TE Vwgh Beschluss 2021/7/8 Ra 2021/20/0226

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Veröffentlicht am 08.07.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/20/0227
Ra 2021/20/0228

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der M M, 2. der S C, und 3. des F I, alle in G, alle vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 11. Februar 2021, 1. I422 2220022-1/26E, 2. I422 2220020-1/25E, und 3. I422 2220021-1/26E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Zunächst wird hinsichtlich der Vorgeschichte der revisionswerbenden Parteien auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes je vom 7. Mai 2020, Ra 2019/19/0516 (betreffend die Erstrevisionswerberin), und Ra 2019/18/0469 und 0470 (betreffend die weiteren revisionswerbenden Parteien), hingewiesen.

2        Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der übrigen (in den Jahren 1999 und 1996 geborenen) revisionswerbenden Parteien. Alle sind ägyptische Staatsangehörige. In Österreich lebt eine Schwester der Erstrevisionswerberin mit ihrer Familie, zu der die revisionswerbenden Parteien aber in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die revisionswerbenden Parteien stellten im April 2017 nach - mit von Griechenland ausgestellter Visa C erfolgter - Einreise in das Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

3        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 9. Mai 2019 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, sprach jeweils aus, dass die Abschiebung nach Ägypten zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

4        Den dagegen erhoben Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht keine Folge. Die diesbezüglichen Erkenntnisse vom 27. Juni 2019 wurden allerdings vom Verwaltungsgerichtshof mit den eingangs erwähnten Erkenntnissen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte, obwohl die dafür maßgeblichen Voraussetzungen nach § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) nicht gegeben waren.

5        Im zweiten Rechtsgang führte das Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung durch und wies die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien mit den Erkenntnissen je vom 11. Februar 2021 erneut als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.

6        Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen an ihn erhobenen Beschwerden mit Beschluss vom 29. April 2021, E 843-845/2021-7, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zum Umfang des Gegenstandes des Revisionsverfahrens ist zunächst festzuhalten, dass die revisionswerbenden Parteien (ausschließlich) eine „Verletzung in ihren einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich in ihrem Recht, nicht in einen Staat abgeschoben zu werden, in welchem ihnen die Gefahr der Verletzung ihrer durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte drohen und in ihren Rechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK“ geltend machen. Damit beziehen sich die revisionswerbenden Parteien der Sache nach (lediglich) auf jene Aussprüche, mit denen die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten versagt und Rückkehrentscheidungen erlassen wurden.

11       In der Begründung für die Zulässigkeit der Revisionen werden sodann jene Argumente, die inhaltlich für eine (asylrelevante) Verfolgung der Erstrevisionswerberin sprechen sollen, mit den Argumenten, die darlegen sollen, weshalb den revisionswerbenden Parteien subsidiärer Schutz hätte gewährt werden müssen, in einer Weise vermengt, sodass sich das Revisionsvorbringen als kaum nachvollziehbar präsentiert.

12       Soweit dem Vorbringen eine zielgerichtete Argumentation entnommen werden kann, erweist es sich als nicht berechtigt. Die konkrete Darstellung der Relevanz behaupteter Verfahrensfehler für den Verfahrensausgang fehlt über weite Strecken. Anhand des Vorbringens ist eine solche auch nicht zu sehen. Soweit bloß allgemein aus der „Berichtslage zu Ägypten“ referiert wird, wird ein Bezug zur konkreten Situation der revisionswerbenden Parteien nicht hergestellt. Woraus die Erstrevisionswerberin ein für sie gegebenes „Risikoprofil“, das das Bundesverwaltungsgericht einer näheren Betrachtung hätte unterwerfen müssen, abzuleiten trachtet, lässt sie im Dunkeln.

13       Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner ausführlichen und nicht als unschlüssig anzusehenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, dass sich das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zu den Gründen ihrer Flucht aus dem Heimatland als gesteigert, widersprüchlich und teilweise auch nicht mit der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar darstelle. Weiters hat es dargelegt, weshalb es davon ausgegangen ist, es lägen keine Umstände vor, aus denen die reale Gefahr abzuleiten sei, wonach die revisionswerbenden Parteien im Fall der Rückkehr in ihr Heimatland eine Verletzung ihrer nach Art. 2 und Art. 3 EMRK garantierten Rechte zu gewärtigen hätten. Den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts wird von den revisionswerbenden Parteien nichts Stichhaltiges entgegengesetzt.

14       Soweit sich die revisionswerbenden Parteien gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidungen nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägungen wenden, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 25.5.2021, Ra 2021/20/0163, mwN).

15       Das Bundesverwaltungsgericht hat auf sämtliche fallbezogen entscheidungswesentliche Umstände ausreichend Bedacht genommen. Dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts unvertretbar wäre, vermögen die revisionswerbenden Parteien nicht aufzuzeigen. Ihre im Revisionsschriftsatz der Sache nach vertretene Ansicht, in ihren Fällen liege aufgrund der von ihnen gesetzten Schritte zur Integration eine derart außergewöhnliche Konstellation vor, sodass sie trotz ihres kurzen Aufenthalts im Bundesgebiet einen aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Anspruch auf Verbleib im Bundesgebiet ableiten könnten, ist nicht zu teilen. Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden muss, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. etwa VwGH 15.4.2021, Ra 2021/20/0103, mwN).

16       Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200226.L00

Im RIS seit

10.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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