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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1995, Zl. 111.860/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1995 wurde der am 17. Juni 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, welcher seit 1972 durchgehend über gewöhnliche Sichtvermerke verfügt habe, halte sich seit Ablauf seines letztgültigen Sichtvermerkes am 11. Juli 1992 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer folgende strafgerichtliche Verurteilungen erlitten:
1. mit einem am 30. April 1981 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien wegen § 88 Abs. 4 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen;
2. mit einem am 20. Mai 1981 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen § 133 Abs. 1 und 2, § 146 und § 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen worden sei;
3. mit einem am 28. Juli 1988 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen § 146 und § 147 Abs. 2 und § 133 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Monaten, welche unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen worden sei;
4. mit einem am 11. Juli 1991 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen § 146 und § 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, hinsichtlich der ein Teil von 6 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen worden sei;
5. mit einem am 14. Dezember 1993 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen § 146, § 147 Abs. 2 und § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.
Aus diesem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers sei der Schluß zu ziehen, sein weiterer Aufenthalt in Österreich gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die Erteilung einer Bewilligung sei aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.
Der am 22. Oktober 1934 geborene Beschwerdeführer halte sich seit seiner Geburt im Bundesgebiet auf. Es bestünden "nicht absprechbare Bindungen zur Republik Österreich". Im Hinblick auf die regelmäßige Begehung strafbarer Handlungen überwögen jedoch die öffentlichen Interessen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10. Abs. 1 FrG lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die im Bescheid festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen erlitten zu haben. Auch ist die Beurteilung der belangten Behörde zutreffend, daß das Gewicht der auf der gleichen schädlichen Neigung (wider fremdes Eigentum) beruhenden Straftaten mit Rücksicht auf die sie kennzeichnende Schuldform des Vorsatzes und die wiederholte Begehung von Taten nach bereits erfolgter Verurteilung die Annahme rechtfertigt, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Sicherheit (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0004).
Demgegenüber wäre der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 zweiter Fall FrG durch den an den Ablauf seines letztgültigen gewöhnlichen Sichtvermerkes anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, insbesondere bei Zutreffen des Berufungsvorbringens, ihm sei das Ablaufdatum seines letztgültigen Sichtvermerkes unbekannt geblieben, nicht verwirklicht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten Interessen des Fremden in der Weise Bedacht zu nehmen, daß sie zu prüfen hat, ob sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privatleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826).
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, er sei am 22. Oktober 1934 in Österreich geboren. Der Familienname seines leiblichen Vaters sei unbekannt, sodaß der Beschwerdeführer als staatenlos registriert und ihm ein Fremdenpaß ausgestellt worden sei. Der nunmehr 60-jährige Beschwerdeführer habe sein ganzes Leben in Österreich verbracht und das Bundesgebiet "zum dauernden auswärtigen Aufenthalt" noch nie verlassen. Seine Lebensinteressen konzentrierten sich auf das Inland. Er habe hier sowohl beruflich als auch privat eine Existenz aufgebaut und stehe nunmehr knapp vor der Pensionierung.
Auch die belangte Behörde geht in ihren Bescheidfestellungen davon aus, daß sich der Beschwerdeführer seit seiner Geburt im Bundesgebiet aufhält. Bei Zutreffen seines Berufungsvorbringens wäre - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - im Hinblick auf seine intensiven persönlichen Interessen in Österreich der mit der Versagung der Bewilligung verbundene Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützte Privatleben des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung der von ihm ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Sicherheit nicht gerechtfertigt.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Stempelgebührenaufwand waren lediglich S 240,-- für die Einbringung der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung, sowie S 60,-- für die Vorlage des zwei Bogen umfassenden erstinstanzlichen Bescheides in einfacher Ausfertigung und S 120,-- für Vollmachtstempel zuzusprechen. Nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente die Vorlage des erstinstanzlichen Bescheides sowie des Fremdenpasses des Beschwerdeführers in Kopie, weil diese Urkunden ohnedies im Verwaltungsakt enthalten sind.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191057.X00Im RIS seit
02.05.2001