Entscheidungsdatum
04.05.2021Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerden der Frau A und Herr B, beide vertreten durch C, Rechtsanwälte in ***, im Zusammenhang mit Amtshandlung (E-Mail vom 5. April 2021) durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg den
B E S C H L U S S
gefasst:
1. Die Beschwerden, die Beschwerdeführer seien durch die E-Mail der belangten Behörde des Inhalts, dass sie angesichts der Einreise aus Spanien am 4. April 2021 in Quarantäne verbleiben müssen, das angekündigte Aufsuchen ihrer Arztpraxis unzulässig wäre und Verstöße gegen die Quarantänepflicht eine Verwaltungsübertretung darstellten, in ihren Rechten verletzt worden, werden gemäß §§ 28 Abs. 6 i.V.m. 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBI. II 2013/517, jeweils € 57,40 (Vorlageaufwand), € 368,80 (Schriftsatzaufwand) und € 461,00 (Verhandlungsaufwand) binnen zwei Wochen ab Zustellung der Niederschrift vom heutigen Tage bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
3. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).
Begründung
Mit Schriftsatz vom 9. April 2021 erhoben die Beschwerdeführer eine auf Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerde „gegen die schriftliche Androhung der Bezirkshauptfrau des Bezirks Korneuburg vom 05.04.2021, stellvertretend ausgesprochen durch den Organwalter D, Fachgebiet Gesundheit, die Beschwerdeführer müssen sich aufgrund der Bestimmungen der COVID-19-EinreiseV nach ihrer Einreise aus Fuerteventura am 04.04.2021, Königreich Spanien, in Quarantäne begeben und haben die Durchführung von COVID-19-Schutzimpunfgen im Bundesgebiet sowie generell die Ausübung ärztlicher Tätigkeit bei Androhung von Verwaltungsstrafen zu unterlassen […].“
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht unstrittig fest, dass die Beschwerdeführer am 4. April 2021 auf dem Luftweg aus Spanien kommend nach Österreich einreisten. Nach Erklärung, sich in Quarantäne zu begeben, teilten sie der belangten Behörde mit E-Mail vom 5. April 2021 mit, die Quarantäne am Folgetag beenden zu wollen. Hierauf teilte ihnen die belangte Behörde mit der nunmehr angefochtenen E-Mail mit, dass ihres Erachtens auf die Beschwerdeführer keine Ausnahmeregelung zutreffe, die Quarantäne einzuhalten und das Aufsuchen der Ordination der Beschwerdeführer unzulässig sei und eine Verwaltungsübertretung darstelle. Eine Androhung von Zwangsgewalt lässt sich der gegenständlichen E-Mail weder ausdrücklich noch implizit entnehmen und wurde Gegenteiliges auch von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Sie hätten aber für den Fall eines abweichenden Verhaltens mit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe, der Anzeige bei der Ärztekammer, Auswirkungen auf die Kassenverträge und einer Kontrolle der Einhaltung der Quarantäne durch die Polizei gerechnet; wären sie nicht zu Hause angetroffen worden, wäre die Kontrolle in den Ordinationen durchgeführt worden, was für die Beschwerdeführer in höchstem Maße unangenehm gewesen wäre.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Gesagten:
Gegenstand der Beschwerde nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Amtshandlungen, mithin Lebenssachverhalte. Im gegenständlichen Fall ist entsprechend dem Beschwerdevorbringen (bestätigt durch den rechtsfreundlichen Vertreter in der öffentlichen mündlichen Verhandlung) die Amtshandlung der vorgelegten E-Mail vom 5. April 2021 zu beurteilen, die von den Beschwerdeführern (wie sich aus der Beschwerde ergibt) auf beide von ihnen bezogen wurde. Zumal insoweit eine Verletzung beider Beschwerdeführer in ihren jeweiligen Rechten behauptet wird, liegen zwei bekämpfte Verwaltungsakte vor (VwGH 3.11.2001, 98/02/0296; 15.12.2011, 2009/18/0156).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerde ist das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaItungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Zentrales Merkmal derartiger Akte und damit Abgrenzungskriterium zu sog. schlicht-hoheitlichem Handeln ist nach h.M. (statt aller B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 [2017] Rz 978 ff, ferner VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124) die Normativität des Aktes. Diese manifestiert sich bei Befehlsakten nach ständiger Rechtsprechung darin, dass bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, m.w.N.; VfSlg 12.791/1991). Unerheblich ist dabei, ob die Androhung der zwangsweisen Umsetzung ausdrücklich erfolgt, oder sie aus der Art und Weise bzw. den Begleitumständen des Einschreitens erschlossen werden kann. Jedenfalls erforderlich ist aber, dass der drohende Zwang in der Umsetzung der behördlichen Anordnung besteht und somit zwischen der behördlichen Anordnung auf der einen und dem im Zwangsweg umzusetzenden Zustand auf der anderen Seite daher Deckungsgleichheit besteht. M.a.W. liegt dann kein Befehlsakt im eben umschriebenen Sinn vor, wenn die Nichtbefolgung der Aufforderung bzw. Anordnung andere Folgen als die sofortige zwangsweise Herstellung des angeordneten Zustands hat; sei es, dass für diesen Fall (Verwaltung-) Strafen drohen, sei es dass die Nichtbefolgung eine tatbestandsmäßige Voraussetzung für andere (verwaltungspolizeiliche) Maßnahmen darstellt (i.d.S. etwa VwGH 25.3.1992, 91/03/0253; 19.1.1994, 93/03/0251 [jeweils zur § 5 Abs. 2 StVO]).
Nichts anderes als der Äußerung der Rechtsansicht, dass das von den Beschwerdeführern beabsichtigte Verhalten verboten sei und eine VerwaItungsübertretung darstelle, lässt sich aber der angefochtenen E-Mail entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Ausübung sofortigen Zwangs ausdrücklich oder zumindest schlüssig in Aussicht gestellt wurde, sind nicht erkennbar und konnte derartiges auch von den Beschwerdeführern nicht dargelegt werden.
Davon ausgehend lag aber gegenständlich kein Befehlsakt i.S.d. Judikatur vor, sondern war das Verhalten des einschreitenden Organs als schlicht-hoheitlicher Akt zu beurteilen.
Daraus ergibt sich zunächst, dass es einer auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerde an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand fehlt. Anders als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend, ist der österreichischen Rechtsordnung ein flächendeckender Rechtsschutz bezogen auf schlicht-hoheitliches Handeln fremd, sondern liegt es nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG am einfachen Gesetzgeber, allenfalls besondere Beschwerderechte einzuräumen. Von dieser Möglichkeit hat er in § 88 Abs. 2 SPG Gebrauch gemacht. Zumal die gegenständliche Amtshandlung aber nicht der Sicherheitspolizei bzw. der Sicherheitsverwaltung, sondern der Gesundheitsverwaltung zuzurechnen war, scheidet auch die Heranziehung der letztgenannten Bestimmung als Beschwerdegrundlage aus, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war.
Zur Kostentragung:
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).
Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.
lm vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Beschwerdeführer als unterlegene Parteien zu betrachten und zur Kostentragung (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) zu verpflichten sind, wobei von zwei bekämpften Akten auszugehen war (VwGH 15.12.2011, 2009/18/0156).
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Mit der Entscheidung in der Sache werden Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos und kann ein gesonderter Abspruch hierüber entfallen (VwGH 30.1.2015, Ra 2014/02/0174).
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; COVID-19; Quarantäne; schriftliche Anordnung; Anfechtungsgegenstand; Verfahrensrecht; Zwangsmaßnahme; Hoheitsverwaltung; Arzt;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.22.002.2021Zuletzt aktualisiert am
28.06.2021