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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §879 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Y in I, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1995, Zl. 115.792/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde sachverhaltsbezogen vor, er wohne in der Türkei, sei gelernter Koch und an der I-GmbH (im folgenden: GmbH), einer österreichischen Gesellschaft, deren Stammkapital S 500.000,-- betrage, mit einem Nennbetrag von S 150.000,--, somit mit 30 % beteiligt. Er habe im März 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - nicht zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit - bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein beantragt. Mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 18. April 1995 sei dieser Antrag abgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer fristgerecht berufen. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens habe er Notariatsakte und einen Firmenbuchauszug betreffend die in Rede stehende Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgelegt. Aus diesen Unterlagen habe sich die Richtigkeit seiner Behauptung, er sei an dieser Gesellschaft mit 30 % beteiligt, ergeben. Die Stellungnahme der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 10. April 1995 zur Anfrage der erstinstanzlichen Behörde gemäß § 5 Abs. 2 AufG habe gelautet:
"Im Sinne des § 2 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz ist Ausländer, unselbständiger erwerbstätig, die Unbedenklichkeit für die Berufsgruppe F 26 Wirtschaftsklasse 78 wird nicht bestätigt."
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1995 wurde die in Rede stehende Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 2 AufG dürfe eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nur erteilt werden, wenn die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 AufG zuständige Behörde festgestellt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Falle des Beschwerdeführers habe die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 10. April 1995 die Unbedenklichkeit nicht bestätigt, woraus sich für die Behörde die gesetzliche Verpflichtung ergeben habe, seinen Antrag abzuweisen, zumal die beabsichtigte Berufstätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der GmbH nach Ansicht der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als unselbständige Erwerbstätigkeit zu werten sei, sodaß der Beschwerdeführer einer Beschäftigungsbewilligung bedürfe. Selbst wenn im gegebenen Fall eine Ermessensentscheidung zulässig wäre, könnte die Behörde zu keinem anderen Ergebnis gelangen, zumal vom Beschwerdeführer keine nennenswerten persönlichen Interessen vorgebracht worden seien, die eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen hätten können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juli 1996, der belangten Behörde am 9. September 1996 zugestellt, wurde diese aufgefordert, binnen vier Wochen die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig wurde sie auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 und 3 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, allein aufgrund der Beschwerdebehauptungen zu erkennen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Berufungsverfahrens, nicht jedoch die den gegenständlichen Antrag betreffenden erstinstanzlichen Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 2 AufG lautet:
"(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen."
§ 2 AuslBG lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) ...
(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung
a)
in einem Arbeitsverhältnis,
b)
in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird.
...
(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
1.
...
2.
ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 % Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, das Arbeitsamt stellt auf Antrag fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."
Im Hinblick darauf, daß es die belangte Behörde unterließ, die erstinstanzlichen Verwaltungsakten vorzulegen, hatte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG aufgrund der oben wiedergegebenen Behauptungen des Beschwerdeführers über den Gang des erstinstanzlichen Verfahrens zu erkennen.
Demnach hat der Beschwerdeführer sich im Verwaltungsverfahren auch darauf berufen, daß die von ihm angestrebte Beschäftigung nicht dem § 2 Abs. 2 AuslBG unterliege. Der Bestimmung des § 5 Abs. 2 AufG ist nicht - wie die belangte Behörde offenbar annahm - zu entnehmen, daß die Aufenthaltsbehörde bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bewilligung "zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG" angestrebt wird, eine diesbezügliche Anfrage an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu stellen hat bzw. daß sie an eine diesbezügliche Mitteilung dieser Behörde gebunden wäre. Vielmehr hat die Aufenthaltsbehörde diese Frage eigenständig zu beurteilen.
Unter einem Arbeitsverhältnis nach Arbeitsrecht ist ein Rechtsverhältnis, das die Leistung abhängiger, fremdbestimmter Arbeit zum Inhalt hat und durch Arbeitsvertrag begründet wird, zu verstehen. Mangels erkennbarer Differenzierung orientiert sich auch § 2 Abs. 2 lit. a AuslBG - unvorgreiflich der Möglichkeit faktischer Arbeitsverhältnisse - an diesem Begriffsinhalt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 90/09/0190).
Darüber hinaus kann jede Art von Arbeitsleistung auch Gegenstand eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses im Verständnis des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG sein. Die Rechtsnatur der Vertragsbeziehung zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger ist dabei nicht entscheidend. Arbeitnehmerähnlichkeit ist vor allem darin zu erblicken, daß der "Arbeitnehmerähnliche" in wirtschaftlicher Abhängigkeit und demnach unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig wird. Dem organisatorischen Aspekt dieser Abhängigkeit kommt maßgebliche Bedeutung zu. Dabei ist, ohne daß alle Kriterien vollständig in jedem konkreten Einzelfall auch verwirklicht sein müssen, in methodischer Hinsicht das Gesamtbild der Tätigkeit dahingehend zu prüfen, ob diese Person durch das konkrete Rechtsverhältnis (in dem sie sich befindet) gehindert ist, ihre Arbeitskraft auch anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen. Einzelne Umstände, die für oder wider ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechen, dürfen nicht isoliert, sondern müssen in einer Gesamtbetrachtung bewertet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 94/09/0395, mit weiteren Hinweisen).
Im Hinblick auf die 30-%ige Beteiligung des Beschwerdeführers an der in Rede stehenden Gesellschaft liegt ein Tatbestand im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 2 AuslBG jedenfalls nicht vor.
Indem es die belangte Behörde ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, sie sei an die diesbezügliche Mitteilung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gebunden, unterließ, mit auf Tatsachenfeststellungen über die Art der angestrebten Tätigkeit fußenden konkreten Argumenten zu begründen, warum sie ungeachtet des gegenteiligen Vorbringens des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, die von ihm angestrebte Beschäftigung falle unter einen der in § 2 Abs. 2 AuslBG genannten Tatbestände, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Selbst unter Zugrundelegung der Annahme der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer angestrebte Beschäftigung sei als eine solche gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG zu qualifizieren, läge aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0046, dargelegten Gründen, die auch für die Rechtslage aufgrund der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, gelten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996, G 1409/95), inhaltliche Rechtswidrigkeit vor.
Das Begründungselement, die belangte Behörde könnte zu keinem anderen Ergebnis gelangen, selbst wenn im gegebenen Fall eine Ermessensentscheidung zulässig wäre, zumal keine nennenswerten persönlichen Interessen vorgebracht worden seien, die eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers herbeiführen hätten können, vermag eine auf § 4 Abs. 1 AufG gegründete Ermessensentscheidung aus den im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0338, angeführten Gründen nicht zu tragen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Stempelgebühren wären vom Beschwerdeführer lediglich S 390,-- (S 240,-- an Eingabengebühr und S 150,-- an Beilagenstempel) beizubringen gewesen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192129.X00Im RIS seit
02.05.2001