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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §21 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des am 31. Oktober 1990 geborenen C, vertreten durch die Mutter E, beide in L, letztere vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995, Zl. 115.698/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. April 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 des letztgenannten Gesetzes liege ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer halte sich seit seiner Geburt in Linz am 31. Oktober 1990 im Bundesgebiet auf. Über eine Bewilligung hiezu habe er nie verfügt.
Durch den Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestünden für ihn erhebliche und beachtliche Interessen an einem Aufenthalt in Österreich. Das das Aufenthaltsrecht seiner Mutter und seiner Schwester betreffende Verwaltungsverfahren sei bislang nicht abgeschlossen. Somit sei den öffentlichen Interessen gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers Vorrang einzuräumen. Die Mutter des Beschwerdeführers verfüge derzeit über keine Aufenthaltsbewilligung. Ein im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK schützenswerter Familienbezug zu ihr sei daher nicht herzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"(1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 FrG lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Vorauszuschicken ist zunächst, daß die Unmündigkeit eines Fremden der aus der Verletzung fremdenpolizeilicher Bestimmungen abgeleiteten Annahme, sein weiterer Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung, nicht grundsätzlich entgegenstünde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zl. 95/21/0464, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet die Annahme rechtfertigen, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Gleiches gilt für einen länger dauernden unberechtigten Aufenthalt im Anschluß an den dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269) oder im Anschluß an einen Touristensichtvermerk (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1996, Zl. 96/19/1981). Ebenso besteht dieser Sichtvermerksversagungsgrund, wenn ein Asylwerber nach rechtskräftigem Abschluß seines Asylverfahrens seinen Inlandsaufenthalt unrechtmäßig fortsetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/1075).
Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist demgegenüber nicht verwirklicht, wenn der Fremde nach Ablauf eines gewöhnlichen Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung im Inland verbleibt, insbesondere wenn keine Anhaltspunkte für ein subjektiv auf die Störung der Ordnung gerichtetes Verhalten des Fremden bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß der an eine Geburt im Inland anschließende unrechtmäßige Aufenthalt des Kindes, mag er auch ein länger dauernder sein, den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht verwirklicht, sofern sich zumindestens ein Elternteil selbst rechtmäßig im Inland aufhält und dem gesetzlichen Vertreter des Kindes kein subjektiv auf die Störung der öffentlichen Ordnung gerichtetes Verhalten anzulasten ist. Es besteht zwar kein Zweifel daran, daß der unrechtmäßige Aufenthalt des unmündigen Kindes die öffentliche Ordnung gestört HAT; bei dem hier vorliegenden Sachverhalt bestehen aber keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß dessen (weitere) Anwesenheit aufgrund der beantragten Bewilligung die öffentliche Ordnung in Zukunft (während der Dauer der Bewilligung) gefährden werde.
Ausgehend von ihrer unzutreffenden Beurteilung, der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG liege schon allein aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers vor, hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen über die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Vaters und der Mutter des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu treffen und ihren Bescheid hiedurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, daß dem Verwaltungsgerichtshof aus dem Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 95/19/0722 bekannt ist, daß die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Juli 1995 den Antrag der Mutter des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG abgewiesen hat, weil sie die Auffassung vertrat, diese sei nach dem Asylgesetz 1991 vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.
Der angefochtene Bescheid ist daher in Ansehung des von der belangten Behörde allein gebrauchten Abweisungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190719.X00Im RIS seit
07.06.2001