TE OGH 2021/5/27 5Ob9/21s

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Veröffentlicht am 27.05.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der Antragsteller 1. J*****, 2. F*****, 3. R*****, 4. A*****, 5. M*****, 6. S*****, 7. C*****, 8. U*****, 9. H*****, 10. U*****, 11. D*****, 12. E*****, 13. H*****, 14. P*****, 15. J*****, 16. S*****, 17. G*****, 18. C*****, 19. C*****, 20. S*****, 21. S*****, alle *****, vertreten durch Franz Strümpf, Verein Mieter Informieren Mieter, *****, gegen die Antragsgegnerinnen 1. „d*****“ *****, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, 2. E*****, wegen § 22 Abs 1 Z 10 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. August 2020, GZ 40 R 229/19a-23, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 17. Dezember 2018, GZ 4 Msch 23/13z-11, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller sind schuldig, der Erstantragsgegnerin binnen 14 Tagen deren mit 938,52 EUR (darin 156,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Antragsgegnerinnen sind Bauberechtigte an einer Liegenschaft, die Antragsteller sind Mieter von Wohnungen in dem auf der Liegenschaft errichteten Gebäude. Sie begehren die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2010.

[2]       Das Erstgericht stellte fest, dass die Antragsgegnerin gegenüber den Antragstellern durch Vorschreibung näher bezeichneter Beträge für Versicherung, Lift und Wartung sowie durch das Weglassen von 25 % der Einnahmen aus Vermietung von PKW-/Motorradabstellplätzen in näher bezeichnetem Ausmaß das gesetzliche Zinsausmaß überschritten hätten.

[3]       Das Rekursgericht gab den Rekursen der Antragsteller und der Erstantragsgegnerin Folge, hob diesen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das zu beurteilende Haus sei eine einzige Baulichkeit im Sinn des WGG, die Antragsgegnerinnen seien beide Vermieterinnen. Daher sei allen Mietern eine einheitliche Abrechnung zu legen, die Aufspaltung der Verrechnung in „Wohnhausanlage“, „Geschäftslokal“ und „Garage“ sei im WGG nicht gedeckt. Die Betriebskostenabrechnung habe auf die Gesamtnutzfläche abzustellen, der Aufteilungsschlüssel den Anteil des Geschäftslokals zu berücksichtigen und die Abrechnung auch jene Betriebskosten einzubeziehen, die den Mietern des Geschäftslokals und der Garagenplätze jeweils allein verrechnet worden seien, soweit nicht § 21 Abs 3 vierter Satz MRG iVm § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG anzuwenden sei. Bei der Position „Lift“ seien wegen des Vollwartungsvertrags, der auch größere Reparaturen beinhalte, nur 50 % der Kosten als Betriebskosten anzuerkennen. Die Verrechnung eines Mehrbetrags von 1.080 EUR für Liftwartung sei unzulässig gewesen. Auch die Position „PKW-/Motorradabstellplätze“ sei gerichtsanhängig geworden und zu entscheiden gewesen. Ein eigener Verrechnungskreis nur dafür sei nach dem WGG nicht zulässig. Feststellungen zur Veränderung der Betriebskosten des Jahres 2010 gegenüber dem Jahr 2009 fehlten. Bei der Sturmschadenversicherung habe das Erstgericht zu Unrecht den unzulässig verrechneten Betrag nicht von der Gesamtprämie, sondern von dem den Wohnungsmietern verrechneten Anteil abgezogen. Wartungskosten der Druckbelüftungsanlage von 1.040 EUR seien als Betriebskosten für sonstige Gemeinschaftsanlagen im Sinn des § 24 Abs 2 MRG auf die Mieter überwälzbar.

[4]       Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob das WGG getrennte Abrechnungskreise für die Betriebskosten ermögliche, wenn
in der Baulichkeit – horizontal getrennt – unterschiedliche „Einheiten“ vorhanden seien, die von den Bauberechtigten separat bewirtschaftet werden. Sei dies im Sinn der Auffassung des Rekursgerichts nicht zulässig, wäre die Klarstellung erforderlich, ob sämtliche bisher nur gegenüber einem Teil der Mieter in Ansatz gebrachten Betriebskosten nunmehr (nachträglich durch Zusammenführung der Abrechnungen) gegenüber allen Mietern verrechenbar sind oder die Präklusion des § 21 Abs 3 vierter Satz MRG iVm § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG zur Anwendung kommt.

[5]       Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller, in dem sie beantragen „dem Revisionsrekurs stattzugeben und die beiden Rechtsfragen im Sinn der Ausführungen des Rekursgerichts zu entscheiden“.

[6]       Die Erstantragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als verspätet, hilfsweise mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen. Die Zweitantragsgegnerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[7]       Der Revisionsrekurs ist zwar rechtzeitig, allerdings ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 3 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig.

[8]       1. Der Beschluss des Rekursgerichts wurde dem Vertreter der Antragsteller am 3. 9. 2020 zugestellt, die den Revisionsrekurs am 30. 9. 2020 zur Post gegeben haben. Die vierwöchige Revisionsrekursfrist nach § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG ist daher gewahrt.

[9]       2.1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof setzt voraus, dass der Rechtsmittelwerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen in seinen Rechtsmittelausführungen auch aufgreift. Er muss wenigstens in Ansätzen versuchen eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzuwerfen, bei deren Beurteilung er von der Rechtsansicht der zweiten Instanz abweicht (RIS-Justiz RS0102059 [T13]; jüngst 5 Ob 150/20z mwN). Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RS0102059 [T8, T18]; 5 Ob 150/20z).

[10]     2.2. Die Antragsteller bezweifeln in ihrem Revisionsrekurs die Richtigkeit der Lösung der vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Rechtsfragen nicht. Sie vertreten vielmehr selbst die Auffassung, dass die von den Antragsgegnerinnen gewählte Form der „getrennten Abrechnungskreise“ bei der Verrechnung der Betriebskosten für die einheitliche Baulichkeit nicht dem WGG entsprächen und erklären ausdrücklich, die Rechtsansicht des Rekursgerichts zur Gänze zu teilen. Auch zur nachträglichen Zusammenführung der bisher getrennten Abrechnungen für die Wohnungen, Geschäftslokale und die Garagenplätze stimmen die Antragsteller der Rechtsansicht des Rekursgerichts zu, wonach diese Abrechnungen – zumindest rechnerisch – nachträglich soweit zusammenzufassen seien als nicht einzelne Betriebskostenpositionen im Sinn des § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG iVm § 21 Abs 3 vierter Satz MRG bereits präkludiert sind. Eine nähere Stellungnahme dazu erübrigt sich daher.

[11]     3. Andere erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zeigen die Antragsteller nicht auf.

[12]     4. Damit ist der Revisionsrekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059). Einer weiteren Begründung bedarf dies nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 22 Abs 4 WGG, § 37 Abs 3 Z 16 MRG).

[13]           5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, der im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses obsiegenden Erstantragsgegnerin die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen, in der sie auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat (RS0122294 [T1, T2]).

Textnummer

E132256

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00009.21S.0527.000

Im RIS seit

04.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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