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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des A J in M, vertreten durch Dr. Manfred Sommerbauer und DDr. Michael Dohr, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 5a/3. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2021, Zl. W232 2236581-1/4E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 7. Oktober 2020 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber, einem serbischen Staatsangehörigen, keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei, verhängte gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von eineinhalb Jahren befristetes Einreiseverbot und gewährte eine vierzehntätige Frist für die freiwillige Ausreise.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
3 Das Gericht hielt - soweit im Revisionsfall entscheidungswesentlich - zusammengefasst fest, dass der Revisionswerber in Österreich geboren sei und bis zum Jahr 2012 über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt habe. Dieser sei mit 30. November 2012 erloschen, weil der Revisionswerber ab dem Jahr 2011 für länger als ein Jahr, und zwar bis Ende Juni 2013 bei seinem Vater in Serbien gelebt habe. Der Revisionswerber sei dreimal (im Jahr 2014, im Jahr 2015 und im Jahr 2017) strafgerichtlich (die letzten beiden Male zu unbedingten Freiheitsstrafen, und zwar in der Dauer von zwei Jahren und zuletzt in der Dauer von sechs Monaten) verurteilt worden; dies u.a. wegen der Verbrechen des Raubs, der Vergehen der Nötigung, der gefährlichen Drohung, des Widerstands gegen die Staatsgewalt und der Sachbeschädigung. Seit 9. Jänner 2020 sei er mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Der Revisionswerber sei gesund und arbeitsfähig. Er verfüge über keine finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts. Sein Bruder und seine Mutter lebten in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Sein Vater, der am 1. Juli 2020 abgeschoben worden sei, lebe in Serbien.
4 Der Revisionswerber, der auch wegen einer Übertretung des FPG rechtskräftig bestraft worden sei, halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor. Es sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Im Rahmen seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz berücksichtigte das Verwaltungsgericht zu Gunsten des Revisionswerbers, dass er in Österreich aufgewachsen und in die Schule gegangen sei sowie im Bundesgebiet den Großteil seines Lebens verbracht, die deutsche Sprache erlernt und eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe. Dem stehe gegenüber, dass sich der Revisionswerber seit vielen Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhalte, zumal sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 15. Dezember 2014 abgewiesen und er mit Schreiben des BFA vom 8. Juli 2019 davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die Behörde beabsichtige, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Sozial und wirtschaftlich sei der Revisionswerber in Österreich nicht integriert. Er sei noch nie im Bundesgebiet einer Berufstätigkeit nachgegangen. Der Revisionswerber sei in Serbien nicht gänzlich entwurzelt, weil er einige Zeit dort gelebt habe und sich auch sein Vater in Serbien aufhalte. Durch die Begehung mehrerer Straftaten habe der Revisionswerber zum Ausdruck gebracht, dass er die österreichische Rechtsordnung nicht akzeptiere. Es bestehe für ihn die Möglichkeit, den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen auch nach seiner Rückkehr nach Serbien telefonisch und über das Internet aufrechtzuerhalten. Im Hinblick auf die angeführten Gesichtspunkte falle die Interessenabwägung zu Lasten des Revisionswerbers aus. Die Erlassung und Befristung des Einreiseverbotes begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Vorliegen der in § 53 Abs. 2 Z 3 und Z 6 FPG angeführten Gründe. Die Dauer des gegenständlichen Einreiseverbots stehe in angemessener Relation zum persönlichen Fehlverhalten des Revisionswerbers. Seine durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen stünden der Erlassung des gegenständlichen Einreiseverbotes nicht entgegen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen und eine Gefährdungsprognose zu erstellen. Im Hinblick auf die langjährige Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers im Bundesgebiet, wo er zudem geboren sei, sei die verwaltungsgerichtliche Interessenabwägung ohne Substrat zu seinen Lasten gegangen. Insofern liege eine Abweichung von der hg. Rechtsprechung vor. Im Übrigen fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Bindung an den Aufenthaltsstaat besonders gewichtet werden müsse, wenn nicht österreichische Staatsangehörige im Bundesgebiet geboren seien und in Österreich ihren Lebensmittelpunkt hätten und dort wie der Revisionswerber zur Schule gegangen seien, ihre Familie hätten und verheiratet seien.
Mit diesem Vorbringen wird das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2021/21/0107; 25.11.2020, Ra 2020/22/0010, mwN).
10 Anders als vom Revisionswerber behauptet, führte das Bundesverwaltungsgericht eine auf die im Revisionsfall maßgeblichen Umstände Bezug nehmende Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK durch. Dass diese Abwägung, die auch die in der Zulässigkeitsbegründung angeführten persönlichen Verhältnisse des Revisionswerbers berücksichtigte, unter Zugrundelegung des soeben dargelegten Prüfmaßstabs des Verwaltungsgerichtshofs als unvertretbar zu beurteilen wäre, zeigt die Zulässigkeitsbegründung nicht auf.
11 Ferner wird mit dem die Gefährdungsprognose betreffenden (zum diesbezüglichen Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs, der dem in Rn 9 dargelegten sinngemäß entspricht, siehe VwGH 3.12.2020, Ra 2020/22/0247), gänzlich pauschal gebliebenen Vorbringen der Zulässigkeitsbegründung eine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts bei Verhängung des gegenständlichen Einreiseverbots nicht aufgezeigt. Somit wird auch in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
12 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. Juli 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220129.L00Im RIS seit
06.08.2021Zuletzt aktualisiert am
31.08.2021