maßnahme seien, auch auf die von der mitbeteiligten Partei zu einzelnen Varianten vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
19 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Mai 2017, Ra 2017/07/0039, mwN).
20 Eine derart mangelhaft vorgenommene Beweiswürdigung ist dem LVwG jedoch nicht vorzuwerfen. Die Revisionswerberin ist den fachkundigen Ausführungen des kulturbautechnischen Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird weder die Unschlüssigkeit der genannten gutachterlichen Ausführungen noch die Unrichtigkeit der von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen behauptet. Lediglich ergänzend sei erwähnt, dass die Revisionsbegründung zu der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision behaupteten Möglichkeit der Errichtung eines Regenwasserkanales über die Grundstücke Nr. 960/2 und 960/3 keine Ausführungen enthält (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 27. April 2017, Ra 2017/12/0030).
21 Aus welchen Gründen die eingeräumten Dienstbarkeiten nicht zureichend umschrieben seien (und deshalb von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden sei), wird in der Zulässigkeitsbegründung ebenso wenig konkret aufgezeigt wie eine allfällige Unrichtigkeit der Beurteilung des LVwG, wonach die Lage des Ableitungskanals auf Grund der Projektunterlagen bestimmt und der Umfang der Dienstbarkeiten für eine Fachperson ohne Weiteres bestimmbar sei.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. Oktober 2017
Schlagworte
sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015070145.L00Im RIS seit
06.08.2021Zuletzt aktualisiert am
06.08.2021