TE Vwgh Beschluss 2021/7/12 Ra 2021/21/0057

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Veröffentlicht am 12.07.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4 Z4
NAG 2005 §11 Abs1
NAG 2005 §11 Abs2
NAG 2005 §25 Abs1
NAG 2005 §25 Abs3
NAG 2005 §63 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des H B, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Jänner 2021, I414 2235028-1/9E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein tunesischer Staatsangehöriger, hält sich seit Ende Februar 2018 in Österreich auf. Ihm waren durchgehend - zuletzt mit Gültigkeit bis zum 28. Februar 2020 - Aufenthaltstitel als Schüler erteilt worden. Diesbezüglich stellte er am 24. Februar 2020 rechtzeitig einen Verlängerungsantrag.

2        Am 20. September 2019 wurde der Revisionswerber, ohne über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu verfügen, bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (als Taxilenker) betreten. Über ihn wurde - wegen des deshalb für diesen Tag angenommenen unrechtmäßigen Aufenthalts - mit rechtskräftiger Strafverfügung der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 27. Februar 2020 gemäß § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe von € 500,-- verhängt.

3        In der Folge erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 7. August 2020 gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung. Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG nach zulässig“ sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 [gemeint: Z 3] und Z 6 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber weiters ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 55 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 30 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

4        Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung ergangenen Erkenntnis vom 8. Jänner 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einer dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde teilweise dahin statt, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf zwölf Monate herabgesetzt werde. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das BVwG aus, aufgrund seines rechtmäßigen Aufenthalts setze die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG voraus, dass der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegenstehe.

6        Einen solchen Versagungsgrund erblickte das BVwG zunächst im Fehlen eines gemäß § 63 Abs. 3 NAG für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für Schüler erforderlichen Nachweises über den Schulerfolg, was somit der neuerlichen Erteilung dieses Aufenthaltstitels entgegenstehe. Dazu komme, dass die Erwerbstätigkeit eines Fremden, dem eine Aufenthaltsbewilligung für Schüler ausgestellt worden sei, das Erfordernis der Schulausbildung als ausschließlicher Aufenthaltszweck jedenfalls nicht beeinträchtigen dürfe. Dabei bezog sich das BVwG auf die an anderer Stelle seines Erkenntnisses getroffenen Feststellungen, wonach der Revisionswerber während seines Aufenthalts in den ersten beiden Jahren (wie näher dargestellt wurde) nahezu durchgehend unselbständig beschäftigt gewesen sei. Seit 7. November 2019 sei er nunmehr handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter eines in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Taxiunternehmens, das Verbindlichkeiten in der Höhe von rund € 30.000,-- aufweise. Aus diesen Umständen und aus dem Fehlen schulischer Erfolge zog das BVwG dann den Schluss, der Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich diene nahezu ausschließlich der Ausübung einer Beschäftigung.

7        Des Weiteren verwies das BVwG - wie auch schon das BFA - noch darauf, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Der Revisionswerber habe nämlich selbst angegeben, lediglich über Einkünfte von rund € 600,-- monatlich zu verfügen, womit der Richtsatz des § 293 Abs. 1 ASVG von über € 900,-- nicht bloß geringfügig unterschritten werde. Abgesehen von dem erwähnten Taxiunternehmen mit Verbindlichkeiten von rund € 30.000,-- besitze er auch kein Vermögen.

8        Im Rahmen seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG berücksichtigte das BVwG die bisherige Aufenthaltsdauer von über zweieinhalb Jahren und die dargestellte Berufstätigkeit des - wie an anderer Stelle festgestellt - ledigen und kinderlosen Revisionswerbers, den Erwerb guter Deutschkenntnisse (mit dem Nachweis auf Sprachniveau A2) sowie den Aufbau eines näher dargestellten Freundes- und Bekanntenkreises. Dem gegenüber habe er in Tunesien den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht, die Schulbildung absolviert, spreche Arabisch, Französisch und Englisch und habe familiäre Bindungen im Herkunftsstaat. Nach nur wenigen Jahren der Abwesenheit sei davon auszugehen, dass er sich in die dortige Gesellschaft erneut eingliedern könne. Kontakte zu Freunden und Bekannten in Österreich könnten über diverse Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Unter weiterer Berücksichtigung, dass dem Revisionswerber von Anfang an habe bewusst sein müssen, dass ihm die erteilten Aufenthaltsbewilligungen als Schüler nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht vermitteln konnten und er das Privatleben zu einem Zeitpunkt begründet habe, als er nicht mit einem dauernden Verbleib in Österreich habe rechnen dürfen, sei das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung höher zu bewerten als die gegenläufigen Interessen des Revisionswerbers an der Fortführung seines Privatlebens im Bundesgebiet.

9        Die Erlassung eines Einreiseverbotes gegen den Revisionswerber sei - so lässt sich die diesbezügliche Begründung des BVwG zusammenfassen - wegen Erfüllung der Tatbestände der Z 3 und Z 6 des § 53 Abs. 2 FPG aufgrund seiner rechtskräftigen Bestrafung wegen einer Übertretung des FPG und seiner Mittellosigkeit, aus der die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiere, gerechtfertigt. Allerdings sei die Dauer des Einreiseverbotes bei einer Höchstdauer von fünf Jahren angemessen auf zwölf Monate herabzusetzen.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.

11       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

13       In dieser Hinsicht rügt der Revisionswerber als Verfahrensmangel, dass die von ihm beantragte Einräumung einer Frist (bis zum 15. Februar 2021) für die Vorlage des Semesterzeugnisses einer näher bezeichneten, von ihm zuletzt besuchten Handelsakademie zum Nachweis seines (nunmehrigen) Schulerfolges zu Unrecht unterblieben sei. Vor diesem Hintergrund bekämpft der Revisionswerber auch die Annahme des BVwG, sein Aufenthalt habe nur dem Zweck der Erwerbstätigkeit gedient, als „aktenwidrig“ und mangelhaft begründet.

14       Damit wird jedoch schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil den genannten Umständen keine Relevanz für den Ausgang des Verfahrens zukommt. Soweit das BVwG nämlich die Erlassung der Rückkehrentscheidung auf das Fehlen der besonderen Voraussetzung für die Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung als Schüler in Form des nach § 63 Abs. 3 NAG erforderlichen Nachweises eines Schulerfolges stützte, ging das ins Leere: Für den Fall des Fehlens einer besonderen Erteilungsvoraussetzung ordnet § 25 Abs. 3 NAG an, dass die Niederlassungsbehörde den Verlängerungsantrag ohne Weiteres abzuweisen hat. Damit steht im Einklang, dass in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels die Befassung des BFA durch die Niederlassungsbehörde nach § 25 Abs. 1 NAG nur bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG vorgesehen ist. Korrespondierend dazu bestimmt § 52 Abs. 4 Z 4 FPG, dass das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen hat, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein (allgemeiner) Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG entgegensteht.

15       Diesen Versagungsgrund haben das BFA und das BVwG aber in tragender Weise darin gesehen, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Zu dieser - angesichts der vom Revisionswerber selbst eingeräumten und vom BVwG festgestellten monatlichen Einkünfte von nur € 600,-- (auch vorgelegte Bestätigungen weisen kein annähernd ausreichendes Einkommen aus) und des unstrittigen Schuldenstandes seines Unternehmens von € 30.000,-- jedenfalls nicht unschlüssigen und nicht unvertretbaren - Annahme enthält die Revision in der Zulässigkeitsbegründung keine Ausführungen. Auch sonst tritt der Revisionswerber dieser Beurteilung nicht konkret entgegen. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das BVwG vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG ausgegangen ist.

16       Schon wegen des - wie erwähnt: in der Revision nicht konkret bestrittenen - Fehlens eines Nachweises der Mittel zu seinem Unterhalt war auch die Erlassung eines Einreiseverbotes im Grunde des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG vertretbar (siehe zur aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen des Näheren etwa VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0284, Rn. 12, mit dem Hinweis auf VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, Rn. 32). Auf die aus der Verwirklichung des Tatbestandes nach der Z 3 des § 53 Abs. 2 FPG vom BVwG überdies abgeleitete und in der Revision bestrittene Gefährdung kommt es daher nicht mehr an.

17       Den in der Revision noch relevierten Umständen, insbesondere dem Maß der mittlerweile erreichten sprachlichen, beruflichen und sozialen Integration des - allerdings erst relativ kurz in Österreich aufhältigen - Revisionswerbers, wurde vom BVwG im Übrigen ohnehin durch die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ausreichend Rechnung getragen.

18       Bei der im Spruch des mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten Bescheides des BFA vom 7. August 2020 - wie sich eindeutig aus der Begründung ergibt - offenbar irrtümlich unterbliebenen Nennung von Tunesien als Zielstaat der Abschiebung handelt es sich um einen berichtigungsfähigen Fehler. Diese in der Revision weiters noch gerügte Auslassung begründet somit keinen wesentlichen Mangel, weil der Spruch bereits vor einer entsprechenden Berichtigung in der richtigen Fassung zu lesen ist (vgl. dazu etwa VwGH 4.8.2016, Ro 2016/21/0015, Rn. 10, und VwGH 8.9.2020, Ra 2020/07/0061, Rn. 23, jeweils mwN).

19       Die Revision zeigt somit insgesamt keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 12. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210057.L00

Im RIS seit

09.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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