Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. März 1995, Zl. R/4-B-008/000, betreffend Behandlungsauftrag nach § 32 AWG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Mandatsbescheid vom 9. Juli 1993 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) den Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 1 AWG in Verbindung mit § 57 AVG, die auf dem Grundstück Parzelle Nr. 272/2, KG. T, im Grünstreifen zwischen der Ortsstraße und dem Gehsteig konsenslos abgelagerten "ca. acht nicht mehr verwendungsfähigen Bildschirmgeräte sowie diverse Elektronikteile in Schachteln und Kisten" binnen einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides zu entfernen und nachweislich (in Form von Begleitscheinen) einem befugten Abfallsammler zu übergeben. Ferner ordnete die BH an, der Beschwerdeführer habe die Nachweise über die ordnungsgemäße Übergabe der zuvor angeführten "Materialien" unaufgefordert der BH zu übermitteln.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Parallel dazu erhob er auch Berufung an den Landeshauptmann von Niederösterreich.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1993 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung als unzulässig zurück.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 1993 gab die BH der Vorstellung des Beschwerdeführers "keine Folge" und "bestätigte" den Bescheid vom 9. Juli 1993 dahingehend, daß der Beschwerdeführer verpflichtet sei, "die 13 Fernsehapparate und Elektronikschrott-Teile", die in der Zwischenzeit am Bauhof der Marktgemeinde T zwischengelagert wurden, binnen einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides zu entfernen und nachweislich (in Form von Begleitscheinen) einem befugten Abfallsammler zu übergeben. Ferner trug die BH die unaufgeforderte Übermittlung der Nachweise über die ordnungsgemäße Übergabe dieser "Materialien" auf und schrieb dem Beschwerdeführer den Ersatz der bis dahin der Gemeinde aufgelaufenen Kosten im Ausmaß von S 1.320,-- vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1994 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich der Berufung unter Bezugaufnahme auf § 32 Abs. 1 AWG und § 66 Abs. 4 AVG Folge und behob den Bescheid der BH Baden vom 6. Dezember 1993.
In der Begründung dieses Bescheides führte der Landeshauptmann unter anderem aus, daß für die Erlassung eines Mandatsbescheides nach § 57 Abs. 1 AVG im Rahmen eines Behandlungsauftrages nach § 32 AWG "kein Platz" sei. § 32 AWG sehe bei Vorliegen von Gefahr im Verzug nur einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vor. Da die Erlassung eines Mandatsbescheides gemäß § 57 Abs. 1 AVG im Rahmen eines Behandlungsauftrages nach § 32 AWG nicht zulässig sei, habe die BH den Mandatsbescheid vom 7. Juli 1993 nicht mit Bescheid vom 6. Dezember 1993 bestätigen dürfen.
Mit Ersatzbescheid vom 27. Dezember 1994 trug die BH dem Beschwerdeführer - gestützt auf § 32 AWG - mit Spruchpunkt I neuerlich auf, die ursprünglich von diesem auf dem Grundstück Nr. 272/2, KG. T, im Grünstreifen zwischen Ortsstraße und dem Gehsteig konsenslos abgelagerten und in der Zwischenzeit im Bauhof der Gemeinde T zwischengelagerten "ca. 8 nicht mehr verwendungsfähigen Bildschirmgeräte sowie diverse Elektronikteile in Schachteln oder Kisten" binnen einer Woche ab Zustellung des Bescheides nachweislich (in Form von Begleitscheinen) einem befugten Abfallsammler zur Entsorgung zu übergeben. Ferner wurde neuerlich die umgehende Übermittlung der entsprechenden Nachweise und (unter Spruchpunkt II) ein Kostenersatz in der Höhe von S 1.320,-- vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. März 1995 gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG hinsichtlich Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides vom 27. Dezember 1994 keine Folge und änderte diesen Spruchpunkt dahingehend ab, daß das Wort "ca." ersatzlos gestrichen und die Erfüllungsfrist mit einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides bemessen wird.
Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter anderem aus, es sei aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers klar ersichtlich, daß er bezüglich der abgelagerten Materialien Entledigungsabsicht im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG gehabt habe, weil er diese auf dem Grünstreifen eines fremden Grundstückes abgestellt habe, um sie im Rahmen einer Sperrmüllsammlung der Gemeinde (T) einer Entsorgung zuzuführen. Es liege daher Abfall im Sinne des AWG vor.
Aus dem Gutachten des (bereits im Verfahren vor der Behörde erster Instanz beigezogenen) Amtssachverständigen vom 2. Juli 1993 gehe hervor, daß es sich bei den Bildschirmgeräten und den Elektronikschrotteilen aufgrund der in den Abfällen enthaltenen Bestandteile um gefährlichen Abfall handle.
Ergänzend verwies die belangte Behörde auch auf einen Erlaß des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom 22. Jänner 1993, wonach Bildschirmgeräte einschließlich Fernsehgeräte und sonstiger Elektronikschrott aufgrund der darin enthaltenen Bestandteile jedenfalls gefährlicher Abfall seien.
Gemäß § 17 Abs. 1 AWG sei das Ablagern von gefährlichen Abfällen außerhalb genehmigter Abfallanlagen unzulässig. Vom Beschwerdeführer seien die gegenständlichen gefährlichen Abfälle auf einer hiefür nicht bewilligten Fläche abgelagert worden, weshalb diese Ablagerung bzw. "Entsorgung" von "acht Bildschirmen" und Elektronikschrott rechtswidrig gewesen sei. Es sei daher ein entsprechender Auftrag gemäß § 32 AWG zu erlassen gewesen. Die Frist von einer Woche sei ausreichend und angemessen, um den gegenständlichen gefährlichen Abfall einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen. Ein Abfallbehandlungsauftrag nach dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz komme nicht in Frage, weil dieses Gesetz nicht auf gefährliche Abfälle anzuwenden sei.
Auch wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgen würde, daß es sich bei den abgelagerten Abfällen um Problemstoffe handle, wäre ein Behandlungsauftrag nach § 32 AWG zulässig. Gemäß § 12 Abs. 3 AWG dürften Problemstoffe nicht in die Haus- und Sperrmüllabfuhr eingebracht werden und nicht außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen gelagert werden. Dadurch, daß der Beschwerdeführer die gegenständlichen Materialien auf einer dafür nicht genehmigten Fläche abgelagert habe, habe er jedenfalls gegen § 12 Abs. 3 AWG verstoßen. Sohin wäre auch unter der Annahme, daß die abgelagerten Abfälle Problemstoffe darstellen, die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 32 zulässig gewesen.
Da es sich aufgrund der von der Behörde erster Instanz getroffenen Sachverhaltsfeststellungen um acht Bildschirmgeräte gehandelt habe, sei der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides entsprechend zu ändern gewesen. Gleichzeitig habe auch die Erfüllungsfrist neu bestimmt werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Der Beschwerdeführer macht die Verletzung des gesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erlassung eines Behandlungsauftrages gemäß § 32 AWG nur bei Vorliegen der in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen und der Verletzung des Rechtes "auf den gesetzlichen Richter" geltend.
Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, der angefochtene Bescheid gehe in der Begründung davon aus, daß es sich bei den acht Bildschirmgeräten und dem Elektronikschrott um gefährlichen Abfall im Sinne des AWG handle. Die belangte Behörde beziehe sich dabei auf das Gutachten des Amtssachverständigen Dr. M. vom 2. Juli 1993 und einen näher bezeichneten Erlaß des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom 22. Jänner 1993. Der zuletzt genannte Erlaß sei als interner Verwaltungsakt, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich sei, denkbar ungeeignet, die Frage nach der rechtlichen Einordnung der gegenständlichen Bildschirme und Elektronikteile zu bewirken. Gemäß § 2 Abs. 7 AWG habe der Bundesminister durch Verordnung festzusetzen, welche Abfälle ihrer Art nach als gefährliche Abfälle (Abs. 5) oder als Problemstoffe (Abs. 6) im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten. Dies sei abschließend hinsichtlich der Problemstoffe durch die Verordnung BGBl. Nr. 711/1991 und hinsichtlich der gefährlichen Abfälle durch die Verordnung BGBl. Nr. 49/1991 erfolgt. Die Aufzählung der Problemstoffe und der gefährlichen Abfälle sei taxativ.
Weder die Bildschirmgeräte noch die Elektronikteile seien in den zitierten Verordnungen aufgeführt. Diese Gegenstände könnten daher nicht als Problemstoffe oder als gefährliche Abfälle gelten, weshalb die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 32 AWG mangels Erfüllung des Tatbestandes unzulässig gewesen sei.
Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen Dr. M. vom 2. Juli 1993 gehe auch nicht hervor, daß in den gegenständlichen Bildschirmgeräten und Elektronikteilen Substanzen enthalten seien, die als Problemstoffe oder gefährliche Abfälle im Sinne des AWG gelten würden. Es liege daher hinsichtlich der Qualifizierung dieser Gegenstände als gefährliche Abfälle eine unrichtige rechtliche Beurteilung sowie ein Feststellungsmangel durch die belangte Behörde vor.
Ferner vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, § 32 AWG stelle nur auf Problemstoffe und Altöle ab. Hinsichtlich gefährlicher Abfälle - unter die laut Meinung der belangten Behörde die Bildschirmgeräte und der Elektronikschrott fallen sollen - sei ein Behandlungsauftrag nach § 32 AWG nicht vorgesehen. Es sei aber nicht festgestellt worden, daß es sich bei den Bildschirmgeräten und beim Elektronikschrott um "Problemstoffe oder Altöle" handle. Ein Behandlungsauftrag sei daher hinsichtlich der als gefährliche Abfälle qualifizierten Sachen unzulässig.
Hinsichtlich des Sachverhalts, der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liege, sei bereits mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 16. Juni 1994 rechtskräftig entschieden worden. Durch die nochmalige Entscheidung durch die belangte Behörde sei der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf den gesetzlichen Richter" (gemeint wohl: Beachtung des Grundsatzes "ne bis in idem") verletzt worden. Dies stelle einen besonders schweren Vollzugsfehler dar. Im übrigen verwies der Beschwerdeführer auf seine sonstigen Beschwerdeausführungen, die er bereits im Zuge der Stellung seines Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe vor dem Verwaltungsgerichtshof vorbrachte.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der grundsätzliche Einwand des Beschwerdeführers, es liege im Hinblick auf den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Juni 1994 entschiedene Sache vor, sodaß der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig sei, setzt voraus, daß zwischen dem angefochtenen Bescheid vom 7. März 1995 und jenem Bescheid der belangten Behörde vom 16. Juni 1994 Identität der Sache gegeben ist.
Zwar hat die Behörde in beiden Fällen über die Frage der Rechtmäßigkeit eines von der Behörde erster Instanz erteilten Behandlungsauftrages nach § 32 AWG bezüglich jeweils derselben Gegenstände entschieden, jedoch bezog sich die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides durch den zuletzt genannten Bescheid vom 16. Juni 1994 - wie aus den bereits dargestellten tragenden Entscheidungsgründen hervorgeht - auf die Frage der Zulässigkeit der "Bestätigung" eines von der Behörde erster Instanz zunächst nach § 57 AVG erlassenen Mandatsbescheides durch den nachfolgenden, im Verwaltungsverfahren von der Behörde erster Instanz mit 6. Dezember 1993 datierten Bescheid. Die belangte Behörde vertrat in jenem Bescheid vom 16. Juni 1994 die Auffassung, daß für die Erlassung eines Mandatsbescheides gemäß § 57 AVG "im Rahmen eines Behandlungsauftrages kein Platz" sei und hob aus diesem Grund den seinerzeitigen erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Dezember 1993 auf. Kein Hinweis findet sich hingegen in jener Entscheidung aus dem Jahre 1994, ob die Erlassung eines Behandlungsauftrags nach § 32 AWG gegenüber dem Beschwerdeführer hinsichtlich der genannten Abfälle schlechthin unzulässig sei. Insoweit entfaltet dieser Bescheid keine Bindungswirkung und liegt auch nicht entschiedene Sache gegenüber dem angefochtenen Bescheid vom 7. März 1995 vor.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann gerade auch bei "gefährlichen Abfällen" ein Behandlungsauftrag nach § 32 AWG erteilt werden. Wenngleich das Gesetz diesen Begriff in § 32 Abs. 1 leg. cit. nicht ausdrücklich nennt, fallen die gefährlichen Abfälle unter den Begriff "andere Abfälle - soweit für diese Abfälle Bestimmungen hinsichtlich der Sammlung, Lagerung, Behandlung und Transport in diesem Bundesgesetz vorgesehen sind -". Der gesamte Abschnitt IV des AWG befaßt sich insbesondere mit Regelungen betreffend die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von gefährlichen Abfällen, sodaß die in § 32 Abs. 1 leg. cit. hinsichtlich "anderer Abfälle" ausgeführte einschränkende Voraussetzung für die Erlassung von Behandlungsaufträgen in bezug auf "gefährliche Abfälle" schon aufgrund des Gesetzes selbst gegeben ist.
Hingegen rügt der Beschwerdeführer zu Recht, daß die Ergebnisse des bislang durchgeführten behördlichen Ermittlungsverfahrens - insbesondere auch das eingeholte Sachverständigengutachten vom 2. Juli 1993 - nicht die von der belangten Behörde vorgenommene Subsumtion der gegenständlichen Bildschirmgeräte und des Elektronikschrotts unter den Begriff "gefährlicher Abfall" zu decken vermögen.
Nach § 2 Abs. 5 AWG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 434/1996 sind gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 erforderlich ist. Durch Verordnungen können ÖNORMEN verbindlich erklärt werden.
Gemäß § 2 Abs. 7 AWG hat der Bundesminister für Umwelt (nunmehr Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie; siehe auch BGBl. Teil I Nr. 21/1997) mit Verordnung festzusetzen, welche Abfälle ihrer Art nach als gefährliche Abfälle (Abs. 5) oder als Problemstoffe (Abs. 6) im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 96/07/0013, näher dargelegt hat, stellt die Definition der gefährlichen Abfälle im § 2 Abs. 5 AWG (in der vorgenannten Fassung) lediglich eine Determinierung für die der Konkretisierung gefährlicher Abfälle dienende Verordnung dar, nicht aber unmittelbare Grundlage für die Einstufung eines bestimmten Abfallstoffes als gefährlicher Abfall im Einzelfall. Die vom Bundesminister nach § 2 Abs. 7 AWG erlassene Verordnung BGBl. Nr. 49/1991 enthält keine bloße Teilerfassung gefährlicher Abfälle, sondern eine Gesamterfassung; Abfälle, die von der Verordnung nicht erfaßt sind, sind keine gefährlichen Abfälle (vgl. neuerlich das vorgenannte hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996).
Wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist, hat der Beschwerdeführer insbesondere in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Ersatzbescheid vom 27. Dezember 1994 entschieden in Abrede gestellt, daß es sich bei den genannten Gegenständen um "gefährliche Abfälle" handle.
Die belangte Behörde hält im angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 2. Juli 1993, nach dem Bildschirmgeräte gefährliche Abfälle darstellen, entgegen und führt ergänzend aus, der Beschwerdeführer habe keine "Gegenmeinung" auf gleicher fachlicher Ebene vorgelegt.
Wie jedoch aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist, hat der genannte Amtssachverständige die Eigenschaft der gegenständlichen Materialien als Problemstoffe verneint und sie "als gefährliche Abfälle" im Sinne des AWG qualifiziert, ohne jedoch näher auszuführen, ob diese Materialien aufgrund der Verordnung BGBl. Nr. 49/1991 einer der Schlüsselnummern der ÖNORM S 2101 (siehe § 1 dieser Verordnung) oder einer der Ziffern des § 2 dieser Verordnung zugeordnet werden können. Damit fehlt es jedoch einer schlüssigen und für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Ableitung, daß die gegenständlichen Materialien tatsächlich "gefährliche Abfälle" im Sinne der dargelegten Rechtslage sind.
Äußerungen, die unüberprüfbare Behauptungen enthalten, und nicht Erwägungen aufzeigen, aufgrund derer der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt sind, können nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 318, unter E. 125 zu § 45 Abs. 2 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).
Die die Beibringung eines "qualifizierten" Gegengutachtens betreffende Mitwirkungspflicht der Partei im Verwaltungsverfahren hat jedoch das Vorliegen eines mängelfreien Sachverständigengutachtens, auf das sich die Behörde bei ihrer Entscheidung in rechtlich unbedenklicher Weise stützen darf, zur Voraussetzung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. April 1984, Zlen. 83/07/0381, 0382). Den Beschwerdeführer traf daher im Lichte der dargestellten Judikatur im Beschwerdefall keine Verpflichtung, diesem "Gutachten" auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.
Auch die hilfsweise Argumentation der belangten Behörde, Bildschirmgeräte (inklusive Fernsehgeräte) und sonstiger Elektronikschrott seien - wie sich aus einem näher genannten Erlaß des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom 22. Jänner 1993 ergebe - aufgrund der enthaltenen Bestandteile "jedenfalls gefährlicher Abfall" vermag den angefochtenen Bescheid gleichfalls nicht rechtlich zu stützen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 96/07/0013, weiter ausführte, ist eine Zuordnung von Sachen als gefährliche Abfälle im Sinne der Verordnung BGBl. Nr. 49/1991 keine ausschließliche Rechtsfrage, sondern bedarf auch entsprechender, im allgemeinen nur unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen möglicher Sachverhaltsermittlungen.
Die Bezugnahme auf den genannten Erlaß des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie, der gegenüber dem Beschwerdeführer keine rechtsverbindlichen Wirkungen etwa im Sinne einer Verordnung entfalten kann, vermag die erforderlichen konkreten Sachverhaltsermittlungen in bezug auf die gegenständlichen Bildschirmgeräte und den - im übrigen bislang nicht näher determinierten - Elektronikschrott ("diverse Elektronikteile in Schachteln oder Kisten") nicht zu ersetzen, um diese Stoffe als "gefährliche Abfälle" im Sinne der dargestellten Judikatur qualifizieren zu können. Abgesehen davon wurde dieser Erlaß dem Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens - soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich ist - nicht im Rahmen des Parteiengehörs vorgehalten, sodaß der Beschwerdeführer bislang im Verwaltungsverfahren hiezu nicht Stellung nehmen konnte.
Auch die bereits in der Begründung des erstinstanzlichen Ersatzbescheides vom 27. Dezember 1994 enthaltenen allgemeinen Ausführungen (deren Quelle von der Behörde nicht näher angeführt wurde) über mögliche gefährliche Stoffe in Fernsehgeräten zeigen nicht die konkret zu beurteilende Gefährlichkeit der tatsächlich vorgefundenen Geräte und Materialien, die der Beschwerdeführer seinerzeit für die von der Gemeinde veranstaltete Sammlung von Sperrmüll und Problemstoffen auf einem fremden Grundstück bereitgestellt hat, im Sinne der dargestellten Rechtslage auf.
Ferner ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, inwieweit die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hilfsweise von der Möglichkeit der Subsumtion der gegenständlichen Materialien unter dem Begriff "Problemstoffe" ausgeht. Schon in dem von der belangten Behörde zitierten "Gutachten" vom 2. Juli 1993 wird nämlich darauf hingewiesen, daß es sich dabei "nicht um Problemstoffe im Sinne des AWG" handle, weil "die festgestellte Menge nicht einem in privaten Haushalten üblicherweise anfallenden Abfallaufkommen" entspreche. Abgesehen von dem in dieser Stellungnahme durchaus zutreffend dargestellten Mengenaspekt, der eine Qualifikation dieser Materialien als Problemstoffe im Hinblick auf die Definition nach § 2 Abs. 6 AWG ausschließen würde, erfordert diese Qualifikation - aufgrund der gleichgelagerten Regelung zu "gefährlichen Abfällen" - tunlichst auf sachkundiger Ebene durchzuführende Ermittlungsschritte seitens der Behörde, um den Nachweis einer Subsumtionsmöglichkeit der in der Verordnung BGBl. Nr. 771/1991 angeführten Stoffe sachgerecht erbringen zu können. Auch diesbezüglich fehlt es sachverhaltsbezogen an schlüssigen und für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Ableitungen seitens der Behörde.
Ferner ist im Zuge des durchgeführten Verwaltungsverfahrens nicht hervorgekommen, daß die gegenständlichen Materialien unter eine andere Kategorie von Abfällen, für die nach § 32 Abs. 1 AWG ein Behandlungsauftrag erteilt werden könnte, fallen würden.
Da die belangte Behörde aus den dargelegten Gründen in Verkennung der Rechtslage auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse von der Zulässigkeit der Erteilung eines Behandlungsauftrages nach § 32 Abs. 1 AWG gegenüber dem Beschwerdeführer ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 gefährlicher Abfall gefährliche Abfälle anderer Abfall andere AbfälleBeweismittel SachverständigengutachtenVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtSachverhalt Mitwirkungspflicht VerschweigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995070065.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
09.02.2012