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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Altersgrenze für die Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten mangels Legitimation bzw mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen; kein aktueller Eingriff in die Rechte der Antragstellerin mangels Anstellungsverhältnis zu einem Notar; Rechtsmittel gegen die Verweigerung der Eintragung gegebenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Die Antragstellerin begehrt, gestützt auf Art140 Abs1 (Schlußsatz) B-VG, den zweiten Satz des §117 a Abs2 Notariatsordnung - NO, RGBl. 75/1871 idF BGBl. 692/1993, wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot des Art7 Abs1 B-VG und gegen die "Freiheit der Berufswahl" gemäß Art18 StGG als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. Die für die vorliegende Rechtssache maßgebenden - und im angefochtenen Umfang unterstrichenen - Bestimmungen des VII. Hauptstücks der NO über Notariatskandidaten und Notariatssubstituten lauten in ihrem Zusammenhang:
"§117 (1) Der Notar kann in seiner Kanzlei Angestellte unter seiner Leitung und Aufsicht zum Notariat heranbilden.
(2) Notariatskandidaten sind diese Angestellten nur, wenn sie in das bei der Notariatskammer geführte Verzeichnis der Notariatskandidaten eingetragen sind. Die Eintragung ist auf Anzeige des Notars vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen hiefür gegeben sind.
...
§117 a (1) Die Notariatskammer hat ein Verzeichnis über sämtliche Notariatskandidaten ihres Sprengels zu führen.
(2) Auf die Anzeige des Notars (§117 Abs2) darf als Notariatskandidat in dieses Verzeichnis nur eingetragen werden, wer nachweist, daß er österreichischer Staatsbürger und von ehrenhaftem Vorleben ist, das Studium der Rechtswissenschaften im Sinn des §6 Abs1 litb zurückgelegt und mindestens neun Monate bei einem inländischen Gericht in rechtsberuflicher Tätigkeit verbracht hat. Außerdem darf er an dem Tag, mit dem seine erstmalige Eintragung wirksam würde, das 35. Lebensjahr nicht vollendet haben; eine neuerliche Eintragung in ein Verzeichnis nach dem 35. Lebensjahr ist nur zulässig, wenn der Betreffende bereits insgesamt mindestens ein Jahr als Notariatskandidat in einem Verzeichnis eingetragen gewesen ist. Der Nachweis der mindestens neunmonatigen Gerichtspraxis ist nur bei der erstmaligen Eintragung zu erbringen.
(3) Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs2 kann die Eintragung aus einem wichtigen Grund verweigert werden; solche sind besonders mangelnde Vertrauenswürdigkeit, anstößiger oder liederlicher Lebenswandel; zerrüttete Vermögensverhältnisse oder unzureichende Ausbildungsmöglichkeit.
(4) Über die Eintragung hat die Notariatskammer zu entscheiden. Soll die Eintragung verweigert werden, so hat die Notariatskammer den Bewerber und den Notar zu hören. Gegen die Entscheidung über die Eintragung steht sowohl dem Bewerber als auch dem anzeigenden Notar die Berufung (§138) zu."
1.3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie für die Zurückweisung, in eventu für die Abweisung des Antrags eintrat.
2. Über den Antrag wurde erwogen:
2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheids für diese Person wirksam geworden ist ...". Ein solcher Antrag hat gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VerfGG 1953 die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Weiters ist darin (auch) darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheids für diese Person tatsächlich wirksam wurde (§62 Abs1 letzter Satz VerfGG 1953).
2.2. Zu §117 a Abs2 zweiter Satz, erster Teil NO:
2.2.1. Die Anfechtungswerberin führt zur Unmittelbarkeit des Eingriffs in ihre Rechte aus, ein namentlich genannter Notar habe ihre Beschäftigung als Notariatskandidatin ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß sie sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten erfülle. Abgesehen davon, könne sie den ausbildenden Notar nicht dazu verhalten, eine Anzeige zur Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten einzureichen. Selbst wenn eine Anzeige auf Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten an die Notariatskammer erginge, hätte die Antragstellerin im Eintragungsverfahren keine Parteistellung; sie könnte somit gegen eine Verweigerung dieser Eintragung auch kein (zulässiges) Rechtsmittel erheben.
2.2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof - beginnend mit VfSlg. 8009/1977 - in ständiger Judikatur ausspricht, setzt die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG nicht nur voraus, daß die antragstellende Partei behauptet, durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein, sondern sie erfordert auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheids, wirksam wurde. Grundlegende und unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden (natürlichen oder juristischen) Person berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen jenen Anforderungen genügen, die Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung der Antragslegitimation aufstellt (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, VfGH 16.12.1994 G241/93).
Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß das Gesetz selbst unmittelbar tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. An einem "unmittelbaren" Eingriff fehlt es, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen generellen Norm zugefügten - Rechtsverletzung zur Verfügung steht (s. zB VfSlg. 10251/1984).
2.2.3. Die eine Antragslegitimation begründenden Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend darlegt. Die angefochtene Norm kann sich ihrem Inhalt nach nur auf Angehörige des im §117 Abs1 NO umschriebenen Personenkreises, nämlich auf Notariatsangestellte beziehen, die im Fall der Eintragung in ein bei der Notariatskammer geführtes Verzeichnis "Notariatskandidaten" sind. Da die Antragstellerin nach ihrem Vorbringen in keinem Anstellungsverhältnis zu einem Notar steht, kann die bekämpfte Norm also schon deswegen in ihre Rechte gar nicht aktuell eingreifen. Daß es später zu einem solchen Eingriff kommen mag, begründet die Antragslegitimation für sich allein noch nicht (VfSlg. 11685/1988). Geht die Antragstellerin aber ein Anstellungsverhältnis ein, bei dem die Heranbildung "zum Notariat" vereinbart wird, so stellt die Anzeigeerstattung an die Notariatskammer nach §117 Abs2 NO eine vertragliche Nebenpflicht des Notars dar. Dabei wäre die Anzeige einer bereits über 35jährigen Notariatsangestellten zur Eintragung in die Liste der Kandidaten dann keinesfalls standeswidrig, wenn der Notar darlegt, daß auch er ein Interesse an der Prüfung der Verfassungskonformität des einfachgesetzlich festgelegten Eintrittsalters für Notariatskandidaten habe.
Die Antragstellerin ist im übrigen nicht im Recht, wenn sie vermeint, in einem über die Verweigerung der Eintragung in die Liste der Notariatskandidaten abzuführenden Verfahren komme ihr keine Parteistellung zu. Denn nach §117 a Abs4 NO hat die Notariatskammer, so sie die Eintragung in das Verzeichnis zu verweigern beabsichtigt, den Notar und den Bewerber zu hören; gegen die Entscheidung über die Eintragung steht sowohl dem anzeigenden Notar als auch dem Bewerber das Rechtsmittel der Berufung an den Oberlandesgerichtspräsidenten zu (§117 a Abs4 iVm §138 Abs1 Z1 NO). Die Antragstellerin könnte daher einen über ihre Berufung gegen die Entscheidung der Notariatskammer (im Eintragungsverfahren) ergehenden Bescheid des Oberlandesgerichtspräsidenten infolge Erschöpfung des administrativen Instanzenzugs (s. §138 Abs1 Z2 NO) beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG bekämpfen; in diesem Zusammenhang wäre es ihr auch möglich, die behauptete Verfassungswidrigkeit der einem solchen Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen geltend zu machen (VfSlg. 8063/1977, 9041/1981, 9459/1982, 11346/1987, 12975/1992).
2.3. Zu §117 a Abs2 zweiter Satz, zweiter Teil NO:
Die Bekämpfung der Vorschrift über die Zulässigkeit einer neuerlichen Eintragung in ein Verzeichnis nach dem 35. Lebensjahr (§117 a Abs2 Satz 2, zweiter Teil NO) scheitert schon daran, daß in der Eingabe, die sich ausschließlich mit der Ersteintragung beschäftigt, Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser vom ersten Teilsatz des zweiten Satzes in §117 a Abs2 NO trennbaren Gesetzesbestimmung nicht im einzelnen dargelegt wurden (§62 Abs1 Satz 2 VerfGG 1953): Ein Antrag, der solche Darlegungen nicht enthält, leidet an einem unbehebbaren Formgebrechen, das notwendig zur Zurückweisung führt (vgl. VfSlg. 11610/1988, 11970/1989, 13168/1992).
2.4. Der (Individual-)Antrag war daher aus den in den Abschnitten 2.2. und 2.3. näher ausgebreiteten Gründen zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
2.5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litc und e VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Notare, Berufsrecht Notare, VfGH / Individualantrag, Parteistellung Notare, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G287.1994Dokumentnummer
JFT_10049387_94G00287_00