TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/15 405-4/3954/1/2-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2021
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Entscheidungsdatum

15.06.2021

Index

90/02 Führerscheingesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FSG §26 Abs2 Z1
FSG §5 Abs2
AVG §3 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch den Richter Mag. Thomas Thaller über die Beschwerde von Herrn AB,…, WW, Deutschland, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 20.5.2021, Zahl xxx,

zu R e c h t:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid vom 10.5.2021 entzog die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. gemäß § 24 Abs 1 iVm § 26 Abs 2 Z 1 und § 7 Abs 2 Führerscheingesetz (FSG) die erteilte Lenkberechtigung im gesamten Berechtigungsumfang auf die Dauer von 6 Monaten (gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides). In Spruchteil II. ordnete die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (1.) eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker, (2.) die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG und eine verkehrspsychologische Stellungnahme, sowie (3.) die Beibringung eines Laborbefundes mit näher angeführten alkoholspezifischen Parametern binnen 4 Wochen nach Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung an.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichtes WW vom 10.11.2020 erwiesen sei, dass der Beschwerdeführer am 18.9.2020 an einem näher angeführten Ort in WW, Deutschland, ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholkonzentration: 2,05 Promille) gelenkt habe. Gemäß § 7 Abs 2 FSG würden im Ausland begangene und bestrafte strafbare Handlungen nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften beurteilt und sei daher österreichisches Recht anzuwenden. Die Zuständigkeit richte sich gemäß § 3 Z 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) nach dem letzten Hauptwohnsitz im Inland.

Der Beschwerdeführer brachte am 17.5.2021 bei der belangten Behörde eine fristgerechte Vorstellung gegen den Mandatsbescheid ein, der er ein umfangreiches Beilagenkonvolut anschloss. Er begründete sein Rechtsmittel zusammengefasst damit, dass ihm nach seiner Trunkenheitsfahrt am 18.9.2020 der Führerschein bereits in Deutschland für 8 Monate entzogen worden sei. Der Entzug durch die belangte Behörde von 6 Monaten würde zu einer Gesamtentzugsdauer von 14 Monaten führen. Dies sei eine ungerechtfertigte doppelte Bestrafung. Die in Spruchteil II. angeordneten Maßnahmen habe er bereits in Deutschland erfüllt.

Mit Bescheid (Vorstellungserledigung) vom 20.5.2021 bestätigte die belangte Behörde die in Spruchteil I. des Mandatsbescheides verfügte Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers auf die Dauer von 6 Monaten ab Zustellung des Mandatsbescheides am 17.5.2021, wobei sie die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gemäß § 13 Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) gleichzeitig ausschloss. Sie begründete dies damit, dass die in Deutschland erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis nur die Wirkung habe, dass dem Beschwerdeführer das Recht, von der Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, aberkannt sei. Dies hätte zur Folge, dass das Lenken in Österreich zulässig wäre. Unabhängig von der Lenkverbotsdauer in Deutschland habe ihm daher in Österreich die Lenkberechtigung aus Verkehrssicherheitsgründen entzogen werden müssen.

Zu Spruchteil II. des Mandatsbescheides gab die belangte Behörde der Vorstellung statt und sah von der Absolvierung der dort angeordneten begleitenden Maßnahmen mangels Wohnsitzes des Beschwerdeführers in Österreich und der Tatsache, dass vergleichbare Maßnahmen von ihm in Deutschland absolviert worden seien, ab.

Der Beschwerdeführer brachte gegen die Vorstellungserledigung mit E-Mail an die belangte Behörde am 31.5.2021 eine fristgerechte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) ein, worin er im Wesentlichen seine bereits in der Vorstellung vorgebrachten Gründe (die strafrechtliche und verwaltungsbehördliche Abgeltung seiner Alkoholfahrt vom 18.9.2020 sei bereits in Deutschland erfolgt) wiederholte und ergänzend vorbrachte, dass ihm die deutsche Fahrerlaubnisbehörde zwischenzeitlich mit Bescheid vom 12.5.2021 das Recht erteilt habe, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Der zz geborene Beschwerdeführer, ein österreichischer Staatsbürger, ist seit 2002 Inhaber einer von der belangten Behörde erteilten österreichischen Lenkberechtigung für die Klasse B und seit 2013 für die Klasse A.

Er wies bis 26.11.2018 seinen Hauptwohnsitz in Österreich (…) auf. Seit Ende 2018 hat er seinen Wohnsitz in WW, Deutschland, wo er auch seine beruflichen (….) und persönlichen Bindungen (Wohnort seiner engsten Familie) aufweist.

Am 18.9.2020 lenkte er in WW ein Kraftfahrzeug (Pkw) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholgehalt: 2,05 Promille). Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 10.11.2020 verhängte das Amtsgericht WW deswegen über ihn eine Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein ein und verfügte, dass ihm die Verwaltungsbehörde für die Dauer von 10 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen dürfe.

Mit Bescheid vom 12.5.2021 erteilte die für seinen Wohnsitz zuständige deutsche Fahrerlaubnisbehörde (Ordnungsamt der Landeshauptstadt WW) dem Beschwerdeführer ab sofort das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt und Verfahrensgang stützen sich auf den vorgelegten Führerscheinverfahrensakt der belangten Behörde, insb. die darin enthaltenen Unterlagen der deutschen Behörden und Gerichte, sowie Einsicht in das Führerscheinregister und das Zentrale Melderegister. Außer Streit steht, dass der Beschwerdeführer am 18.9.2020 in WW ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (2,05 Promille) lenkte. Nach den im Verfahrensakt aufliegenden Strafbefehl des Amtsgerichtes WW vom 10.11.2020 wurde deswegen rechtskräftig über ihn eine Geldstrafe verhängt, seine Fahrerlaubnis (Lenkberechtigung) entzogen und ihm eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis auferlegt. Die belangte Behörde hat zum Wohnsitz des Beschwerdeführers Ermittlungen über die Polizeiinspektion VV durchgeführt und festgestellt (s. den Aktenvermerk vom 4.5.2021, SZ 10), dass er seinen ordentlichen Wohnsitz gemäß § 5 Abs 2 FSG nicht in Österreich aufweist, sondern mit seiner Familie in WW lebt.

Rechtliche Beurteilung:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde.

Die Maßnahme der Entziehung der Lenkberechtigung unter Heranziehung der §§ 24 bis 29 FSG verlangt - ebenso wie der Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung - das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes des Betroffenen im Sinne des Art 12 der Richtlinie 2006/126/EG (Führerscheinrichtlinie) in Österreich. § 5 Abs 1 Z 1 FSG verweist in diesem Zusammenhang auf die Definition des Wohnsitzes in § 5 Abs 2 FSG, der fast wörtlich die Richtliniendefinition des ordentlichen Wohnsitzes wiedergibt. Weder dem FSG noch der Definition des Art 12 der Richtlinie 2006/126/EG ist zu entnehmen, welcher Ort für den - nicht ungewöhnlichen - Fall, dass der betreffende Führerscheinwerber oder -besitzer nicht nur zu einem Ort persönliche Beziehungen hat, als der ordentliche Wohnsitz anzusehen sei, der den Anknüpfungspunkt für die Erteilung einer Lenkberechtigung gemäß § 5 Abs 1 Z 1 FSG und für die Entziehung bildet. Hat der betroffene Führerscheinbesitzer persönliche Beziehungen zu mehreren Wohnorten in unterschiedlichen Staaten, ist daher - um dem in § 5 Abs 1 Z 1 FSG ausgedrückten Erfordernis der Bestimmung des Wohnsitzes im Sinne des Art 12 der Richtlinie 2006/126/EG, dem „ordentlichen Wohnsitz“, Genüge zu tun - derjenige Ort für die Bestimmung des Wohnsitzes im Sinne des § 5 Abs 2 FSG als maßgeblich anzusehen, zu welchem die betreffende Person die überwiegenden persönlichen Beziehungen hat. Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Mitgliedsstaat) der konkrete Führerscheinbesitzer die maßgebliche persönliche Bindung hat, ist somit auf das Gesamtbild der persönlichen Lebensumstände abzustellen, wobei das Überwiegen der persönlichen Beziehungen zum einen oder anderen Wohnort den Ausschlag gibt (VwGH 6.7.2020, Ra 2018/11/0122; vgl. auch Larcher, Wenn ein österreichischer Führerschein im Inland zur ausländischen Lenkberechtigung wird!, ZVR 2011, 152).

Im vorliegenden Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine beruflichen und überwiegenden persönlichen Bindungen (Wohnort von Ehefrau und Kind) in WW aufweist, wovon im Übrigen auch die belangte Behörde ausgeht (siehe SZ 9 und SZ 10 des Führerscheinaktes).

Der von der belangten Behörde für die Begründung ihrer Zuständigkeit zur Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers herangezogene § 3 Z 3, 3. Fall, AVG (letzter Hauptwohnsitz im Inland) gilt nur subsidiär, „soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen“. Nach § 1 AVG richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften. Für Verfahren nach dem FSG finden sich im Gesetz konkrete Zuständigkeitsvorschriften. Eine Zuständigkeit der österreichischen Führerscheinbehörden für die Erteilung oder Entziehung einer Lenkberechtigung liegt – wie oben näher ausgeführt – nur bei einem ordentlichen Wohnsitz des Führerscheinwerbers oder -besitzers in Österreich im Sinne des § 5 Abs 2 FSG bzw. des Art 12 der Richtlinie 2006/126/EG vor. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

Da im vorliegenden Sachverhalt der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz (im Sinne der führerscheinrechtlichen Bestimmungen) in Deutschland hat, besteht somit keine örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entziehung seiner Lenkberechtigung. Die aufgrund des Vorfalles vom 18.9.2020 (Alkoholfahrt des Beschwerdeführers in WW) sich ergebenden führerscheinrechtlichen Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer (Entziehung der Fahrerlaubnis, Überprüfung seiner Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen) wurden von den hierfür zuständigen deutschen Gerichten und Behörden gesetzt und bleibt im vorliegenden Sachverhalt für die Anordnung zusätzlicher Maßnahmen durch österreichische Führerscheinbehörden kein Raum.

Die Beschwerde ist daher im Ergebnis berechtigt, sodass ihr stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe die oben angeführte VwGH Judikatur).

 

Schlagworte

Verkehrsrecht, Entziehung Lenkberechtigung, ordentlicher Wohnsitz Ausland, örtliche Zuständigkeit belangte Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2021:405.4.3954.1.2.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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