TE Vwgh Beschluss 2021/7/21 Ra 2020/11/0093

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
LSD-BG 2016 §19 Abs1
LSD-BG 2016 §22 Abs1
LSD-BG 2016 §28 Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des D E in K (Deutschland), vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. März 2020, Zl. LVwG-302579/8/KLe/HK, betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 25. Oktober 2019 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als Verantwortlicher der in Deutschland ansässigen E. GmbH, die Arbeitgeberin im Sinne (u.a.) des § 19 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz (LSD-BG) von sechs näher genannten Arbeitnehmern (mit deutscher bzw. polnischer Staatsangehörigkeit) sei, zu verantworten, dass für diese Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Entsendung nach Österreich am 20. November 2018 - im einzelnen angeführte - Lohnunterlagen (je nach Arbeitnehmer: Unterlagen betreffend die Lohneinstufung und Lohnaufzeichnungen) an deren Arbeitsort im Inland nicht bereitgehalten worden seien. Wegen Übertretung jeweils des § 22 Abs. 1 LSD-BG wurden über den Revisionswerber gemäß § 28 Z 1 LSD-BG sechs Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ihm ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vorgeschrieben.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht (nach durchgeführter mündlicher Verhandlung) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das genannte Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches ab und gab dieser bezüglich der Strafhöhe insofern Folge, als (anstelle der sechs Strafen) „eine Gesamtstrafe“ in Höhe von € 8.000,-- verhängt und der Kostenbeitrag entsprechend herabgesetzt wurde. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3        In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht als maßgebenden Sachverhalt fest, die genannten sechs Arbeitnehmer seien von der E. GmbH, wie sich aus deren ZKO3-(Entsende)Meldungen ergebe, als Arbeitgeberin nach Österreich zum Zwecke der Umsetzung eines Bauvorhabens der K. GmbH entsendet worden. Festgestellt wurden weiters die Namen jener (nach der Aktenlage ausländischen) Unternehmen, bei welchen die in Rede stehenden sechs Arbeitnehmer „angestellt“ bzw. „beschäftigt“ seien.

4        Zum angelasteten Zeitpunkt der Kontrolle der Baustelle seien die genannten Lohnunterlagen nicht bereitgehalten worden. Daran ändere deren nachträgliche Übermittlung an die Behörde nichts, sodass der Revisionswerber den Tatbestand des § 22 Abs. 1 LSD-BG erfüllt habe.

5        Zur Strafhöhe wurde auf das Erkenntnis VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, verwiesen, nach welchem aufgrund unionsrechtlicher Erfordernisse für die gegenständlichen Übertretungen nur eine Gesamtstrafe zu verhängen sei. Für diese sei (angesichts der Zahl der Arbeitnehmer und einer festgestellten einschlägigen Vorstrafe des Revisionswerbers) gemäß § 28 Z 1 (vierter Strafsatz) LSD-BG eine Strafe bis zu € 50.000,-- vorgesehen, sodass die nunmehr verhängte (eine) Geldstrafe im untersten Bereich des Strafrahmens bemessen sei.

6        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

10       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).

11       Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG), BGBl. I Nr. 44/2016 in der zum angelasteten Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 64/2017, lautet auszugsweise:

„§ 19. (1) Arbeitgeber und Überlasser mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben die Beschäftigung von nach Österreich entsandten Arbeitnehmern und nach Österreich überlassenen Arbeitskräften zu melden. Die Meldung hat für jede Entsendung oder Überlassung gesondert zu erfolgen. ... Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Meldepflichten nach diesem Absatz und den Abs. 2 und 3 als Arbeitgeber.

...

§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der §§ ... oder 19 Abs. 1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne ..., ...., Lohnaufzeichnungen, ... und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat.

...

§ 28. Wer als

1.   Arbeitgeber entgegen § 22 Abs. 1 oder Abs. 1a die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

2.   Überlasser im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 22 Abs. 2 die Lohnunterlagen dem Beschäftiger nicht nachweislich bereitstellt, oder

3.   Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 22 Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

...“

12       Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision geht über weite Strecken dahin, das Verwaltungsgericht sei bei der Bestätigung des Schuldspruches von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG und dem dort genannten Erfordernis der richtigen Umschreibung der erwiesenen Tat abgewichen, weil gegenständlich „das Nichtbereithalten von Lohnunterlagen nach dem Wortlaut des § 28 Z 1 LSD-BG tatbildlich ist und die Zahl der betretenen/betroffenen Arbeiter lediglich für die Strafzumessung ausschlaggebend ist“.

13       Die Revision vermag jedoch keine Entscheidung zu benennen, in welcher der Verwaltungsgerichtshof eine mit dem gegenständlichen Tatvorwurf vergleichbare Tatumschreibung im Grunde des § 44a Z 1 VStG als unzureichend bzw. rechtswidrig erkannt hätte, und zeigt insbesondere auch nicht auf, weshalb die Tatumschreibung den beiden maßgebenden Anforderungen, nämlich der Wahrung der Verteidigungsrechte und dem Schutz vor Doppelbestrafung (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2017/11/0301, zum vergleichbaren Delikt nach dem AVRAG) nicht entsprechen sollte. Dies gilt umso mehr, als gegenständlich im Spruch die nicht bereit gehaltenen Lohnunterlagen - und zwar hinsichtlich jedes der sechs betroffenen Arbeitnehmer - ausdrücklich genannt werden.

14       Da somit nicht aufgezeigt wird, dass die - notwendigerweise einzelfallbezogene - Tatumschreibung nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden wäre, ist die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht revisibel (vgl. Rz 33 des bereits zitierten Erkenntnisses Ra 2017/11/0301).

15       Dem Einwand, es hätten Feststellungen getroffen werden müssen, welche Angaben „den vom Revisionswerber vorgelegten Dokumenten zu entnehmen waren“, fehlt schon der Bezug zum gegenständlichen Delikt (Nichtbereithaltung von Unterlagen), sodass mit diesem Einwand schon deshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird.

16       Auch das Zulässigkeitsvorbringen der Revision (Pkt. 2.2.2.), es fehle Rechtsprechung, ob es rechtens sei, „dem Arbeitgeber für jeden einzelnen betretenen Arbeiter eine separate Geldstrafe zu verhängen“, geht schon deshalb ins Leere, weil das Verwaltungsgericht gegenständlich trotz mehrerer betroffener Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf die hg. Judikatur (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034) nur eine Geldstrafe verhängt hat.

17       Schließlich weist die Revision im Rahmen ihrer Zulässigkeitsausführungen (Pkt. 2.3.2.) darauf hin, dass die betretenen Arbeitnehmer (auch nach den erwähnten Feststellungen des Verwaltungsgerichts) bei anderen Gesellschaften bzw. juristischen Personen beschäftigt seien, und nicht bei der E. GmbH (als deren Verantwortlicher der Revisionswerber bestraft wurde). Der im angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegte Tatbestand des § 28 Z 1 LSD-BG richte sich ausschließlich an den Arbeitgeber, wohingegen der Überlasser gemäß Z 2 und der Beschäftiger gemäß Z 3 LSD-BG strafbar seien.

18       Soweit die Revision mit diesen vagen Ausführungen ins Treffen führen möchte, die in Rede stehenden Arbeitskräfte seien der vom Revisionswerber vertretenen E. GmbH (bloß) überlassen worden, sodass dieser als Beschäftiger (§ 28 Z 3 LSD-BG) und nicht als Arbeitgeber zu bestrafen gewesen wäre, wird übersehen, dass die letztgenannte Bestimmung nur im Falle einer „grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung“ zur Anwendung käme. Dass dies gegenständlich der Fall sei, wird weder konkret behauptet noch finden sich dafür sonst Anhaltspunkte. Vielmehr bezeichnete sich die vom Revisionswerber vertretene E. GmbH in den aktenkundigen ZKO3-(Entsende)Meldungen selbst als Arbeitgeberin.

19       Dies entspricht auch dem klaren Wortlaut des § 22 Abs. 1 LSD-BG, der auf den Arbeitgeber im Sinne (u.a.) des § 19 Abs. 1 leg. cit. abstellt. Nach dem letzten Satz der letztgenannten Bestimmung gilt als Arbeitgeber auch ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet.

20       Daher wird auch mit der Andeutung, dass die - von der E. GmbH unstrittig nach Österreich zur Arbeitsleistung entsendeten - Arbeitskräfte die Arbeitnehmer eines Dritten sind, keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

21       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110093.L00

Im RIS seit

09.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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