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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §28 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des UVS des Landes OÖ vom 26. Mai 1995, Zl. VwSen-250291/5/Kon/Fb, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Dezember 1993 wurde ein (über Anzeige des Arbeitsamtes Grieskirchen) gegen den Beschwerdeführer eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren "wegen der Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, i. d.g.F., gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 i. d.g.F. eingestellt".
Dagegen erhob das Landesarbeitsamt Oberösterreich Berufung. Darin wurde im wesentlichen vorgebracht, die von der Erstbehörde als glaubwürdig erachtete Rechtfertigung des Beschwerdeführers stehe in Widerspruch zu den Ermittlungsergebnissen, sie sei unschlüssig und hätte von der Erstbehörde als Schutzbehauptung gewertet werden müssen.
Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. März 1994 die Möglichkeit ein, zu der genannten Berufung des Landesarbeitsamtes Oberösterreich eine (schriftliche) Stellungnahme abzugeben.
In seiner Stellungnahme vom 23. März 1994 (eingelangt bei der belangten Behörde am 25. März 1994) brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, er halte sein im erstinstanzlichen Verfahren erstattetes Vorbringen und die damit gestellten Beweisanträge weiterhin aufrecht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. Mai 1995 wurde - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - der Berufung des Landesarbeitsamtes Oberösterreich Folge gegeben, der Einstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen behoben und der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe (in seinem Unternehmen) in G, I-Straße 50 die im Spruch namentlich genannte Ausländerin am 14.1., 16.1., 23.1., 28.1. und 30.1.1993 in einem Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft beschäftigt, ohne daß ihm für diese Ausländerin eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei oder diese Ausländer über eine gültige Arbeitserlaubnis bzw. einen Befreiungsschein verfügt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung "gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG" begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer "gemäß § 28 Abs. 1 AuslBG und §§ 16, 19 und 20 VStG" eine Geldstrafe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) und "gemäß § 64 Abs. 2 VStG" ein Kostenbeitrag von S 250,-- verhängt. Zur Begründung dieses Schuldspruches wurde - nach Darstellung der Verfahrensergebnisse - im wesentlichen ausgeführt, die Wertung der Zeugenaussagen habe unter dem Blickwinkel der Glaubwürdigkeit zu erfolgen. Der Aussage der Zeugin S sei keineswegs eindeutig zu entnehmen, daß für die Anstellung der Ausländerin keine Beschäftigungsbewilligung (nach dem AuslBG) notwendig gewesen wäre oder hiermit eine solche Bewilligung erteilt worden sei. Es könnte aus dieser Aussage auch geschlossen werden, daß das Arbeitsamt für den Fall einer entsprechenden Antragsstellung die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in Aussicht gestellt habe. Hingegen hätten die als Zeugen vernommenen Bediensteten des Arbeitsamtes eindeutig, schlüssig und widerspruchsfrei zum Ausdruck gebracht, daß sie (gegenüber einem Vertreter des Unternehmens des Beschwerdeführers) niemals erklärt hätten, daß für die Ausländerin eine Beschäftigungsbewilligung nicht erforderlich sei. Diese Aussagen (der Bediensteten des Arbeitsamtes) wertete die belangte Behörde als der allgemeinen Lebenserfahrung und den Tatsachen entsprechend. Demgegenüber sei die Aussage der Zeugin S, auf die sich der Beschwerdeführer gestützt habe, unklar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer die (in objektiver Hinsicht unbestrittene) Verwaltungsübertretung aufgrund einer entsprechenden Auskunft des Arbeitsamtes Grieskirchen und demnach aus einem unverschuldeten Irrtum begangen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, nicht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) schuldig erkannt und bestraft zu werden. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ohne ersichtlichen Grund seine (im Berufungsverfahren wiederholten bzw. aufrecht erhaltenen) Beweisanträge nicht berücksichtigt. Sie habe den angefochtenen Bescheid ohne entsprechende Beweisaufnahmen erlassen. Die in der Berufung des Landesarbeitsamtes Oberösterreich aufgestellten Behauptungen habe die belangte Behörde ungeprüft übernommen. Sie habe dadurch grundlegende Prinzipien des Verwaltungsstrafverfahrens verletzt und insbesondere ihrer Verpflichtung nicht entsprochen, die zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise aufzunehmen. Die belangte Behörde habe sich nur damit begnügt, die Glaubwürdigkeit der Zeugen (ausschließlich) aufgrund der unzureichenden Aussagen zu bewerten. Es könne aber nicht angehen, eine Zeugenaussage "leichtfertig als unklar abzutun" ohne allfälligen offenen Fragen durch die Aufnahme der konkret angebotenen Beweise nachzugehen. Der "anscheinend fragliche Verlauf des Telefonates" hätte durch die ergänzende Einvernahme "meiner Angestellten" einwandfrei rekonstruiert werden können. Die belangte Behörde habe sich auch damit nicht auseinandergesetzt, daß vorerst keine Anzeige erstattet worden sei, bzw. daß zwischen dem Bekanntwerden der angelasteten Beschäftigung und der Anzeigeerstattung ein ungewöhnlich langer Zeitraum verstrichen sei. Der Sachverhalt sei nicht zur Gänze geklärt worden. Das mangelhaft gebliebene Ermittlungsverfahren könne nicht "zu Lasten des Beschwerdeführers gehen". Die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Beweiswürdigung sei auch unlogisch (bzw. nicht nachvollziehbar), da die belangte Behörde zu der Einsicht gekommen sei, er habe beim Arbeitsamt Grieskirchen vorerst eine Rechtsauskunft eingeholt und dann die Ausländerin bewußt ohne eine Beschäftigungsbewilligung (nach dem AuslBG), hingegen aber unter Vornahme einer Meldung bei der Sozialversicherung arbeiten lassen.
Der Beschwerde kommt schon aus folgenden Erwägungen im Ergebnis Berechtigung zu:
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige zu laden. Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, ist nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.
Gemäß § 51i leg. cit. ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet.
Die vom Landesarbeitsamt Oberösterreich erhobene Berufung richtete sich (vor allem) gegen die Beweiswürdigung der Erstbehörde. Aufgrund dieser Beweiswürdigung war die Erstbehörde im wesentlichen mit der Begründung zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gelangt, daß dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung seiner (als glaubwürdig gewerteten) Rechtfertigung an der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung kein Verschulden anzulasten sei. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme (zur erhobenen Berufung) vorgebracht, daß er an seiner im erstbehördlichen Verfahren erstatteten Rechtfertigung (und den damit verbundenen Beweisanträgen) festhalten wolle. Er hat demnach auch im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde die Strafbarkeit seines Verhaltens aufgrund des von ihm dargelegten (und von der Erstbehörde als glaubwürdig angesehenen) Sachverhaltes bestritten.
Bei dieser Konstellation des Beschwerdefalles lagen der belangten Behörde strittige Tatfragen vor, die der Klärung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Daran vermag der Umstand, daß der Bescheid der Erstbehörde aufgehoben wurde, nichts zu ändern, weil die belangte Behörde nicht zugunsten des Beschuldigten entschieden hat, sondern (anders als die Erstbehörde) zu seiner Bestrafung gelangte. In einem solchen Fall hatte die belangte Behörde (bei verfassungskonformer Auslegung des § 51e Abs. 1 leg. cit.) die in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz dem Beschuldigten durch Art. 6 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantien zu wahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/09/0057).
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nach Lage des Beschwerdefalles zudem auch deshalb geboten, weil die belangte Behörde - unter Zugrundelegung eines vom Bescheid der Erstbehörde abweichenden Sachverhaltes - in den strittigen Sachverhaltsfragen allein aufgrund der ihr vorliegenden Aktenlage eine selbständige Beweiswürdigung (Beurteilung der Glaubwürdigkeit der von der Erstbehörde einvernommenen Zeugen) vornahm. Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde bei der sich so darstellenden Beweislage jedoch im Hinblick auf § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1996, Zl. 95/04/0193).
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG und unter Wahrung der dem Beschwerdeführer in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand (Eingabengebühr für die Vorlage einer vierten Beschwerdeausfertigung).
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995090207.X00Im RIS seit
11.07.2001