Entscheidungsdatum
09.06.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MG §8 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, geb am **.**.****, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Y vom 06.04.2021, Zahl ***, betreffend einer Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im angefochtenen Spruch die 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung in der Fassung „BGBl II Nr 58/2021“ und das COVID-19-Maßnahmengesetz in der Fassung
„BGBl I Nr 23/2021“ zu zitieren ist.
2. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 60,- zu leisten.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„Sie, Herr AA, geb. am **.**.****, haben am 14.02.2021 um 01:50 Uhr in Y, Adresse 2, folgende Verwaltungsübertretung begangen: Sie haben sich zu oben angeführter Zeit am oben angeführten Ort zusammen mit mehreren Personen, welche nicht im gemeinsamen Haushalt leben, aufgehalten, um den Sieg von BB zu feiern, und haben somit in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr Ihren privaten Wohnbereich verlassen bzw. außerhalb desselben verweilt, ohne dass einer der in § 2 Abs. 1 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung - 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl. II Nr. 58/2021, i.d.g.F. aufgezählten, erlaubten Zwecke vorgelegen hat.“
Daher sei er gemäß § 8 Abs 5 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I Nr 12/2020 idgF, mit einer Geldstrafe in Höhe von € 300,- bzw einer Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 6 Stunden zu bestrafen. Zusätzlich habe er gemäß § 64 VStG einen Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von § 30,- zu leisten.
Dagegen hat der Beschuldigte mit Schreiben vom 04.05.2021 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Er hat zwar den der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhalt ausdrücklich nicht bestritten, jedoch hat er Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des § 2 der 4. Covid-19-SchuMaV vorgebracht. Zusammengefasst ermögliche § 5 COVID-19-MG eine derartige Ausgangsregelung nur, wenn diese unerlässlich sei, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern. Maßnahmen gemäß §§ 3 und 4 COVID-19-MG dürften dabei nicht ausreichend sein, um dieses Ziel zu erreichen. Der Verordnungsgeber begründe die gegenständliche Ausgangsregelung damit, dass die Lage in den Intensivstationen und Krankenanstalten weiterhin angespannt sei, sodass noch immer von einem drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung auszugehen sei. Der Verordnungsgeber verweise dazu lediglich auf nicht näher bezeichnete „fachliche Ausführungen“. Nähere Begründungen zum Vorliegen der Bedingung der Unerlässlichkeit der Ausgangsregelung würden entgegen der Rechtsprechung (VfGH 14.07.2020, V 411/2020; 01.10.2020, V 429/2020) fehlen. Abgesehen vom Begründungsmangel sei im Zeitpunkt der Tat keine Pandemiesituation vorgelegen, welche eine Ausgangssperre zur Verhinderung eines drohenden Zusammenbruchs des Gesundheitssystems unerlässlich gemacht hätte. Im Gegensatz zu November und Dezember 2020 sei das Infektions- und Hospitalisierungsgeschehen in Y niedrig gewesen. Auch Ende des Jahres 2020 habe kein Zusammenbruch des Gesundheitssystems stattgefunden, was zeige, wie groß der Spielraum im Februar 2021 gewesen sei. Schließlich seien bei weitem nicht alle Möglichkeiten der §§ 3 und 4 COVID-19-MG ausgeschöpft worden. Insbesondere seien im Tatzeitpunkt bereits bestimmte Betriebsstätten und Dienstleistungen geöffnet worden, während die als ultima ratio konstituierten Ausgangsbeschränkungen aufrecht geblieben seien. Der Beschwerdeführer hat daher ein Verordnungsprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angeregt und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Straferkenntnis beantragt; die Kosten des Verfahrens seien der belangten Behörde aufzutragen.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat sich am 14.02.2021 um 01:50 Uhr an der Adresse 2, **** Y, außerhalb seines privaten Wohnbereiches aufgehalten, um gemeinsam mit anderen – nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden – Personen den Sieg einer Fußballmannschaft zu feiern. Insgesamt haben an dieser Feier elf Personen teilgenommen.
Der Beschwerdeführer verfügt über durchschnittliche Vermögensverhältnisse.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Strafakt der belangten Behörde. Die Umstände der Feier gehen dabei insbesondere aus der Anzeige der Polizeiinspektion X vom 02.03.2021, Zahl ***, hervor. Dass der Beschwerdeführer über durchschnittliche Vermögensverhältnisse verfügt, wurde von der Behörde im angefochtenen Straferkenntnis geschätzt. Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel ausdrücklich erklärt, dass der Sachverhalt nicht angezweifelt wird. Der Sachverhalt steht somit unbestritten fest.
IV. Rechtslage:
COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 23/2021:
„Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln
§ 3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung
1. das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,
2. das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß § 2 Abs. 3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) und
3. das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(…)
Betreten und Befahren von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
§ 4. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten und das Befahren von
1. bestimmten Orten oder
2. öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(…)
Ausgangsregelung
§ 5. (1) Sofern es zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 unerlässlich ist, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern, und Maßnahmen gemäß den §§ 3 und 4 nicht ausreichen, kann durch Verordnung angeordnet werden, dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist.
(2) Zwecke gemäß Abs. 1, zu denen ein Verlassen des privaten Wohnbereichs jedenfalls zulässig ist, sind:
1. Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,
3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens,
4. berufliche Zwecke, sofern dies erforderlich ist, und
5. Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung.
(…)
Strafbestimmungen
§ 8.
(…)
(5) Wer einer Verordnung gemäß § 5 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
(…)“
4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021:
„Ausgangsregelung
§ 2. (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr des folgenden Tages nur zu folgenden Zwecken zulässig:
1. Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,
3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere
a) der Kontakt mit
aa) dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner,
bb) einzelnen engsten Angehörigen (Eltern, Kinder und Geschwister),
cc) einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich physischer oder nicht physischer Kontakt gepflegt wird,
b) die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens,
c) die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder die Vornahme einer Testung auf SARS-CoV-2,
d) die Deckung eines Wohnbedürfnisses,
e) die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse, wie Friedhofsbesuche und individuelle Besuche von Orten der Religionsausübung, sowie
f) die Versorgung von Tieren,
4. berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist,
5. Aufenthalt im Freien alleine, mit Personen aus dem gemeinsamen Haushalt oder Personen gemäß Z 3 lit. a zur körperlichen und psychischen Erholung,
6. zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen, einschließlich der Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper und an mündlichen Verhandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit,
7. zur Teilnahme an gesetzlich vorgesehenen Wahlen und zum Gebrauch von gesetzlich vorgesehenen Instrumenten der direkten Demokratie,
8. zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten gemäß den §§ 5, 7 und 8 sowie bestimmten Orten gemäß den §§ 9, 10 und 11 sowie Einrichtungen gemäß § 16 Abs. 1 Z 1, 2 und 4, und
9. zur Teilnahme an Veranstaltungen gemäß den § 13 Abs. 3 Z 1 bis 9 und § 14.
(…)“
V. Erwägungen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, durch die Teilnahme an der Feier gegen § 2 Abs 1 der 4. COVID-19-SchuMaV verstoßen zu haben; allerdings sei diese Verordnung gesetzwidrig. Zu diesem Beschwerdevorbringen ist zunächst festzuhalten, dass dem Landesverwaltungsgericht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen selbst nicht zusteht (Art 135 Abs 4 iVm 89 Abs 1 B-VG). Bei Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit hat das Landesverwaltungsgericht vielmehr einen Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art 135 Abs 4 iVm 89 Abs 2 B-VG).
Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei die Ausgangsregelung des § 2 Abs 1 der 4. COVID-19-SchuMaV gesetzwidrig, da sie entgegen § 5 Abs 1 COVID-19-MG nicht unerlässlich sei, um die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. Insbesondere habe kein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder eine ähnlich gelagerte Notsituation gedroht. Zumindest sei eine derartige Situation nicht ausreichend begründet worden. Im Übrigen seien entgegen § 5 Abs 1 COVID-19-MG nicht alle Möglichkeiten der §§ 3 und 4 COVID-19-MG ausgeschöpft worden.
Der Verfassungsgerichtshof hat zu den Verordnungsermächtigungen des COVID-19-MG bereits mehrfach ausgesprochen (grundlegend in der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen vom 14.07.2020, V 411/2020; zuletzt 10.03.2021, V 583/2020), dass sie dem Verordnungsgeber einen Einschätzungs- und Prognosespielraum übertragen haben, ob und wieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch erhebliche Grundrechtseinschränkungen für erforderlich hält, weshalb der Verordnungsgeber seine Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung mit den einschlägigen grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen zu treffen hatte. Der Verordnungsgeber musste also in Ansehung des Standes und der Ausbreitung von COVID-19 notwendig prognosehaft beurteilen, inwieweit in Aussicht genommene Ausgangsregelungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 geeignete (der Zielerreichung dienliche), erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellten.
Der Einschätzungs- und Prognosespielraum des Verordnungsgebers umfasste insoweit auch die zeitliche Dimension dahingehend, dass ein schrittweises, nicht vollständig abschätzbare Auswirkungen beobachtendes und entsprechend wiederum durch neue Maßnahmen reagierendes Vorgehen von der gesetzlichen Ermächtigung des COVID-19-MG vorgesehen und auch gefordert war.
Angesicht der damit inhaltlich weitreichenden Ermächtigung des Verordnungsgebers verpflichtete das COVID-19-MG vor dem Hintergrund des Art 18 Abs 2 B-VG den Verordnungsgeber im einschlägigen Zusammenhang auch, die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen, als er im Verordnungserlassungsverfahren festzuhalten hatte, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußte und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist. Die diesbezüglichen Anforderungen dürfen naturgemäß nicht überspannt werden, sie haben sich maßgeblich danach bestimmt, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar war. Auch in diesem Zusammenhang kommt dem Zeitfaktor entsprechende Bedeutung zu.
In den vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass einzelne Bestimmungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung und der COVID-19-Lockerungsverordnung nicht den Vorgaben des COVID-19-MG entsprochen haben, da es der Verordnungsgeber in diesen Fällen gänzlich unterlassen hat, jene Umstände, die ihn bei der Verordnungserlassung bestimmt haben, so festzuhalten, dass entsprechend nachvollziehbar ist, warum der Verordnungsgeber die mit dieser Regelung getroffenen Maßnahmen für erforderlich gehalten hat. Entscheidungsgrundlagen, Unterlagen oder Hinweise, die die Umstände der zu erlassenden Regelung betreffen, haben in den damaligen Verordnungsakten gänzlich gefehlt.
Der nunmehr gegenständliche § 2 Abs 1 der 4. COVID-19-SchuMaV ist mit diesen Fällen nicht vergleichbar. In der rechtlichen Begründung der Verordnung wird zusammengefasst auf die bisherigen Verordnungen verwiesen, in denen sowohl die epidemiologische Lage dargestellt als auch die Erforderlichkeit der Maßnahmen begründet wurde. Aufgrund der bisher verhängten Maßnahmen sei es aber zu einer weitgehenden Stabilisierung des Infektionsgeschehens gekommen, sodass nun erste Öffnungsschritte gesetzt werden könnten. Aufgrund des generell hohen Infektionsniveaus könnte aber eine zu frühe Lockerung der Maßnahmen sehr schnell wieder zu einer unkontrollierten Verbreitung und in Folge zu einer Überlastung der medizinischen Versorgungseinrichtungen führen. Aus diesem Grund würden die Voraussetzungen für die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen im Sinne des § 5 COVID-19-MG weiterhin vorliegen. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit könnten diese jedoch wieder auf eine nächtliche Beschränkung (also von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr) reduziert werden. Im Hinblick auf das hohe epidemiologische Grundgeschehen müssten die Lockerungen – wie auch bisher – sehr behutsam vorgenommen und deren Auswirkungen streng beobachtet werden. Zudem sei wegen der verstärkt aufkommenden Virusvarianten eine zusätzliche, verschärfte Beobachtung der Öffnungsschritte unabdingbar. Im Sinne der Grundwertung der gegenständlichen Verordnung und mit Blick auf die enormen wirtschaftlichen Folgen würden die ersten Lockerungsschritte aber vor allem das Wirtschaftsleben betreffen.
Soweit der Beschwerdeführer eine Ausgangsregelung erst nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der §§ 3 und 4 COVID-19-MG für zulässig erachtet, ist auf die Erläuterungen zur 1. COVID-19-SchuMaV zu verweisen, wonach § 5 COVID-19-MG nicht verlange, dass bereits alle möglichen Maßnahmen im Sinne der §§ 3 und 4 ausgeschöpft seien. Ein solches Gebot würde zum einen zu Unverhältnismäßigkeiten führen, die dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden dürften (bei anderem Verständnis dürfte etwa eine Ausgangsbeschränkung erst dann verhängt werden, wenn zuvor alle Betriebsstätten geschlossen würden). Zum anderen wären Maßnahmen alleine für öffentliche Orte und bestimmte Orte unverhältnismäßig, da sie alleine zur Bewältigung der epidemiologischen Situation unter Berücksichtigung der bisher bekannten Cluster nicht geeignet seien.
Die Bedenken des Beschwerdeführers zur Rechtmäßigkeit der Ausgangsregelung des § 2 Abs 1 der 4. COVID-19-SchuMaV werden somit nicht geteilt. Das Landesverwaltungsgericht sieht sich daher nicht veranlasst, den Verfassungsgerichtshof mit einem entsprechenden Normprüfungsantrag zu befassen. Soweit sich der Beschwerdeführer dennoch wegen der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt sieht, steht es ihm frei, selbst einen Normprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof einzubringen (Art 144 Abs 1 B-VG). Im Hinblick auf diese Möglichkeit führt die vorliegende Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes auch zu keiner Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers (vgl VwGH 27.02.2015, Ra 2015/06/0009).
Im Übrigen steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer am 14.02.2021 um 01:50 Uhr außerhalb seines privaten Wohnbereiches gemeinsam mit anderen – nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden – Personen an einer privaten Feier teilgenommen hat. Die Übertretung des § 2 Abs 1 der 4. COVID-19-SchuMaV steht somit in objektiver Hinsicht fest.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines "Ungehorsamsdeliktes" – als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Verbotsunkenntnis ist vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundigungspflicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich jedermann mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen (vgl VwGH 14.01.2010, 2008/09/0175). Eine derartige Erkundigungspflicht ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Existenz einschlägiger Regeln für die jeweilige Tätigkeit erkennbar ist. Dies trifft im vorliegenden Fall zu, da für die Teilnahme an einer privaten Feier im Tatzeitpunkt (14.02.2021) schon allein aufgrund der medialen Berichterstattung jedenfalls Anlass bestanden hat, sich mit den einschlägigen Regeln zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vertraut zu machen. Der Beschwerdeführer hat jedoch nichts vorgebracht, was Zweifel an seinem Verschulden aufkommen lässt. Die Übertretung steht daher auch in subjektiver Hinsicht fest, wobei beim Ausmaß des Verschuldens von Fahrlässigkeit auszugehen ist.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Über den Beschwerdeführer wurde bei einem gemäß § 8 Abs 5 COVID-19-MG zur Verfügung stehenden Strafrahmen in der Höhe von € 1.450,- eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,- und damit im Ausmaß von ca 20,7 % des vorgesehenen Strafrahmens verhängt. Die Behörde hat dabei die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers mildernd berücksichtigt und ist von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen. Weitere Milderungsgründe sind im Verfahren nicht zu Tage getreten. In Anbetracht des Umstandes, dass die Teilnahme an der privaten Wohnungsfeier mit insgesamt elf Personen ein relevantes Infektionsrisiko dargestellt hat und, dass das Verhalten des Beschwerdeführers somit zu einer Erhöhung des epidemiologischen Gefahrenmomentes beigetragen hat, kommt eine Herabsetzung der ohnehin im unteren Bereich des Möglichen verhängten Strafe nicht in Betracht.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Zumal dem Beschwerdeführer gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG aber das subjektive Recht zusteht, dass ihm die verletzte Verwaltungsvorschrift und die angewandte Strafsanktionsnorm richtig und vollständig vorgehalten werden, hat das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Spruch durch jene Bundesgesetzblätter zu präzisieren, durch welche die Gesetzesbestimmungen ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten haben (VwGH 29.03.2021, Ra 2021/02/0023).
Die Vorschreibung der Kosten für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 52 VwGVG. In diesem Zusammenhang ist zum Beschwerdebegehren, wonach der Behörde die Kosten des Verfahrens aufzutragen seien, festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG iVm § 74 AVG auch im Fall seines Obsiegens die ihm erwachsenen Kosten selbst zu tragen gehabt hätte.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 3 VwGVG abgesehen werden, da in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde (Ziffer 1), lediglich eine Geldstrafe in Höhe von € 300,- verhängt wurde (Ziffer 3) und der Beschwerdeführer trotz entsprechender Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Straferkenntnis nicht die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt hat.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar könnte der Verwaltungsgerichtshof dann, wenn ihm bei der Behandlung der Revision Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der COVID-19-SchuMaV erwachsen sollten, einen Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen (vgl Art 139 Abs 1 Z 1 und Art 140 Abs 1 Z 1 B-VG). Die Zulässigkeit einer Revision im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG kann mit einer solchen Frage jedoch nicht begründet werden, weil sie selbst als Rechtsfrage eben nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache zu lösen ist (vgl VwGH 27.02.2015, Ra 2015/06/0009).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Strafverfahren; Verletzung der Ausgangsregelung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.1292.1Zuletzt aktualisiert am
25.06.2021