TE OGH 2021/6/25 8Ob48/21y

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Veröffentlicht am 25.06.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** H*****, vertreten durch Dr. Stefan Joachimsthaler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. H***** H*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 7.859,42 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.693,30 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 26. August 2020, GZ 21 R 128/20m-18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 15. April 2020, GZ 11 C 1407/19p-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit sie im Umfang des Zuspruchs von 166,12 EUR sA nicht in Rechtskraft erwachsen sind, aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]       Der Kläger nimmt den Beklagten als seinen vormaligen Rechtsanwalt aus dem Titel der Anwaltshaftung auf Zahlung von 7.859,42 EUR in Anspruch. Weil die erblasserische Witwe dem Kläger nur den halben Pflichtteil ausbezahlt habe, habe der Beklagte für ihn auf die Zahlung des restlichen Pflichtteils geklagt. Der Beklagte habe den Kläger nie darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass die rechtliche Vaterschaft des Erblassers zum Kläger nicht entsprechend nachweisbar sein sollte, der Prozessverlust drohte. Der Einwand der fehlenden rechtlichen Vaterschaft sei ein zumindest erwartbarer Einwand der Gegenseite gewesen, auf den der Beklagte Bedacht zu nehmen gehabt hätte, und von der Witwe sodann auch tatsächlich erhoben worden. Hätte der Beklagte den Kläger darüber belehrt, dass der Pflichtteilsanspruch von einem Vaterschaftsanerkenntnis oder Vaterschaftsfeststellungsurteil abhänge und er die Klage bei Bestreitung seiner Abstammung verlieren werde, wenn nichts dergleichen vorliege, so hätte der Kläger keinen Auftrag zur Klageführung erteilt. Der Beklagte habe dem Kläger den ihm entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser bestehe in den vom Kläger der obsiegenden Witwe ersetzten Prozesskosten in Höhe von 1.788,02 EUR und 1.194,72 EUR sowie in den eigenen Prozesskosten des Klägers von 2.370,44 EUR und 2.340,12 EUR (jeweils Verfahren erster bzw zweiter Instanz). Außerdem habe der Beklagte von dem an ihn von der Witwe überwiesenen halben Pflichtteil aufgrund eines Abrechnungsfehlers 166,12 EUR zu Unrecht einbehalten.

[2]            Der Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Die Vaterschaft des Erblassers zum Kläger sei von der Witwe niemals substantiiert bestritten worden. In der Berichtigung des halben Pflichtteilsanspruchs habe vielmehr ein schlüssiges Anerkenntnis der Abstammung des Klägers vom Erblasser gelegen. Der Beklagte habe ungeachtet dessen den Kläger mehrfach befragt, ob er über Urkunden verfüge, die seine Abstammung vom Erblasser nachweisen, was der Kläger verneint habe. Der Kläger habe auch keine Angaben darüber machen können, bei welcher Behörde nach derartigen Urkunden angefragt werden hätte können. Da nach dem Gang des Verlassenschaftsverfahrens kein Zweifel an der Vaterschaft des Erblassers bestanden habe, habe weder eine Veranlassung noch eine Möglichkeit bestanden, nach 70 Jahre alten Personenstandsurkunden des Klägers zu suchen. Der Beklagte habe namens des Klägers auf Zahlung des restlichen Pflichtteils geklagt, weil die Voraussetzungen des § 776 ABGB für eine Pflichtteils-
minderung nicht vorgelegen hätten. Anknüpfungspunkte für die Suche nach einem Vaterschaftsanerkenntnis hätten sich erst in der (ersten und letzten) Tagsatzung vom 7. 11. 2018 im Vorprozess ergeben, in der die dort beklagte Witwe informativ mitgeteilt habe, der Erblasser könnte ein Anerkenntnis vor dem Magistratischen Bezirksamt abgegeben haben.

[3]            Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

[4]       Der 1949 geborene Kläger wurde mit Schreiben eines Notars vom 22. 11. 2017 für 6. 12. 2017 zu einer Tagsatzung zur Besprechung des Pflichtteils in der Verlassenschaft nach dem am 11. 7. 2017 verstorbenen W***** K***** eingeladen. Weiters wurde ihm eine Kopie des Testaments vom 10. 3. 2004 übermittelt. Darin beschränkte der Erblasser „hiemit meinen Sohn R***** H*****, [= Kläger; Anm] auf den gesetzlichen Pflichtteil“ und ordnete „die Minderung dieses Pflichtteiles auf die Hälfte an, da zwischen mir und meinem vorgenannten Kind zu keiner Zeit ein Naheverhältnis bestand, wie es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht“.

[5]       Erst dadurch erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass W***** K***** sein leiblicher Vater war, zumal sich aus seinen eigenen Personenstandsurkunden nichts dergleichen ergab und ihm kein entsprechender Abstammungsnachweis vorlag. Dies teilte der Kläger bei der Tagsatzung am 6. 12. 2017 im Notariat mit. In weiterer Folge wurde das Testament des Verstorbenen sowie der Pflichtteilsanspruch und dessen testamentarisch angeordnete Minderung erörtert.

[6]       Nach dieser Tagsatzung traf sich der Kläger mit der Witwe S***** K*****. Diese setzte ihn in Kenntnis darüber, dass der Verstorbene vom Kläger als seinem Sohn gesprochen und auch für ihn Unterhalt geleistet hatte, allerdings auf Wunsch der Mutter des Klägers nicht als sein Vater aufgetreten war.

[7]       Noch im Dezember 2017 konsultierte der Kläger den Beklagten. Er informierte ihn zunächst darüber, dass er durch das Schreiben des Notars und die Kopie des Testaments von der Existenz seines leiblichen Vaters erfahren und dieser ihn nicht nur auf den Pflichtteil gesetzt, sondern diesen mangels Naheverhältnis sogar gemindert habe. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass ihn mangels Kenntnis seiner Abstammung kein Verschulden daran treffe, dass zu Lebzeiten kein wie in einer Familie üblicherweise gegebenes Naheverhältnis bestand, der gesamte Pflichtteil aber nicht im Verlassenschafts-, sondern in einem Zivilverfahren geltend gemacht werden müsse. Auf die Frage des Beklagten nach einem Abstammungsnachweis erklärte der Kläger, dass es einen solchen nicht gebe.

[8]       Der Beklagte übernahm in weiterer Folge die Vertretung des Klägers im Verlassenschaftsverfahren. Die Abstammung des Klägers wurde im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens zu keinem Zeitpunkt bestritten. Die Verlassenschaft wurde schließlich mit Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 9. 3. 2018 aufgrund des Testaments der Witwe eingeantwortet.

[9]       Nach Aufforderung durch den Beklagten ging am 18. 4. 2018 ein Betrag in Höhe von 11.219,52 EUR auf dem Kanzleikonto des Beklagten ein. Dieser Betrag entsprach dem halben Pflichtteil des Klägers.

[10]     Da der Kläger auch die zweite Hälfte des Pflichtteils lukrieren wollte, beauftragte er den Beklagten, unter Berufung auf die Unzulässigkeit der Pflichtteilsverkürzung den Pflichtteilsanspruch gegen die Witwe geltend zu machen und erforderlichenfalls eine Klage einzubringen. Die neuerliche Frage des Beklagten nach einem formellen Abstammungsnachweis verneinte der Kläger abermals. Zur Untermauerung des Umstands, dass ein Abstammungsnachweis nicht existiere, übergab er dem Beklagten seine Geburtsurkunde, seinen Taufschein, seine Heiratsurkunde und seinen Trauschein. Aus keiner dieser Urkunden geht der Vater des Klägers hervor. Wenngleich die Gründe für den Verlust eines derartigen Zivilverfahrens auch nicht im Detail erörtert wurden, so war dem Kläger dennoch bewusst, dass das Risiko eines Prozessverlusts bestehe. Der Kläger erteilte dem Beklagten jedoch keinen Auftrag, seine Herkunft oder Abstammung zu recherchieren oder entsprechende Dokumente beizuschaffen, er gab ihm nicht einmal nähere Informationen zu seinem Geburtsort oder zu seinem Wohnsitz nach der Geburt.

[11]     Mit Schreiben vom 27. 6. 2018 stellte der Beklagte dem Kläger seine Leistungen im Verlassenschaftsverfahren (Konferenz, Telefonate, Briefe) mit 1.113,14 EUR in Rechnung. Weiters gab er die Kosten für die einzubringende Mahnklage einschließlich der zu entrichtenden Pauschalgebühr ordnungsgemäß mit 1.511,12 EUR bekannt. Diese Beträge behielt er von dem auf seinem Kanzleikonto eingelangten Betrag von 11.219,52 EUR ein und überwies den Restbetrag von 8.595,26 EUR an den Kläger.

[12]     Die Witwe leistete der an sie ebenfalls mit Schreiben vom 27. 6. 2018 ergangenen Aufforderung des Beklagten, auch die zweite Hälfte des Pflichtteilsanspruchs zu berichtigen, keine Folge. Vielmehr lehnte sie eine solche Zahlung unter Berufung auf das mangelnde Naheverhältnis mit Schreiben vom 11. 7. 2018 ausdrücklich ab.

[13]     Der Beklagte brachte am 17. 7. 2018 beim Bezirksgericht Floridsdorf gegen die Witwe eine Mahnklage über 11.219,52 EUR (restliche Pflichtteilshälfte) zuzüglich Nebenspesen in Höhe von 1.113,14 EUR (Vertretungskosten Verlassenschaftsverfahren) ein. Infolge Unschlüssigkeit der Nebenforderung erging kein Zahlungsbefehl, sondern wurde für 7. 11. 2018 eine vorbereitende Tagsatzung anberaumt.

[14]     In ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 15. 10. 2018 berief sich die Witwe abermals darauf, dass ein Naheverhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Kläger nicht bestanden habe. In Unkenntnis eines allfälligen formellen Anerkenntnisses bestritt sie unter einem vorsichtshalber auch die Abstammung des Klägers von W***** K*****.

[15]     Diesen vorbereitenden Schriftsatz übermittelte der Beklagte dem Kläger mittels E-Mail. Zwar erörterte er den Inhalt dieses Schriftsatzes nicht im Detail mit dem Kläger, er wies aber in einem Telefonat vor der Tagsatzung vom 7. 11. 2018 neuerlich darauf hin, dass eine Abstammungsurkunde von Vorteil wäre. Der Beklagte bekam abermals zur Antwort, dass eine solche nicht existiere.

[16]     In der Tagsatzung vom 7. 11. 2018 vor dem Bezirksgericht Floridsdorf gab der Richter bekannt, dass aus seiner Sicht für das Bestehen seines Pflichtteilsanspruchs erforderlich sei, dass die Vaterschaft des Erblassers zum Kläger auch rechtlich feststehe. Ein diesbezügliches Vorbringen vermochte nach dem Verhandlungsprotokoll die Klageseite nicht zu erstatten. Der Richter erörterte hierauf, dass die Klage vermutlich schon aus diesem Grund abzuweisen sein werde und dass der Kläger ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren einleiten müsse, um nach Feststellung der Vaterschaft des Erblassers zu ihm allenfalls eine neue Klage einzubringen. Nach weiterer Erörterung der Frage des Ausschlusses der Pflichtteilsminderung nach § 776 Abs 2 ABGB wurde die Verhandlung geschlossen.

[17]     Erst im Anschluss an diese Tagsatzung kam im Zuge einer Erörterung der Sachlage zwischen dem Kläger, seiner Schwester und dem Beklagten auf einmal zur Sprache, dass beim Magistratischen Bezirksamt Brigittenau als Wohnsitzbehörde des Klägers nach seiner Geburt ein Vaterschaftsanerkenntnis des Verstorbenen aufliegen könnte. Der Kläger nahm zur Behörde Kontakt auf und gelangte auf diese Weise wenige Tage später in den Besitz einer Ablichtung einer vom ***** 1949 stammenden Niederschrift des Bezirksjugendamts Brigittenau über eine mit W***** K***** erfolgte Amtshandlung. Diese hat auszugsweise folgenden Inhalt (Beilage ./A; vgl RIS-Justiz RS0121557 [T3]): „Ich gebe zu, mit der Kindesmutter H***** E***** wohnhaft ***** in der gesetzlichen Empfängniszeit. d. i. in der Zeit vom 14. 11. 1948 bis 16. 3. 1949 geschlechtlich verkehrt zu haben. […] Über Antrag des Obengenannten schließt das gefertigte Bezirksjugendamt als Vormund des mj. H***** R***** folgenden Vergleich: Herr K***** W***** anerkennt die Vaterschaft zu dem von H***** E***** laut Geburtenbuch Nr. ***** des Standesamtes A***** am ***** 1949 außerehelich geborenen Kinde H***** R*****. Er verpflichtet sich, für dieses Kind […].“ (Regelung des Unterhalts, Anm)

[18]     Mit klageabweisendem Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf wurde der Witwe ein Kostenersatz in Höhe von 1.788,02 EUR zuerkannt. Der nicht mehr vom Beklagten, sondern vom nunmehrigen Klagevertreter erhobenen Berufung wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien keine Folge gegeben und der Witwe ein weiterer Kostenersatz in Höhe von 1.194,72 EUR zugesprochen. Diese Beträge überwies der Kläger an den Rechtsvertreter der Witwe. Der Oberste Gerichtshof wurde im Vorprozess nicht angerufen.

[19]     Der Beklagte rechnete seine aus dem Verfahren des Bezirksgerichts Floridsdorf resultierenden Leistungen mit Honorarnote vom 12. 12. 2018 ab. Sein sich unter Berücksichtigung lediglich des einfachen Einheitssatzes ordnungsgemäß ergebendes Honorar in Höhe von 1.590 EUR netto pauschalierte er mit 1.350 EUR netto. Zuzüglich ERV-Kosten, Umsatzsteuer und Pauschalgebühr errechnete sich schließlich ein Betrag in Höhe von 2.370,44 EUR statt eines sich auf Basis des RATG ergebenden Betrags in Höhe von 2.658,44 EUR. Abzüglich eines Akontos von 1.345,90 EUR stellte sich der laut Honorarnote aushaftende Betrag auf 1.024,54 EUR. Dieser Betrag wurde vom Kläger an den Beklagten überwiesen.

[20]     Der nunmehrige Klagevertreter stellte dem Kläger für die Berufung im Vorprozess einen Betrag in Höhe von 1.197,12 EUR in Rechnung.

[21]     Rechtlich nahm das Erstgericht den Standpunkt ein, dem Beklagten könne kein Verschulden am Verlust des Pflichtteilsverfahrens angelastet werden. Er habe auf die Richtigkeit der Information des Klägers, es gebe kein Vaterschaftsanerkenntnis, vertrauen dürfen. Weil bis zum Vorbringen der Witwe in ihrem vorbereitenden Schriftsatz für den Beklagten keine Veranlassung bestanden habe, die Abstammung des Klägers in Zweifel zu ziehen, sei diese doch im Verlassenschaftsverfahren zu keinem Zeitpunkt bestritten gewesen, habe der Beklagte bei Klageeinbringung auch ohne Abstammungsnachweis davon ausgehen können und dürfen, dass die Vaterschaft des Verstorbenen auch weiterhin unbestritten bleibe. Erst der vorbereitende Schriftsatz der Witwe und die darin enthaltene Bestreitung vorsichtshalber habe einen Hinweis auf die Problemlage geboten. Dies habe aber beim Beklagten auch keine weitergehende Verpflichtung als die erfolgte Weiterleitung des Schriftsatzes an den Kläger ausgelöst. Zwar sei ein Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten verpflichtet, diesen bei jeder maßgeblichen Änderung der Sach- oder Rechtslage auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen hinzuweisen. Der Kläger habe aber die neuerliche Frage des Beklagten nach dem Vorliegen eines Abstammungsnachweises im Zuge eines Telefonats vor der Verhandlung am 7. 11. 2018 neuerlich verneint und dem Beklagten auch keine weiteren Informationen gegeben. Erst das Gespräch zwischen dem Beklagten, dem Kläger und dessen Schwester nach der Verhandlung im Vorprozess habe die bisherige Informationslage in Zweifel gezogen, allein sei aufgrund des Neuerungsverbots zu diesem Zeitpunkt die Vorlage eines Vaterschaftsanerkenntnisses ohnehin nicht mehr möglich gewesen.

[22]     Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Ersturteil dahin ab, dass es aufgrund eines vom Berufungsgericht angenommenen Abrechnungsfehlers des Beklagten dem Kläger 166,12 EUR samt Zinsen seit 1. 2. 2019 zusprach. Im Übrigen bestätigte es unter Hinweis auf die Richtigkeit der erstinstanzlichen Beurteilung (§ 500a Satz 2 ZPO) die Abweisung der Klage. Ergänzend führte das Berufungsgericht aus, es sei entgegen dem Rechtsstandpunkt des Klägers nicht zutreffend, dass ohne rechtlich festgestellte Vaterschaft ein Pflichtteilsprozess nicht zu gewinnen wäre. Das Verfahren über den Pflichtteilsanspruch sei nach den Vorschriften der ZPO durchzuführen, sodass auch die Bestimmungen der §§ 266, 267 ZPO zur Anwendung gelangten. Der Beklagte habe sich stets darauf berufen, dass die Prozessgegnerin im Pflichtteilsprozess die Vaterschaft im Verlassenschaftsverfahren nie bestritten und immerhin auch den halben Pflichtteil angewiesen habe. Damit habe er sich in Wahrheit auf ein Geständnis der Verfahrensgegnerin nach den §§ 266, 267 ZPO sowie darauf, dass dessentwegen im Pflichtteilsprozess ein Obsiegen möglich gewesen wäre, berufen. Der Vorwurf des Klägers an den Beklagten, er hätte wissen müssen, dass ohne rechtliche Vaterschaftsfeststellung eine Pflichtteilsklage nicht zu gewinnen wäre, berücksichtige nicht, dass im Zivilprozess die Dispositionsmaxime herrsche und hier das Gericht von den Parteien nicht aufgeworfene Umstände nicht zu hinterfragen habe. Es könne deshalb nicht gesagt werden, dass der Beklagte unter allen Umständen hätte wissen müssen, dass ohne Vaterschaftsanerkenntnis kein erfolgreicher Pflichtteilsprozess geführt werden könnte. Für seinen Standpunkt habe immerhin gesprochen, dass die Witwe die Hälfte des Pflichtteilsanspruchs bereits überwiesen hatte. Der Schwerpunkt ihres Bestreitungsvorbringens sei zumindest zunächst tatsächlich darin gelegen, dass mangels ausreichenden Naheverhältnisses dem Kläger nicht mehr als der halbe Pflichtteil zustünde. Die Witwe habe auch nicht bestritten, dass der Verstorbene tatsächlich der Vater des Klägers war, sondern vielmehr mangels Wissens bestritten, dass ein Vaterschaftsanerkenntnis vorliegen würde. Vor dem Hintergrund all dieser Details sei nicht zu erkennen, dass die vom Beklagten eingebrachte Klage jedenfalls zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Es wäre durchaus denkbar gewesen, dass die Witwe die Vaterschaft bzw das Vorliegen eines Vaterschaftsan-
erkenntnisses nicht bestreiten und einem positiven Verfahrensausgang insofern nichts entgegenstehen würde. Damit sei nicht erkennbar, dass der Beklagte dem Kläger von der Pflichtteilsklage abraten und davon ausgehen hätte müssen, den Prozess nicht erfolgreich führen zu können, wenn er keine Vaterschaftsurkunde in Händen habe.

[23]     Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, der Kläger habe dem Beklagten nicht nur vorgeworfen, dass er den Prozess nicht hätte führen dürfen, sondern auch eine Aufklärungspflicht- bzw Warnpflichtverletzung, womit sich das Berufungsgericht aber nicht befasst habe.

[24]     Der Zuspruch von 166,12 EUR samt Zinsen erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

[25]     Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit einem auf gänzliche Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

[26]     Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr den Erfolg zu versagen.

[27]     Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig und im Sinne des Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrags auch berechtigt.

[28]     In der Revision releviert der Kläger das Fehlen von Feststellungen zu seinem Vorbringen, dass der Kläger dann, wenn er ausdrücklich darüber belehrt worden wäre, dass der Pflichtteilsanspruch von einem Vaterschaftsanerkenntnis oder einem Feststellungsurteil abhänge und er die Klage bei Bestreitung seiner Abstammung verlieren werde, wenn nichts dergleichen vorliege, keinen Auftrag zur Klageführung erteilt hätte. Das Erstgericht hätte klare und deutliche Feststellungen darüber treffen müssen, ob eine solche Warnung des Klägers durch den Beklagten erfolgte und ob der Kläger angesichts einer solchen Warnung sich auf die Klageeinbringung eingelassen hätte. Der Beklagte hätte gerade nach den vom Kläger negativ beantworteten Nachfragen nach „Abstammungsnachweisen“ davon ausgehen müssen, dass weder ein Vaterschafts-
anerkenntnis noch -feststellungsurteil existiere und daher der Prozessausgang alleine von der Disposition der Witwe abhing, die Abstammung des Klägers vom Erblasser zu bestreiten oder unbestritten zu lassen. Vor diesem Hintergrund sei die Pflichtteilsklage hochriskant gewesen, was eine Warnpflicht des Beklagten gegenüber seinem damaligen Mandanten, dem Kläger, ausgelöst habe. Dem Berufungsurteil sei nicht zu entnehmen, ob die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Vorbringen zur Verletzung der Warnpflicht darauf zurückzuführen sei, dass das Berufungsgericht dieses übersehen oder in unvertretbarer Weise unvollständig interpretiert habe, oder es sich deshalb nicht damit auseinandergesetzt habe, weil es die unrichtige Rechtsansicht vertritt, den Beklagten habe keine Warnpflicht gegenüber dem damals von ihm vertretenen Kläger getroffen. Im ersten Fall läge ein revisibler Verfahrensmangel vor; im zweiten Fall eine unrichtige materiell-rechtliche Beurteilung. Ergebnis beider Mängel sei, dass die getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ausreichten, um über das Klagebegehren abschließend abzusprechen.

Rechtliche Beurteilung

[29]     Der Kläger befindet sich damit im Sinne seines Eventualantrags im Recht.

[30]     1. Der Kläger machte gegen die erblasserische Witwe und Erbin einen Teil seines (vermeintlichen) Pflichtteilsrechts geltend. Pflichtteilsberechtigt sind gemäß § 757 ABGB die Nachkommen sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen. Die Pflichtteils-
berechtigung setzt wie das gesetzliche Erbrecht die allseitig wirkende Feststellung der Abstammung voraus. Eine bloße vorfrageweise Feststellung genügt nach allgemeiner Ansicht wegen (heute) § 140 ABGB, wonach die nach diesem Gesetzbuch begründete Abstammung und deren Änderung sowie die Feststellung der Nichtabstammung gegenüber jedermann wirken, nicht; dies sowohl dann, wenn eine allseitig wirkende Abstammung feststeht und vom Erben die Annahme der Nichtabstammung angestrebt wird (8 Ob 49/13h; Hopf/Höllwerth in KBB6 § 140 Rz 1; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 731 Rz 4), als auch dann, wenn es an einer allseitig wirkenden Abstammung fehlt und vom Pflichtteilskläger die Annahme der Abstammung angestrebt wird (Apathy/Musger in KBB6 § 730 Rz 3, § 757 Rz 1; Bittner/Hawel in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 757 Rz 1; Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 757 Rz 1; allgemein Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 138a Rz 6).

[31]           2. Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächti-
gungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenswahrung und zur Rechtsbetreuung (RS0112203). Eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts besteht auch in Bezug auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstandpunkts (RS0112203 [T3]).

[32]           Im vorliegenden Fall war auch aufgrund der mehrmaligen Nachfrage des Beklagten klar, dass der Kläger zum Zeitpunkt der geplanten Klageführung und im Laufe des Verfahrens erster Instanz über keinen formellen Nachweis über die Vaterschaft des Erblassers zu ihm verfügte. Selbst wenn die Witwe im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens die Vaterschaft ihres verstorbenen Ehegatten zum Kläger nicht bestritt, so wäre der Prozesserfolg im Pflichtteilsprozess unter Zugrundelegung der unter Punkt 1. referierten allgemeinen Rechtsansicht nur im eher unwahrscheinlichen Fall möglich gewesen, dass die Witwe dort das Klagebegehren anerkennt oder zumindest außer Streit stellt, dass es sich beim Kläger auch rechtlich um den Sohn des Erblassers handelt. Die Aufklärung des Beklagten hätte daher den Umstand umfassen müssen, dass grundsätzlich – und jedenfalls für den Fall, dass die Witwe die Vaterschaft bestreitet – ein formeller Abstammungsnachweis erforderlich ist, um im Pfichtteilsprozess durchzudringen.

[33]           3. Das Erstgericht stellte fest, dass wenngleich die Gründe für den Verlust eines derartigen Zivilverfahrens auch nicht im Detail erörtert wurden, so dem Kläger dennoch bewusst war, dass das Risiko eines Prozessverlusts besteht. „Der Kläger erteilte dem Kläger jedoch keinen Auftrag, seine Herkunft oder Abstammung zu recherchieren oder entsprechende Dokumente beizuschaffen.“ Diese Feststellungen sind unklar. Einerseits wird konstatiert, dass Gründe für den Verlust eines derartigen Zivilverfahrens „auch nicht im Detail erörtert“ wurden. Andererseits könnte aus dem Wort „jedoch“ abgeleitet werden, dass sich der Kläger auch ohne eine diesbezügliche Aufklärung durch den Beklagten des Umstands bewusst war, dass gerade das Fehlen eines förmlichen Vaterschaftsnachweises zum Prozessverlust führen könnte. Der Oberste Gerichtshof vermag daher der Bemängelung des Klägers in seiner Revision nicht entgegenzutreten, dass es an klaren und deutlichen Feststellungen fehlt, ob eine Warnung durch den Beklagten dahin erfolgte, dass der Pflichtteilsanspruch von einem Vaterschaftsanerkenntnis oder -feststellungsurteil abhänge und der Kläger die Klage bei Bestreitung seiner Abstammung verlieren könnte, wenn nichts dergleichen vorliege, aber auch darüber, von welchem Prozessverlustrisiko der Kläger konkret ausging.

[34]           4. Eine unrichtige oder unterbliebene Beratung (Aufklärung) des Rechtsanwalts berechtigt in der Regel nur zum Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Es ist nur die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre. Hängt der Erfolg der Schadenersatzklage gegen den Rechtsanwalt davon ab, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, so muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf der Geschehnisse unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte. Der Geschädigte hat darzustellen, was er bei erfolgter Aufklärung durch den Rechtsanwalt unternommen hätte (RS0022706 [T7, T8, T9], RS0023549 [T28, T29, T30]).

[35]           Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger nicht, so gestellt zu werden, wie er stünde, wäre er mit seiner Pflichtteilsklage durchgedrungen. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die als Beilage ./A im Akt erliegende Niederschrift des Bezirksjugendamts die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanerkennung nach
der – aufgrund von Art X § 2 Abs 2 UeKindG, BGBl 1970/342 (zur Fortgeltung dieses Gesetzes siehe Anlage 1 des 2. BRBG, BGBl I 2018/61), insofern nach wie vor maßgeblichen – seinerzeitigen Rechtslage erfüllt und infolge dessen aufgrund von Art X § 3 Abs 2 (iVm Abs 1) UeKindG ein Vaterschaftsanerkenntnis mit Wirkung gegenüber jedermann vorliegt, sodass der Kläger – entgegen dem Ausgang des Vorprozesses – pflichteilsberechtigt iSd § 757 ABGB war (vgl 4 Ob 501/96 mwN). Keiner Erörterung bedarf daher insbesondere auch, ob den Gerichten im Vorprozess ein Fehler unterlief, indem sie entgegen der nach Art X § 3 Abs 2 UeKindG bzw zudem (heute) § 140 ABGB gegenüber jedermann – und damit auch gegenüber Zivilgerichten (Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 138a Rz 4 mwN) – wirkenden Abstammung (hier qua Vaterschaftsanerkenntnis) den Kläger nicht als Sohn des Erblassers behandelten und von einer amtswegigen Erforschung der durch das Testament bereits indizierten Abstammung Abstand nahmen, oder ob die Gerichte im Vorprozess mangels eines entsprechenden Vorbringens des Klägers zu Recht davon ausgingen, dass der Erblasser nicht dessen Vater im Rechtssinne war. Auf den hypothetischen Ausgang des Vorprozesses bei Relevierung dieser Rechtsfragen in der damaligen (nicht mehr vom Beklagten eingebrachten) Berufung oder einer (tatsächlich nicht erhobenen) Revision ist somit nicht einzugehen.

[36]           Der Kläger brachte vielmehr vor, er hätte die Pflichtteilsklage nicht erhoben, hätte der Beklagte ihn über den drohenden Prozessverlust aufgrund Fehlens eines Vaterschaftsanerkenntnisses aufgeklärt, und begehrt konsequenterweise so gestellt zu werden, wie er ohne Einbringung der Pflichtteilsklage stünde. Damit fehlen aber, wie zutreffend in der Revision erkannt, Feststellungen zum hypothetischen Kausalverlauf, nämlich was mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl statt vieler 7 Ob 89/20v [Pkt 2.2.] mwN) passiert wäre, hätte der Beklagte dem Kläger die von ihm vermisste Aufklärung zukommen lassen. Es liegt insofern ein sekundärer Feststellungsmangel vor.

[37]           4. Zusammengefasst werden im fortgesetzten Verfahren klare Feststellungen dazu zu treffen sein, ob der Beklagte den Kläger hinsichtlich des drohenden Prozessverlusts aufgrund Fehlens eines Vaterschaftsnachweises aufgeklärt hat oder der Kläger allenfalls auch ohne Aufklärung bereits in Kenntnis dieser Gefahr war, sowie zum hypothetischen Kausalverlauf, wie sich der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhalten hätte, hätte der Beklagte ihm mitgeteilt, dass sein Anspruch von einem Vaterschafts-
anerkenntnis oder von einem Vaterschaftsfeststellungsurteil abhänge, und er die Klage verlieren werde, wenn nichts dergleichen vorliege, es sei denn die Abstammung werde von der Witwe nicht bestritten.

[38]           5. Der Kostenvorbehalt ist Folge der Urteilsaufhebung (Fucik in Rechberger, ZPO5 § 52 Rz 6).

Textnummer

E132317

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00048.21Y.0625.000

Im RIS seit

04.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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