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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des E B in W, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 30. November 2017, VGW-151/032/7580/2017-25, betreffend Wiederaufnahme von Verfahren nach dem NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art.133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2. Mit Bescheid vom 30. März 2017 nahm der Landeshauptmann von Wien (Behörde) die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend den Erstantrag des Revisionswerbers, eines nordmazedonischen Staatsangehörigen, vom 27. Oktober 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), betreffend den Verlängerungsantrag vom 3. Juni 2013 sowie den Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag vom 21. November 2013 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG jeweils gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf und wies unter einem den Erstantrag wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG sowie die weiteren Anträge mangels Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG ab.
3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. November 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe, dass das Verfahren betreffend den Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG wiederaufgenommen werde, als unbegründet ab.
3.2. Das Verwaltungsgericht stellte - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - fest, der Revisionswerber habe während seiner Ehe mit N V, einer österreichischen Staatsbürgerin, von Oktober 2011 bis November 2013 ein Eheleben im Sinn einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft nicht geführt. Er habe vielmehr seine Beziehung mit S A, einer nordmazedonischen Staatsangehörigen, mit der er bereits im Herkunftsstaat ein Paar gewesen sei und drei gemeinsame Kinder (geboren 2002, 2004 und 2008) habe, aufrecht erhalten. Der Revisionswerber habe S A - die er letztlich im Jahr 2015 geehelicht habe - und die Kinder auch regelmäßig im Heimatstaat besucht; diese seien spätestens im Jahr 2016 zu ihm nach Wien übersiedelt und hätten Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gestellt. N V habe ebenso ihre Beziehung mit ihrem früheren (im Jahr 2010 von ihr geschiedenen) Ehemann aufrecht erhalten, wobei dieser auch weiterhin überwiegend bei ihr gewohnt habe und mit ihr bis heute ein Paar sei.
Bei der Erteilung der Aufenthaltstitel an den Revisionswerber im Juni 2012 und im Juni 2013 hätten für die Behörde keine Anhaltspunkte bestanden, die den Verdacht einer Aufenthaltsehe nahelegten. Es seien aber bereits fremdenpolizeiliche Ermittlungen geführt worden, wobei die Behörde im Juli 2013 von einem dringenden Verdacht und der Durchführung weiterer Ermittlungen informiert worden sei. Auf Grund des Verlängerungs- und Zweckänderungsantrags im November 2013 habe die Behörde eine Stellungnahme des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingeholt, wobei dieses mitgeteilt habe, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt seien und keine Bedenken gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels bestünden. Im Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels im Juni 2014 seien der Behörde bereits zahlreiche Ermittlungsergebnisse der Fremdenpolizei zum Verdacht der Führung einer Aufenthaltsehe vorgelegen, die von der Behörde aber nicht berücksichtigt worden seien.
3.3. In der Beweiswürdigung hielt das Verwaltungsgericht (unter anderem) fest, der Revisionswerber habe in all seinen Anträgen trotz diesbezüglicher Fragestellungen verschwiegen, dass er bereits Kinder mit S A im Herkunftsstaat habe. Er habe deren Existenz im Zuge der polizeilichen Ermittlungen - etwa bei einer Kontrolle im Juni 2013 und bei einer niederschriftlichen Einvernahme im Oktober 2013 - stets verneint. Er habe diesbezügliche Angaben erst im Jahr 2016 gemacht, als er für die Kinder Aufenthaltstitel beantragt habe.
3.4. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, ein „Erschleichen“ des Bescheids im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG liege vor, wenn die Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht habe und die Angaben der Entscheidung zugrunde gelegt worden seien. Dabei müsse die Behörde auf die Angaben angewiesen sein, es müsse eine Lage bestehen, in der ihr nicht zugemutet werden könne, weitere Erhebungen zur Feststellung der Richtigkeit der Angaben zu tätigen.
Vorliegend seien diese Voraussetzungen in Bezug auf die Erteilung der Aufenthaltstitel im Juni 2012 und im Juni 2013 jedenfalls erfüllt. Der Revisionswerber habe sich auf das Eingehen einer Ehe gestützt, obwohl er mit N V niemals ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK, sondern eine Aufenthaltsehe geführt habe. Der Behörde seien im Zeitpunkt der Titelerteilung im Juni 2012 und im Juni 2013 keine Anhaltspunkte für eine Aufenthaltsehe vorgelegen, weitere Ermittlungen hätten ihr daher nicht zugemutet werden können. Folglich seien insofern die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vorgelegen. Diese sei gemäß § 69 Abs. 3 AVG ohne zeitliche Begrenzung möglich (gewesen).
Anders stelle sich die Situation in Bezug auf die Titelerteilung im Juni 2014 dar. Damals sei die Behörde bereits von der Fremdenpolizei informiert gewesen, dass der dringende Verdacht einer Aufenthaltsehe bestehe, es seien Ermittlungsergebnisse vorgelegen, die den Verdacht nahelegten. Dennoch habe die Behörde - offenbar gestützt auf eine Stellungnahme des BFA, wonach derzeit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gesetzt würden - den Aufenthaltstitel ohne weitere Erhebungen erteilt.
Habe aber die Behörde eine ohne besondere Schwierigkeiten mögliche Sachverhaltsermittlung verabsäumt und sei die Erschleichungshandlung deshalb unentdeckt geblieben, so schließe dies aus, von einem „Erschleichen“ im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG auszugehen. Vorliegend könne die Wiederaufnahme daher nicht auf diesen Tatbestand gestützt werden.
Es sei jedoch zu prüfen, ob ein anderer Wiederaufnahmegrund herangezogen werden könne. Vorliegend komme § 69 Abs. 1 Z 3 AVG in Betracht, wonach ein Verfahren wiederaufgenommen werden könne, wenn der Bescheid gemäß § 38 AVG von einer Vorfrage abhängig gewesen sei, über die von der zuständigen Behörde nachträglich als Hauptfrage in wesentlichen Punkten rechtskräftig anders entschieden worden sei.
Fallbezogen sei die Erteilung des Aufenthaltstitels im Juni 2014 davon abgehangen, ob dem Revisionswerber auf Grund seiner - aus der Ehe mit N V abgeleiteten - bisherigen Aufenthaltstitel ein Niederlassungsrecht gemäß § 27 NAG zugekommen sei. Durch die Wiederaufnahme der vorangehenden Verfahren (betreffend die aus der Ehe abgeleiteten Aufenthaltstitel) sei eine wesentliche Vorfrage neu entschieden worden. Diese Entscheidung sei mit der Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses in Rechtskraft erwachsen und könne als abweichend entschiedene Vorfrage im Sinn des § 38 AVG der Wiederaufnahme des im Juni 2014 abgeschlossenen Verfahrens zugrunde gelegt werden.
Im Hinblick darauf sei auch die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Titelerteilung im Juni 2014 im Ergebnis rechtmäßig erfolgt, wobei Rechtsgrundlage der § 69 Abs. 1 Z 3 AVG sei. Da die Titelerteilung im Juni 2014 erfolgt und der Bescheid über die Wiederaufnahme im April 2017 ergangen sei, sei auch die Frist des § 69 Abs. 3 AVG gewahrt.
In den wiederaufgenommenen Verfahren seien die Anträge abzuweisen gewesen, nämlich der Erstantrag wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG, die weiteren Anträge mangels Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG.
3.5. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. des Fehlens einer solchen Rechtsprechung - im Wesentlichen geltend gemacht wird:
Ein „Erschleichen“ (im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG) liege nicht vor, wenn die Behörde die Unrichtigkeit der Parteiangaben deshalb nicht erkannt habe, weil sie eine mögliche Sachverhaltsermittlung unterlassen habe.
Vorliegend seien der Behörde im Zeitpunkt der Titelerteilung im Juni 2014 bereits Ermittlungsergebnisse bekannt gewesen, die den Verdacht einer Aufenthaltsehe nahelegten. Sie hätte bei einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erkennen können, dass die Titelerteilung im Juni 2012 und im Juni 2013 wegen unrichtiger Parteiangaben (Vorliegen einer Ehe) zu Unrecht erfolgt sei, und wäre verpflichtet gewesen, die vorangehenden Verfahren sogleich wiederaufzunehmen. Statt dessen habe sie im Juni 2014 einen weiteren Aufenthaltstitel erteilt und von der Wiederaufnahme nicht Gebrauch gemacht, wobei die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen sei.
Die Pflicht der Behörde, von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung sofort Gebrauch zu machen, müsse zur Folge haben, dass das „Untätigwerden der Behörde auch auf die ‚nachträglich‘ abweichende Vorfragebeurteilung des § 69 Abs 1 Z 3 AVG durchschlägt“.
4.2. Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.
5.1. Der Revisionswerber vertritt - im Ergebnis - die Ansicht, die Behörde habe die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Titelerteilung im Juni 2012 und im Juni 2013 verwirkt, weil sie - trotz möglicher bzw. bereits vorliegender Ermittlungsergebnisse hinsichtlich des (im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen) Vorliegens einer Aufenthaltsehe - im Juni 2014 einen weiteren Aufenthaltstitel erteilt habe, was zur Folge habe, dass eine spätere Wiederaufnahme sämtlicher Verfahren ausgeschlossen sei.
5.2. Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG ist ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wieder aufzunehmen, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, durch falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen einzubringen, wobei die Frist grundsätzlich mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat; nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheids kann der Antrag nicht mehr gestellt werden. Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme auch von Amts wegen verfügt werden, wobei nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheids die amtswegige Wiederaufnahme nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden kann.
5.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt ein „Erschleichen“ im soeben aufgezeigten Sinn dann vor, wenn die betreffende Entscheidung in einer Art zu Stande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat oder maßgebliche Angaben unterlassen hat und der so festgestellte Sachverhalt dann der Entscheidung zu Grunde gelegt worden ist, sofern die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0076; 12.2.2019, Ra 2019/22/0031).
Von einem „Erschleichen“ kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Behörde es verabsäumt hat, von den ihr ohne besondere Schwierigkeiten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen (vgl. VwGH 19.9.2013, 2011/01/0275; 5.3.2021, Ra 2019/22/0234).
Hingegen steht der Umstand bereits zuvor vorhandener, jedoch trotz durchgeführter Ermittlungen vorläufig nicht bestätigter Verdachtsmomente hinsichtlich des Eingehens einer Aufenthaltsehe einer späteren Wiederaufnahme wegen „Erschleichen“ gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen nicht entgegen (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0226; neuerlich Ra 2019/22/0234).
6.1. Nach dem Vorgesagten wäre die Wiederaufnahme wegen „Erschleichen“ dann ausgeschlossen, wenn die Behörde - wie der Revisionswerber unter anderem behauptet - die ihr mögliche Sachverhaltsermittlung hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe unterlassen hätte.
Laut der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs setzt die diesbezügliche Beurteilung freilich voraus, dass die Partei konkret aufzeigt, inwiefern dem betreffenden Verfahren ein Ermittlungsmangel hinsichtlich des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe anhafte (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2018/22/0032; 23.11.2017, Ra 2017/22/0185).
Vorliegend wird mit dem bloßen Vorbringen, die Behörde habe im Zuge des Verfahrens zur Titelerteilung im Juni 2014 keine Ermittlungen in Bezug auf den naheliegenden Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe durchgeführt, nicht konkret aufgezeigt, inwiefern den in den Jahren 2012 und 2013 abgeschlossenen (den Erstantrag und den ersten Verlängerungsantrag betreffenden) Verfahren ein - ein „Erschleichen“ ausschließender - Verfahrensmangel anhaften sollte.
6.2. Entgegen der vom Revisionswerber offenbar vertretenen Auffassung ergibt sich weder aus § 69 AVG noch aus der ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung zu den Folgen des Unterlassens einer - der Behörde möglichen - Sachverhaltsermittlung, dass die Behörde verpflichtet gewesen wäre, die in den Jahren 2012 und 2013 abgeschlossenen Verfahren zum ehestmöglichen Zeitpunkt (nach Ansicht des Revisionswerbers im Juni 2014) wiederaufzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss die Behörde die Wiederaufnahme nicht binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem sie vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einleiten. § 69 Abs. 3 AVG bindet nämlich die Behörde ausdrücklich nur an die Bedingungen des Abs. 1, sodass klar ist, dass die in § 69 Abs. 2 AVG gesetzte Fallfrist nur für die Parteien gilt, welche einen Wiederaufnahmeabspruch geltend machen wollen (vgl. VwGH 14.2.2018, Ra 2017/22/0173, mwN).
Aus dem Umstand, dass im Verfahren betreffend die Titelerteilung im Juni 2014 allenfalls ein - die Annahme eines Erschleichens ausschließender - Verfahrensmangel vorlag, kann - wie dargelegt - jedenfalls nicht geschlossen werden, dass der auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG gestützten Wiederaufnahme der in den Jahren 2012 und 2013 abgeschlossenen Verfahren ein derartiger Verfahrensmangel zugrunde lag.
7. Was die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Titelerteilung im Juni 2014 anbelangt, so begegnet auch diese keinen Bedenken.
Die - unter Berufung auf die vorgebliche Ehe des Revisionswerbers mit N V herbeigeführte - Erteilung eines Aufenthaltstitels in den vorangehenden Verfahren war Voraussetzung (vgl. näher § 27 Abs. 1 NAG) für die positive Erledigung des Verlängerungs- und Zweckänderungsantrags nach erfolgter Ehescheidung. Die Wiederaufnahme der vorangehenden Verfahren (betreffend die Titelerteilung im Juni 2012 und im Juni 2013) führt mittelbar auch zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Titelerteilung im Juni 2014 (vgl. VwGH 20.5.2021, Ra 2020/22/0234, 0235).
8. Insgesamt wird daher in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 8.1.2020, Ra 2017/22/0049) keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 14. Juli 2021
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018220017.L00Im RIS seit
05.08.2021Zuletzt aktualisiert am
31.08.2021