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E000 EU- Recht allgemeinNorm
EURallgRechtssatz
Weder die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 noch die - diese ergänzende - Verordnung (EU) Nr. 640/2014 enthalten eine Definition des Begriffes "vorsätzlicher Verstoß". Die genannten Verordnungen verweisen in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Anwendung des Rechts der Mitgliedstaaten. Nach der Judikatur des EuGH ist dieser Begriff autonom und einheitlich auszulegen, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung, des Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln ist (vgl. EuGH 27.2.2014, C-396/12, van der Ham). Wenn der EuGH davon spricht, dass sich eine Definition eines rechtlich relevanten Begriffes nicht aus der angewendeten Norm ergibt, aber auch nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird, weshalb dieser Begriff autonom und einheitlich auszulegen ist, so meint er damit, dass dieser Begriff in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen ist (vgl. EuGH 14.3.2013, Leth, C-420/11). Die Auslegung eines solchen Begriffs ist unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung, des Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln. Für die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes ist es erforderlich, dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder - ohne dass er ein solches Ziel verfolgt - die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt (vgl. EuGH 27.2.2014, C-396/12, van der Ham). Das VwG überprüfte inhaltlich nur eine der möglichen Erscheinungsbilder des Vorsatzes nach der Rechtsprechung des EuGH, nämlich des bewussten Herbeiführens eines Verstoßes und verneinte dies (arg. "nicht wissentlich"). Angesichts dessen, dass es davon ausging, dass der schlechte, lebensbedrohliche Zustand der Tiere und die Möglichkeit des Sterbens bewusst war, hätte es sich aber auch damit befassen müssen, ob nicht die Form des Vorsatzes zu vertreten wäre, bei der - ohne dass ein solches Ziel verfolgt worden wäre - die Möglichkeit des vorliegenden Verstoßes billigend in Kauf genommen wurde. Das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der letztgenannten Vorsatzform, die im Wesentlichen dem bedingten Vorsatz (dolus eventualis) nach innerstaatlichem Recht entspricht, führt zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.
Gerichtsentscheidung
EuGH 62011CJ0420 Leth VORABSchlagworte
Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017070138.L02Im RIS seit
09.08.2021Zuletzt aktualisiert am
09.08.2021