Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Dezember 1995, Zl. 113.007/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 24. August 1994 beim Landeshauptmann von Wien die Verlängerung einer im Antrag nicht näher bezeichneten Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie Lebensgemeinschaft mit einem namentlich genannten Mann an. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 4. Oktober 1994 vor der erstinstanzlichen Behörde gab sie an, "selbst arbeiten zu wollen". Ihr wurde mitgeteilt, daß die Anfrage auf Unbedenklichkeit an das Landesarbeitsamt gestellt werde und daß, falls der Bescheid negativ sei, "der angegebene Aufenthaltszweck als nicht erfüllt gelte".
Mit dem am 24. November 1994 zugestellten Bescheid vom 17. November 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AufG im Hinblick auf § 5 Abs. 2 AufG ab. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien aus, das zuständige Landesarbeitsamt habe die Unbedenklichkeit der Aufnahme der von der Beschwerdeführerin angestrebten Beschäftigung als Friseurin oder Schneiderin nicht bestätigt.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Dezember 1995 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 AufG" abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß gemäß § 6 Abs. 1 AufG in dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen sei, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliege. Der Antragsteller könne den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe der Verfahrens nicht ändern. § 5 Abs. 2 AufG besage, daß zum Zwecke der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine Bewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigungen bestehe. Die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe die Unbedenklichkeit für die von der Beschwerdeführerin angegebenen Berufsgruppen nicht bestätigt. Da die Beschwerdeführerin weder über eine gültige Sicherungsbescheinigung, Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder über einen Befreiungsschein verfüge noch eine Mitteilung des Arbeitsmarktservice im Sinne des § 5 Abs. 4 AufG vorliege, sei der von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Aufenthaltszweck aufgrund der tatsächlichen Arbeitsmarktsituation verfehlt. Somit stehe fest, daß die Beschwerdeführerin nicht berechtigt sei, sich zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufzuhalten. Die Beurteilung der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes sei von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "mit ausreichender Determination und Nachvollziehbarkeit" vorgenommen worden; dabei sei ein ordnungsgemäßes Verfahren, welches das Ausländerbeschäftigungsgesetz dafür vorsehe, durchgeführt worden, "sodaß kein Zweifel an der Tatsache, daß der Arbeitsmarkt für Ihren angestrebten Beruf nicht aufnahmefähig" sei, bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 8. Jänner 1996 hatte die belangte Behörde die Rechtslage in der Fassung der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351 (vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 201/1996), anzuwenden.
§ 5 AufG in der Fassung dieser Novelle lautet:
"§ 5. (1) ....
(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen."
Gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz AufG kann eine bestehende Bewilligung um höchstens zwei weitere Jahre verlängert werden, sofern kein Auschließungsgrund (§ 5) eingetreten ist. Der Verweis des § 4 Abs. 2 AufG auf § 5 AufG in seiner Gesamtheit umfaßt auch den zweiten Absatz der letztgenannten Bestimmung (vgl. demgegenüber den Verweis im § 3 Abs. 1 AufG auf die Versagungsgründe des § 5 Abs. 1 leg. cit.). Unter dem Begriff des "Ausschlußgrundes (§ 5)" sind somit nicht nur die Sichtvermerksversagungsgründe und die anderen, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließenden Tatbestände des § 5 Abs. 1 AufG, sondern auch die arbeitsmarktpolitische Bedenklichkeit iSd § 5 Abs. 2 leg. cit. zu verstehen.
Da die Beschwerdeführerin, für die keine der im § 5 Abs. 4 AufG angeführten ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bewilligungen ausgestellt wurde, erklärte, eine Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG anzustreben, wäre bei berechtigten Bedenken gegen die Aufnahme derselben der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 2 AufG im Sinne des § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. mit der Wirkung eingetreten, daß die Behörde gehindert gewesen wäre, die Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, nicht jedoch zu einem anderen Zweck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134), zu verlängern.
Der hier zu beurteilende Fall gleicht in den entscheidungswesentlichen Punkten (Anfrage an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice und deren formularmäßige Antwort, daß die Unbedenklichkeit für die gewählten Berufsgruppen nicht bestätigt werde; allein darauf verweisende Begründung des Bescheides der belangten Behörde) demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2159, zu beurteilen hatte. Aus den dort näher dargelegten Gründen war daher der belangten Behörde insoweit, als sie ihren Bescheid auf § 5 Abs. 2 AufG stützte, ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 in Verbindung mit § 67 AVG zur Last zu legen.
Zutreffend ist auch der Verweis der Beschwerdeführerin darauf, daß sie zulässigerweise im Antrag, insbesondere aber auch durch ihr Vorbringen in ihrer am 9. Dezember 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Berufung, primär private Gründe für ihren Aufenthalt (Fortsetzung der bestehenden Lebensgemeinschaft) geltend gemacht hat. Die Geltendmachung mehrerer Aufenthaltszwecke ist zulässig (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134). Einer Änderung (Ergänzung) des Aufenthaltszweckes vor Inkrafttreten der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 stand kein Hindernis entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren allerdings nur für die Vorlage der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sowie des bekämpften Bescheides in einfacher Ausfertigung zuzusprechen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190620.X00Im RIS seit
11.07.2001