TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 W150 1402910-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W150 1402910-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX .1991, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.11.2008, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: „BF“) stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 26.11.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz und damals unter Vorlage einer Geburtsurkunde als Geburtsdatum den XXXX .1991 angegeben.

Im Zuge der Erstbefragung durch Organwalter der PI Traiskirchen am 26.11.2007 gab der BF zu seinen Fluchtgründen an:

„Da mein Vater vor 13 Jahren verstarb, war ich in der Obhut meines Onkel in meiner Heimat. Dieser wurde vor 7 Jahren von der Taliban umgebracht. Deshalb sind wird in den Iran geflohen. Vor ca. 3 Jahren wurde ich jedoch auch im Iran von 3 mir unbekannten Männern verfolgt, weil mein Onkel in Afghanistan mit Waffen gehandelt hat. Deshalb wurde ich von diesen Männern auch 6 Monate gefangen gehalten und während dieser Zeit gefoltert. Die Narben von diesen Folterungen sind auf meinem Kopf, meinem rechten Unterarm, auf meiner linken Bauchseite sowie am Rücken ersichtlich. Nach 6 Monaten gelang mir die Flucht und ich hielt mich im Anschluss versteckt. Aus Angst, von diesen Männern wieder erwischt zu werden, entschloss ich mich zu fliehen.“.
2. Am 09.02.2008 wurde der BF vor dem Bundesasylamt (in der Folge auch: „BAA“) einvernommen. Dabei gab er bezüglich seiner Fluchtgründe an:

„F: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben etwas berichtigten?

A: Auf Seite 4 der Erstbefragung steht, dass mein Onkel vor 7 Jahre umgebracht wurde. Richtig vielmehr ist, dass mein Onkel vor 5 Jahren von Taliban umgebracht wurde. Ich war an dem Abend der Einvernahme sehr erschöpft, sodass ich auch unkonzentriert war, und dies vermutlich überhört hatte. Weiters wurde ich 6 Tage von unbekannten Männern gefangen gehalten und gefoltert, und nicht wie in der Niederschrift angeführt 6 Monate. Alle anderen Angaben entsprechen der Wahrheit. Ich halte diese Angaben somit aufrecht.

F: Halten Sie die Angaben in Ihrer Erstbefragung zu Ihrem Reiseweg mit oben angeführten Änderungen aufrecht?

A: Ja.

[…]

F: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben zu dem Grund, warum Sie ihr Heimatland verließen, etwas berichtigten oder ergänzen?

A: In meinem Dorf gibt es Männer, die taschtikisch abstammende Volksgruppe, die mit Taliban zusammen arbeiten. Diese haben auch meinen Onkel verraten. Ich bin aus Afghanistan geflüchtet, da ich Angst habe die Iraner, die mich gefangen gehalten und gefoltert haben. Ich bin nach 6 Tagen geflüchtet. Am letzten Tag wurde ich von einem Tatschicken mit seinem Messer verletzt. Er schnitt mich an bei Unterarmen sowie am Kopf. Weiters verletzte er mich mit seinem Messer am bauch und am Rücken. Außerdem brach er mir die Nase. Ich war auf dem Weg zum Basar, weil ich einkaufen wollte. Plötzlich hielt ein Taxi, und ich wurde von 2 Männern ins Taxi gezerrt und entführt. Ich wurde betäubt, und wachte erst in einem Zimmer auf. Sie fragten mich nach meinem Bruder, der mit meinem Onkel zusammengearbeitet hatte. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, wo mein Bruder war. Er ist auch süchtig. Ich dachte, er haben wegen seiner Sucht etwas gestohlen, und wurde deshalb gesucht. Am letzten Tag sagte der Mann zu mir, es sei nicht so leicht Leute, zuerst Leute umbringen und dann davonlaufen. Er werde dafür sorgen, dass meine Familie umgebracht werde. Wenn mich diese Männer wieder finden werden diese mich umbringen. Ich bin nur frei, weil ich aus der Gefangenschaft geflüchtet. Ich kann nicht nach Afghanistan und nach Iran zurück, denn in diesen beiden Ländern ist mein Leben in Gefahr.

F: Haben Sie weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

3. Am 23.10.2008 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BAA einvernommen. Dabei gab er bezüglich seiner Fluchtgründe an:

„F: Warum haben Sie Afghanistan verlassen?

A: Ich war drei Jahre alt als mein Vater gestorben ist. Danach lebten meine Mutter, meine Geschwister und ich bei meinem Onkel. Mein Onkel ist der Bruder meiner Mutter. Meine Aufgabe war es mit dem Esel in die Wildnis zu reiten und Brennholz zu holen. Mein Onkel hat gemeinsam mit meinem älteren Bruder Waffen verkauft. Im Nachbardorf gab es ein Paschtunen mit dem Namen XXXX . Es ging ein Gerücht um, dass XXXX ein Spion der Taliban ist, was hätte er sonst in diesem Dorf gemacht. Sonst lebten nämlich vorwiegend Hazare im Dorf. Mein Onkel hatte immer große Angst vor XXXX . Vor ca. sechs Jahren kamen sieben mit Kalaschnikows bewaffnete Männer zu uns nach Hause und nahmen meinen Onkel mit. Ich weiß nicht wer, diese Männer waren. Sie waren vermummt. Wir haben nach zwei bis drei Wochen die Leiche meines Onkels vor der Haustür gefunden. Zwei bis drei Wochen nach der Beerdigung meines Onkels war ich wieder auf der Holzsuche und habe dann die Leiche von XXXX gefunden. Ich griff die Leiche nicht an, sondern begab mich nach Hause und sprach mit meiner Mutter und meinem älteren Bruder. Mein älterer Bruder wollte die Leiche von XXXX zu dessen Familie bringen. Meine Mutter war jedoch dagegen. Trotzdem begaben sich mein älterer Bruder und ich zur Leiche von XXXX . Wir haben den Leichnam in das Dorf gebracht und dessen Familie übergeben. Danach kam ein Freund zur Mutter und sagte, dass wir einen Fehler gemacht hätten, es würden nämlich verdächtige Personen im Haus von XXXX ein und aus gehen und die Situation wäre gefährlich für die ganze Familie. Daraufhin haben wir, meine Mutter, meine Geschwister und ich, Afghanistan verlassen und sind in den Iran geflüchtet. Wir begaben uns im Iran nach XXXX und haben dort bei einem Viehbauer gelebt und gearbeitet. Mein älterer Bruder wurde im Iran Opium süchtig und verschwand eines Tages und kam nicht mehr zurück. Meine Mutter hat mich eines Tages auf den Bazar zum Einkaufen geschickt. Das ist so ca. dreieinhalb Jahre her. Auf dem Weg zum Bazar kam ein Fahrzeug mit drei Insassen. Sie fragten mich wo ich hinwolle. Sie nahmen mich in Richtung Bazar mit. Sie hielten mir ein Tuch vor den Mund und ich wurde bewusstlos. Nach einigen Stunden wurde ich in irgendeinem Häuschen wieder munter. Am zweiten Tag kamen zwei Männer und haben nach meinem verschwundenen Bruder gefragt. Ich sagte, dass ich nicht wisse, wo er sich aufhält. Daraufhin wurde ich geschlagen. Sie verletzten mich auch mit dem Messer und haben eine heiße Gabel auf meine Hände gelegt und immer wieder geschlagen. Dann kam ein Afghane zu diesem Haus und sagte mir, dass mein Bruder und ich zur Verantwortung gezogen werden müssten, wenn wir jemanden umbringen. Sie haben mich immer wieder gefragt, wo mein Bruder sei. Dieser Afghane sagte zu den anderen, wenn ich bis am Abend nicht rede, sollte ich geköpft werden. Dann sollten sie meine Leiche in der Wüste verschwinden lassen. Ich war ratlos und wusste nicht was ich machen soll. Ich sagte ich müsste auf die Toilette gehen. Durch das kleine Fenster der Toilette habe ich beobachtet, dass die Männer in etwa in hundert Meter enfernt saßen und rauchten. Ich schlug die Scheibe ein und flüchtete zu meiner Mutter und den Geschwistern. Ich habe meiner Mutter die ganze Geschichte erzählt und wir zogen nach Ghom, das ist auch im Iran, weiter. Dort hielten wir uns zwei Tage in einer Moschee auf. Dann fanden wir zwei Zimmer, wo wir leben konnten. Dort erfuhren wir, dass man uns nach suchen würde. Die Leute, die mich misshandelt haben, würden nach mir suchen. Ich hielt mich noch einen Monat im Kurdengebiet im Iran auf. Dann bin ich aus dem Iran in die Türkei geflüchtet. Dort war ich einen Monat. Dann reiste ich nach Griechenland. Dort war ich zwei Monate. Über Italien reiste ich dann nach Österreich. In Italien war ich ca. eine Woche. Ich kann Ihnen meine Misshandlungen zeigen.

Die beiden weiblichen Vertrauenspersonen verlassen das Büro. Zum Zwecke der Besichtigung der Narben verlässt auch die weibliche gesetzliche Vertreterin das Büro. Der Dolmetsch ist ein Mann.

Es werden festgestellt:

-        mehrere Narben im Schädelbereich, laut Angaben des ASt mit einem Messer in die Haut geritzt.

-        Narben an der rechten Hand und Ellenbogen, ebenfalls mit einem Messer in die Haut geritzt.

-        Narbe in Form einer Gabel in der linken Ellenbeuge.

-        Narbe im linken Bauchbereich, von einem Messerstich, sowie im linken und rechten Rückenhälfte im Bereich der Lenden.

-        Narben im Bereich des linken und rechten Knies, diese wären dadurch entstanden, dass der ASt am Boden geschliffen worden wäre.

PAUSE von 10 Minuten.

Mit der gesetzlichen Vertreterin werden die Verletzungen erörtert. Sie hat diesen nichts hinzufügen.

F: Konnten Sie alles aus Eigenem vorbringen was Sie sagen wollten?

A: Ja, ich habe Ihnen die Narben gezeigt. Das ist mir im Iran passiert. Was wäre gewesen, wenn ich in Afghanistan gewesen wäre.

F: Was befürchten Sie in Afghanistan?

A: Ich wurde im Iran misshandelt. Wenn meine Familie in Afghanistan wäre, wären wir sicher geköpft worden. Sie wissen ja nicht, was in Afghanistan los ist.

F: Warum würden Sie in Afghanistan geköpft werden?

A: Ich habe schon einmal gesehen, wie ein Mann geköpft worden ist. Damals war ich noch ein Kind. Ich habe noch Angstzustände, wenn ich mich daran erinnere, ich kann deshalb nachts nicht schlafen. In Afghanistan herrscht Anarchie, es war eine öffentliche Hinrichtung.

F: Warum sollten Sie in Afghanistan umgebracht werden?

A: Weil man glaubt, dass mein älterer Bruder und ich XXXX umgebracht haben und ein Beweis dafür wäre der Umstand, dass wir aus Afghanistan geflüchtet sind.

F: Haben Sie etwas mit dem Tod von XXXX zu tun?

A: Nein, ich habe nur den Leichnam gefunden und zur Familie gebracht.

F: Waren Sie dabei, wie Ihr Onkel von den sieben Männern mitgenommen worden ist?

A: Ja.

F: Können Sie das näher ausführen?

A: Mein Onkel hat Waffen an die Hazare verkauft und deshalb wurde er mitgenommen. Welche anderen Gründe es gegeben hat, weiß ich nicht.

F: Warum haben Sie die Leiche des XXXX , der wie sagten ein Paschtune gewesen sein soll, in das Dorf gebracht. Die Paschtunen stehen den Taliban nahe. Ihre Handlung erscheint nicht logisch?

A: Ich bin ein Moslem, genauso wie die Paschtunen und wir haben unsere Pflicht getan, nämlich den Leichnam zur Familie bringen.

F: Hatten Sie nicht schon mit Schwierigkeiten gerechnet?

A: Wir Moslem tun in unserer Welt unsere Pflicht, denn wir glauben an eine andere Welt.

F: Wie lange haben Sie sich nach der Misshandlung durch diese Männer noch in XXXX aufgehalten?

A: Wir waren insgesamt ein Jahr in XXXX und haben nach dieser Misshandlung noch in der gleichen Nacht XXXX verlassen und zogen nach Ghom.

F: Wie lange waren Sie in Ghom?

A: Zweieinhalb Jahre.

F: Wann haben Sie dort erfahren, dass man nach Ihnen sucht?

A: Im ersten Jahr dachten wir, dass alles vorbei sei. In der letzten Zeit hat man dann nach uns gesucht. Es wurde erzählt, dass man nach einer afghanische Familie sucht, die nach Ghom gezogen ist und ohne Vater sich dort aufhält.

F: Schildern Sie detailliert wie Sie aus dem Gewahrsam der Leute, die Sie misshandelt haben flüchten konnten?

A: Innerhalb der vier Tage, an denen sie mich festgehalten haben, durfte ich nicht auf die Toilette. Dann brachten sie mich auf die Toilette. Es war ein kleines Lehmhaus und ich konnte durch das Fenster flüchten. Ich habe sogar meinen Fuß dabei verletzt.

F: Es erscheint plausibel nicht nachvollziehbar, dass Sie einfach davon laufen können?

A: Es ist sehr schwierig zu verstehen, wenn man flüchten will, flüchtet man auch durch ein Mauseloch.

F: Wie fanden Sie danach zu Ihrer Mutter zurück?

A: Ich bin in der Wüste herumgeirrt und dann brachte mich ein Autofahrer in die Ort Gharchak und von dort fand ich den Weg zu meiner Mutter zurück.

F: Haben Sie außer den geschilderten Problemen noch andere in Afghanistan?

A: Nein. Mein Vater ist verstorben und meine Mutter ist auch noch dazu blind.

F: Würde Ihnen im Falle der Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

A: Ich befürchte wegen der Angelegenheit mit XXXX in Afghanistan getötet zu werden. Die Leute haben mich sogar im Iran gefunden und misshandelt. In Afghanistan herrscht Anarchie. Dort werden immer wieder Menschen getötet. Diese Leute würden mich in Afghanistan finden und töten. Es gibt keinen Platz für mich in Afghanistan

F: Können Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Ausweisung sprechen?

A: Ich möchte hier in Österreich bleiben.

F: Können Sie Beweismittel für Ihr Vorbringen vorlegen?

A: Nein. Ich weiß auch nicht, wo sich meine Familie aufhält.

F: In Traiskirchen gaben Sie an, dass Sie im Iran deshalb misshandelt worden wären, weil Ihr Onkel mit Waffen gehandelt hätte?

A: Ich wurde in Traiskirchen nicht so genau gefragt. Es wurde mir gesagt, dass ich Genaueres in den weiteren Einvernahmen sagen sollte.

F: In Ihrem vorgelegten ärztlichen Bericht steht unter Anamnese, dass Sie schon in Afghanistan für drei Tage in den Händen der Taliban gewesen wären und gesehen hätten, wie Ihrem Bruder der Kopf abgehackt worden wäre?

A: Es war nicht immer ein Dolmetsch anwesen.

Die gesetzliche Vertreterin gibt an: Ich beantrage Asyl gemäß § 3, da sein Leben bedroht ist und eine erhebliche Verfolgungshandlung vorliegt. Das wird eindeutig dadurch bewiesen, dass sich am Körper des Minderjährigen Narben befinden.

Der Antragsteller gibt aus Eigenem an: Ich habe meine Familie im Iran gelassen. Ich weiß nicht, wo diese ist. Ich habe deshalb Gewissensbisse. Bitte lassen sie mich in Österreich leben und arbeiten.“

4. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in Zuge dessen die Geburtsurkunde als Fälschung und das Geburtsdatum mit XXXX .1991 festgestellt wurde, wurde mit Bescheid des BAA vom 11.11.2008, erlassen am 12.11.2008, der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Das BAA führte begründend in den Feststellungen dazu im Wesentlichen und soweit verfahrensrelevant aus, dass der BF Staatsangehöriger von Afghanistan sei. Seine Identität stehe nicht fest. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei Moslem schiitischen Glaubens. Im Verfahren habe der BF eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt. Der BF sei ein unbegleiteter minderjähriger Asylwerber. Zur gesetzlichen Vertretung sei der Magistrat Graz – Amt für Jugend und Familie zuständig.

Es könne nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätten wegen der Angelegenheit mit XXXX verfolgt zu werden. Der vorgebrachte Sachverhalt werde den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt. Sein Vorbringen bezüglich einer asylrechtlich relevanten Bedrohungssituation in Afghanistan sei als nicht glaubhaft zu bezeichnen.

Der BF leide an: F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung, F6 V.a. Persönlichkeitsunterentwicklung, L90.6 Narben am Stamm, H91.9 Hörminderung am linken Ohr, B36.0 Pityriasis versicolor alba am Nacken.

An seinem Körper seien folgende Narben festgestellt worden: - mehrere Narben im Schädelbereich, - Narben an der rechten Hand und Ellenbogen, - Narbe in Form einer Gabel in der linken Ellenbeuge, - Narbe im linken Bauchbereich, sowie in der linken und rechten Rückenhälfte im Bereich der Lenden, - Narben im Bereich des linken und rechten Knies.

Beweiswürdigend führte das BAA aus, wie folgt:

„Die Feststellungen zu den Narben ergeben sich aus dem vom Leiter der Einvernahme durchgeführten Augenschein.

Der Umstand, dass Sie eine gefälschte Geburtsurkunde in Vorlage gebracht haben, ergibt sich aus der Anzeigeerstattung der PI Traiskirchen und Ihren eigenen Angaben. Das Vorlegen einer gefälschten Geburtsurkunde stellt ein Indiz dar, das gegen Ihre persönliche Glaubwürdigkeit spricht.

Das Vorbringen, dass Sie Afghanistan aus Furcht vor Beeinträchtigung von Leib und Leben wegen der Angelegenheit mit XXXX verlassen hätten, konnten Sie nicht plausibel machen. Vielmehr erweckten Sie während der Einvernahme den Eindruck, dass Sie eine Verfolgungsgeschichte aufbauen wollten. Der Sachverhalt wurde vage geschildert und beschränkte sich auf Gemeinplätze. Trotz mehrmaliger Nachfragen reduzierte sich das Vorbringen darauf, dass Sie wegen der Angelegenheit mit XXXX verfolgt werden würden. Sie konnten auf Grund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben keinen Bezug zu Ihrer Person herstellen und nicht glaubhaft machen, dass Sie das von Ihnen Geschilderte tatsächlich selbst erlebt hätten. Nach der Schilderung der angeblichen Fluchtgründe versuchte die Behörde durch Fragestellungen die vage Schilderung zu hinterfragen. Anstatt konkret auf die Fragen einzugehen, versuchten Sie immer auszuweichen und weitere vage Behauptungen aufzustellen.

Ihr Vorbringen war widersprüchlich, so gaben Sie in Traiskirchen an, wegen Ihres Onkels – einem angeblichen Waffenhändler - verfolgt zu werden. In Graz sprachen Sie davon, dass Sie und Ihr Bruder wegen der Angelegenheit mit XXXX verfolgt werden würden.

In diesem Zusammenhang erscheint es auch nicht plausibel, dass Sie die zufällig gefundene Leiche eines Paschtunen zu dessen Familie bringen und sich somit selbst Feindseligkeiten aussetzen würden.

Soweit Sie vorbringen, dass Sie misshandelt wurden, wird Ihnen in diesem Punkt Glauben geschenkt. Weiters deuten auch die Narben darauf hin. Sie konnten jedoch nicht plausibel machen, dass sich die Misshandlungen in dem von Ihnen beschriebenen Zusammenhang ereignet haben sollten. Vielmehr geht die Behörde davon aus, dass Sie im Iran misshandelt wurden, weil Ihr Bruder Probleme mit Kriminellen wegen seiner Drogenabhängigkeit hatte und diese Kriminellen über Ihre Peson an ihn heran kommen wollten.

Zusammenfassend wird festgehalten, dass es im Asylverfahren nicht ausreichend ist, dass der Asylwerber Behauptungen aufstellt, sondern er muss diese glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und auch der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Das Vorbringen zur behaupteten Verfolgung ist vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Die Behörde gelangt demnach zu dem Schluss, dass dem behaupteten Sachverhalt bezüglich einer aktuellen asylrechtlich relevanten Bedrohungssituation in Afghanistan kein Glauben geschenkt wird.“

5. Dagegen erhob der BF am 21.11.2008 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof.

6. Mit Schriftsatz vom 30.11.2009 wurde vom BF die Taufbestätigung einer Baptistengemeinde in XXXX vorgelegt, nach der der BF dort am XXXX getauft wurde.

7. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.01.2010, AZ. C2 402910-1/2008/13E, wurde der Beschwerde des BF stattgegeben und ihm gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Asylgerichtshof stütze seine Entscheidung auf den glaubhaft erschienenen Nachfluchtgrund der Konversion des BF und machte keine Ausführungen zu seinen ursprünglich geltend gemachten Fluchtgründen.

8. Am 09.01.2019 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch: „BFA“) vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung in Kenntnis gesetzt, dass, der BF im Iran eine Ehe geschlossen habe und sich in weiterer Folge an die afghanische Botschaft in Teheran gewandt hätte um dort diese Ehe registrieren zu lassen.

9. Das BFA leitete daraufhin aufgrund des Verdachtes der Unterschutzstellung des BF bezüglich seines Heimatstaates ein Aberkennungsverfahren ein. Diesbezüglich gewährte das BFA dem BF 20.02.2019 Parteiengehör ein und führte zu diesem Zwecke eine Einvernahme durch. Dabei gab der BF u.a. und soweit verfahrensrelevant an, er habe in Teheran „geheiratet bei einem Mullah im Büro“, sein Bruder XXXX sei dabei anwesend gewesen. In weiterer Folge befragte das BFA den BF bezüglich seines Glaubens und dieser gab an, Katholik zu sein. Konfrontiert mit der Aktenlage, dass seine Taufbestätigung von einer Baptistengemeinde (evangelische Freikirche) stamme, antwortete er, noch evangelisch zu sein aber mit vielen Leuten über Religion zu reden. Momentan gehe er nicht in die Kirche. Das letzte Mal wäre er regelmäßig dort vor zwei oder drei Jahren gewesen, nun gehe er alle zwei oder drei Monate dorthin. Christliche Feste feiere er nicht. Ergänzte danach aber „Weihnachtsfeier“. Befragt, was er dabei feiere, antwortete der BF „das neue christliche Jahr“. Die Adresse der Kirche, die er besuche, kenne er nicht. Deren Namen ebenso wenig. Die Taufe bedeute „Neues Leben“. Den Namen des Pfarrers konnte er nicht nennen. Die zehn Gebote habe er vergessen. Auf die Frage, ob er bete, antwortete er mit: „ja“. Besondere christliche Gebete konnte er jedoch nicht benennen („Nein, diese habe ich vergessen.“). Das Christentum bedeute für ihn persönlich und sein Leben: „Hoffnung“. Er sei missionarisch tätig. Seine Ehefrau wisse, dass er zum Christentum konvertiert sei, auch seine Mutter. Der BF gab noch an, dass er bei der österreichischen Botschaft in Teheran gewesen sei, weil er seine Frau nach Österreich bringen wolle, dort habe man ihm gesagt, dass er bei der afghanischen Botschaft seine Heiratsurkunde registrieren lassen müsse. Er sei persönlich bei der Botschaft gewesen, weil man seiner Frau gesagt habe, dass sie als Frau ihre Sache nicht weitermachen könne, der Ehemann müsse alles erledigen. Er sei aber nicht freiwillig zur afghanischen Botschaft in Teheran gegangen, sondern nur aufgrund der Auskunft, dass diese zur Registrierung der Eheschließung zuständig sei und dies für den Einreiseantrag seiner Ehefrau notwendig sei.

10. Aufgrund der Ergebnisse der Ermittlungen stellte das BFA am 26.02.2019 den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag und begründete diesen damit, dass der BF nicht aus tiefster innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Er habe auf grundlegenden Fragen zu seinem Glauben keine Angaben machen können, so habe er nicht einmal die wichtigsten christlichen Feste nennen können, nicht den Namen seines Pfarrers, nicht die Zehn Gebote und auch nicht den Namen der Kirche, die er besuche und auch nicht zumindest ein- oder zwei christliche Gebete, nicht einmal das „Vater-Unser“. Das BFA gehe daher davon aus, dass der BF nur Wissen erlernt hätte, das seinerzeit zur Taufe notwendig gewesen sei, er es aber nicht in sein tägliches Leben übernommen hätte und er. Dass er – seinen eigenen Angaben zufolge – missionarisch tätig sei, ließe sich nicht erkennen. Das deutlichste Zeichen, dass die Konversion nicht wirklich erfolgt sei, liege in der Tatsache, dass er seine Frau nach muslimischem Ritual in Teheran geehelicht hätte. Es sei nicht nachvollziehbar, dass jemand, der sich dem Christentum zugewandt hätte, das wichtige Ritual der Eheschließung nicht nach christlichen Regeln und Wertvorstellungen ausführen wolle. Das BFA schließe aus all dem auf eine Scheinkonversion, mit der der BF sich den Status des Asylberechtigten seinerzeit erschlichen hätte. Es beantragte daher binnen offener Frist, das gegenständliche Verfahren wieder aufzunehmen und die erstinstanzliche Entscheidung in allen Punkten zu bestätigen.

11. Am 18.08.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: „BVwG“) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari und in Anwesenheit das BF statt. Das BFA war entschuldigt nicht erschienen.

Der BF gab an, gesund und verhandlungsfähig zu sein und nicht regelmäßig Medikamente zu nehmen. Seine vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.02.2019 getätigten Angaben entsprächen grundsätzlich der Wahrheit aber der Dolmetscher habe das Ganze nicht richtig übersetzen können.

Die weitere Befragung des BF (im Protokoll jeweils als AG bezeichnet) gestaltete sich wie folgt:

„RI: Führen Sie Ihren Namen seit Ihrer Geburt?

AG: Ich habe meinen Namen von Geburt an.

RI: Wo sind Sie geboren?

AG: In Afghanistan, in XXXX

RI: Sind Sie in Ihrem Heimatland Afghanistan unter anderen Namen, Spitznamen, Kampfnamen, Rufnamen bekannt?

AG: Nein.

RI: Sind Sie in anderen Ländern dieser Erde, einschließlich Österreich, unter anderen Namen bzw. Identitäten in Erscheinung getreten?

AG: Nein.

RI: Haben Sie irgendwelche Dokumente (Ausweise, Bestätigungen, etc.) die ihre Person oder Familienangehörige betreffen, die noch nicht im Akt enthalten sind, die sie mir heute vorweisen wollen?

AG: Ja, ich habe welche. Ich habe von einem Kurs einige Zeugnisse, vom Sport habe ich einige Bestätigungen, meine Lohnzettel sind da, meine Geburtsurkunde habe ich mit, ich habe den Mietvertrag von meiner Wohnung da und den Bescheid meines Reisepasses mit. Ich habe die Bestätigung meiner Taufe. Den Mutter-Kind-Pass habe ich mit, Meldezettel ab 2009 bis jetzt. Das wäre alles.

RI: Haben Sie auch irgendwelche Dokumente, die Ihre Eheschließung betreffen?

AG: Ja, habe ich.

RI: Welchen Kurs meinen Sie, von dem Sie Zeugnisse haben?

AG: Deutschkurs, AMS-Kurs, Deutsch von B1, es gibt diverse andere, verschiedene, Kurse auch.

R: Erzählen Sie, welche Kurse?

AG: ISO-Kurs, den Caritas-Kurs, einen Kurs von der Caritas für die Vorbereitung der deutschen Sprache, das ist der Caritaskurs. Sonst nichts, das wäre das Zeugnis.

AG legt auf Wunsch des Richters vor: Geburtsurkunde (Original), Taufbestätigung (Original), Kopie der amtlich beglaubigten Übersetzung der afghanischen Heiratsurkunde und die Kopie einer Seite dieser Heiratsurkunde und Kopie der Heiratsurkunde, welche als Konvolut als Beilage./1 zur Niederschrift genommen werden.

RI: Sind Sie schon einmal strafgerichtlich verurteilt worden?

AG: Nein.

RI: Vorhalt: Stimmt es nicht, dass Sie 2015 vom Landesgericht für Strafsachen Graz zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wurden?

AG: Ja, das stimmt.

RI: Warum haben Sie mir dann vorhin gesagt, dass Sie noch nicht verurteilt wurden?

AG: Ich dachte, Sie meinen das Asylverfahren.

RI: Können Sie sich noch erinnern, weswegen Sie verurteilt wurden?

AG: Ja.

RI: Warum war das?

AG: Wegen Marihuana/Haschisch.

RI: 2010 hat der Asylgerichtshof Ihnen den Status des Asylberechtigten zuerkannt. Können Sie sich noch erinnern, was da der entscheidende Grund war?

AG: Der Hauptgrund waren zwei Sachen, dass man mir Asyl gewährt hat oder anerkannt hat. Einer davon war, die Anwesenheit eines Psychologen oder eines Psychiaters, weil am Anfang hatte ich das Gefühl, dass man mir nicht glaube, aber, als man mich zum Psychologen/Psychiater hinschickte, hat er meine Aussagen von seiner Seite auch bestätigt. Der zweite Grund war, dass ich damals schon Christ geworden war.

RI: Wie sind Sie denn Christ geworden?

AG: Als ich in Österreich angekommen bin. Nach einem Jahr von meiner Ankunft habe ich einige christliche Jugendliche kennengelernt. Wir haben einige Diskussionen übers Christentum miteinander gehabt. Dann habe ich bemerkt, dass darin die Liebe ist. Ich habe die Bibel gefühlt, so bin ich dann in weiterer Folge in die Kirche gegangen. Es war für mich sehr interessant, einmal das Leben der Christen kennenzulernen. Man hat über das Evangelium oder über die Bibel gesprochen. Alle anwesenden Leute, nach Aussage der Bibel, haben über die Liebe und über die Nächstenliebe gesprochen. Man hat über den allmächtigen Gott und über die Vergebung gesprochen und dass der liebe Gott seinen einzigen Sohn zu uns geschickt hat. In dem Sinne, dass jeder, der sich zu Jesus Christus wendet, und ihm auch sagt, dass ich gesündigt habe, dann wird dieser Person vergeben. Als Zeichen dafür nehme ich auch die Taufe. Die Taufe bedeutet, das Sterben, das Wiederauferstehen und mit Jesus Christus weiterzuleben. Und zwar sollst du mit Jesus Christus so leben, wie er es selber ausgesprochen oder gesagt hat. Jesus Christus ist wegen unserer Sünden gekreuzigt worden oder sein Blut vergossen worden. So meine ich.

RI: Wer ist der Hr. XXXX ?

AG: Hr. XXXX ist die verantwortliche Person der Kirche.

RI: Was meinen Sie mit „verantwortliche Person der Kirche“?

AG: So etwas wie ein Pastor meine ich.

RI: Hr. XXXX , Sie sind vom BFA am 20.02.2019 einvernommen worden, haben Sie damals die Wahrheit gesagt?

AG: Ich habe zwar die Wahrheit gesagt, aber der Dolmetscher hat das Ganze nicht richtig übersetzen können.

RI: Was hat der Dolmetscher nicht richtig übersetzt?

AG: Ich sagte z.B. an diesem Tag, dass ich viele katholische Freunde, besonders bei der Arbeit, habe. Er hat es so weiterübersetzt, als ob ich selbst ein Katholik wäre.

RI: Hat man Ihnen die Niederschrift rückübersetzt?

AG: Ja, es ist übersetzt worden, aber eine Kopie habe ich davon nicht bekommen. Sie wurde jedoch schon rückübersetzt.

RI: Haben Sie die Niederschrift unterschrieben?

AG: Ja.

RI: Haben Sie Berichtigungen oder Ergänzungen vornehmen lassen?

AG: Nein.

RI: Hr. XXXX , Sie haben mir vorher erzählt, dass Sie kein Katholik sind. Ist das richtig?

AG: Ja, das stimmt.

RI: Sie haben damals beim BFA auch gesagt, dass Sie missionarisch tätig sind. Ist das richtig?

AG: Ja. Das stimmt. Ich habe bis jetzt auch einige Leute der Kirche vorgeschlagen und mitgenommen.

RI: Hr. XXXX , Sie haben vor drei Jahren geheiratet. Ist das richtig?

AG: Ja.

RI: Wo haben Sie geheiratet?

AG: Im Iran. In Teheran.

RI: Welche Behörde hat Ihre Ehe registriert?

AG: Wir sind zu dem Heiratsurkundbüro gegangen, dort wurde es ausgestellt.

RI: Die Übersetzung der Heiratsurkunde, die Sie mir gerade vorgelegt haben, da steht drauf: Botschaft der islamischen Republik Afghanistan. Erklären Sie mir bitte diesen Unterschied.

AG: Wie gesagt, wir sind zuerst zum Büro der Heiratsurkunden hingegangen, haben dort offiziell geheiratet, diese haben uns die Bestätigung gegeben. Gleichzeitig haben sie uns auch gebeten, diese Bestätigung zur afghanischen Botschaft hinzubringen, damit sie es auch nochmal offiziell bestätigen können.

RI: Sie waren also mit Ihrer Ehefrau in der Botschaft. Ist das richtig?

AG: Nur meine Frau ist zur Botschaft gegangen. Man hat mich nicht reingelassen, man hat mich rausgeschmissen, weil man der Meinung war, dass ich kein Afghaner sei. Wenn ich hineingehen wollte, dann musste ich zuerst beweisen, dass ich Afghane bin, erst dann hätte man mich hineinlassen wollen.

RI: Nach dieser amtlich beglaubigten Übersetzung hat das aber die Botschaft der islamischen Republik Afghanistan bestätigt, unterschrieben und gestempelt, dass Sie die Ehe vor der afghanischen Botschaft geschlossen haben. Sind die Angaben in dieser Urkunde falsch?

AG: Nein, sie sind nicht falsch. Weil meine Frau vor der Botschaft alles selbst zu Ende gebracht hat, ob es um eine Unterschrift oder um einen Fingerabdruck ging, sie war da.

RI: Hr. XXXX , Sie sind seit drei Jahren verheiratet.

AG: Ja.

RI: Nach welchem Ritus haben Sie geheiratet?

AG: Unsere Heirat war nach der islamischen Art und Weise, weil meine Frau Muslimin ist, aber sie weiß natürlich gleichzeitig, dass ich Christ bin.

RI: Ist das kein Problem für Ihren Glauben? Sie haben vorhin gesagt, dass Sie missionarisch tätig sind und versuchen andere vom christlichen Glauben zu überzeugen.

AG: Also im Christentum ist es nicht verboten, dass man einen Ehepartner von einer anderen Glaubensgemeinschaft nicht heiraten darf.

RI: Haben Sie gemeinsame Kinder?

AG: Das erste Kind schon. Sie haben den Mutter-Kind-Pass bei Ihnen.

RI: Ich frage noch einmal. Haben Sie gemeinsame Kinder?

AG: Ja, das Kind ist nicht zur Welt gekommen. Meine Frau ist schwanger, aber das Kind ist noch nicht auf der Welt.

RI: Wo ist Ihre Frau?

AG: Zuhause im Graz.

RI: Seit wann lebt Ihre Frau in Graz?

AG: Seit 2019, aber ich kann es Ihnen auch genau sagen. Sie lebt seit November 2019 in Graz.

RI: Hr. XXXX , Sie haben mir vorhin gesagt, dass Sie selber nicht in der afghanischen Botschaft, in Teheran, gewesen wären. Ist das richtig?

AG: Es war so, zuerst sind wir beide in die Botschaft hineingegangen, um ihnen zu erklären, worum es ginge. Nachdem sie sagten, worum es geht, hat man mich hinausgeschmissen. Ich war drinnen und dann hat man mich hinausgeschmissen.

RI: Das haben Sie mir vorhin aber anders erzählt. Was ist nun richtig?

AG: Ich habe, glaube ich, vorhin auch gesagt, dass man mich hinausgeschmissen hat und meine Frau hat dann alles selbst erledigt. Die Unterschriften oder Fingerabdrücke usw.

RI: Sie wollen jetzt mir gegenüber behaupten, dass Ihre Frau ihren Fingerabdruck in der Botschaft abgegeben hat, an Ihrer Stelle?

AG: Das heißt, dass meine Frau die Formalitäten drinnen erledigt hat, dann mit zwei Personen vor die Türe der Botschaft kam, dort draußen habe ich meinen Fingerabdruck daruntergesetzt.

RI: Damals vor dem BFA am 20.02.2019 sagten Sie: „Auf die Frage, waren Sie persönlich bei der afghanischen Botschaft in Teheran? Antwort: Ja, meine Frau war bei der afghanischen Botschaft. Dort hat man ihr gesagt, dass sie als Frau ihre Sache nicht weitermachen kann, ihr Ehemann muss alles erledigen.“

AG: Das stimmt.

RI: Welche Version der Geschichte ist jetzt richtig?

AG: Mein Schwiegervater, meine Frau und ich sind zu dritt in die Botschaft gegangen. Als an mich fragte, warum ich hier wäre, antwortete ich ihnen, dass es um die Heiratsurkundenbestätigungen ginge. Dann hat man daraufhin von mir verlangt, dass ich beweisen muss, dass ich Afghane bin. Da ich das in diesem Moment nicht beweisen konnte, schmiss man mich hinaus. So ist das passiert. Wenn ich darauf bestanden hätte, hätte man die Tazkira, den Reisepass usw. von mir verlangt. Ich hatte sowas nicht. Was hätte ich machen sollen? Ich habe jetzt keine Dokumente von Afghanistan.

RI: Hr. XXXX , wie heißt Ihr Schwiegervater?

AG: Der Schwiegervater heißt XXXX .

RI: Seit wann kennen Sie Ihren Schwiegervater?

AG: Seit ca. drei Jahren, als ich meine Frau kennenlernte, genau seit dieser Zeit kenne ich ihn auch.

RI: Wo haben Sie Ihre Frau kennengelernt?

AG: Im Iran, in Teheran. Man kennt meinen Schwiegervater unter dem Namen XXXX In der Familie sagen wir zu ihm aber nur XXXX .

RI: Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?

AG: Wir waren bei ihr eingeladen. Wir waren als Gäste dort.

RI: Was sagt Ihr Schwiegervater dazu, dass Sie Christ sind?

AG: Mein Schwiegervater weiß davon nichts, nur meine Frau weiß darüber Bescheid. Im Iran ist es heikel, darüber zu sprechen. Ich habe anfangs die Wahrheit und die Tatsachen meiner Frau erklärt, sie weiß über alles Bescheid.

RI: Wann ist der vermutliche Geburtstermin Ihres Kindes?

AG: In vier Monaten.

RI: Wird das dann nicht ein Problem in der Familie sein, wenn das Kind dann getauft wird?

AG: Das Kind kann selber entscheiden. Es ist seine Entscheidung. Ich werde dem Kind das Ganze erklären, ich werde ihm sagen, dass ich Christ bin und ich werde mit ihm auch über Jesus Christus sprechen. Dann ist es seine Entscheidung.

RI: Hr. XXXX , welche christlichen Feste feiern Sie?

AG: Weihnachten, den Geburtstag von Jesus Christus, dann Ostern.

RI: Seit wann feiern Sie Weihnachten?

AG: Seit ca. 2011. Eher seit 2010.

RI: Warum haben Sie dann bei der Einvernahme vor dem BFA gesagt: „Ich feiere nicht.“?

AG: An dem Tag, an dem ich die Einvernahme vor dem BFA hatte, ging es mir nicht gut. Ich hatte auch ein bisschen Angst und Sorge gehabt, wegen der Arbeit, wegen der Einvernahme, wegen der Zukunft. Außerdem habe ich sehr viel an die Vergangenheit gedacht, obwohl ich mich gedanklich dagegen gewehrt habe.

RI: Hr. XXXX , Sie haben den XXXX heute mitgebracht und Sie möchte, dass er als Zeuge einvernommen wird.

AG: Ja, ich bitte darum.

RI: Zu welchem Thema soll er als Zeuge einvernommen werden?

AG: Das weiß ich nicht genau, aber da er zu der Kirche gehört, kann er über meinen Glauben, übers Christentum bzw. über meine Beziehung zum Christentum sicher was sagen. Eigentlich war es so gedacht, dass XXXX kommen sollte, aber da er heute einen dringenden anderen Termin hatte, kann er heute nicht kommen. Deshalb ist dieser Herr heute mit mir gekommen.

RI: Seit wann kennen Sie Hr. XXXX ?

AG: Seit ca. drei Jahren?

RI: Wie oft sehen Sie Hr. XXXX ?

AG: Mindestens zweimal im Monat, entweder in der Kirche, oder zuhause.

RI: Was meinen Sie mit „zuhause“?

AG: Ich würde es als Besuch bezeichnen.

RI: Wer besucht wen?

AG: Ich gehe zu ihm.

RI: Wo wohnt er?

AG: In XXXX .

RI: Wie lautet die Adresse?

AG: Die Nummer kenne ich nicht.

RI: Wie heißt die Ehefrau von Hr. XXXX ?

AG: Ich habe sie zwar gesehen und getroffen, aber ihren Namen kenne ich nicht, weil ich kein langes Gespräch mit seiner Frau hatte. Wir haben uns sozusagen gegrüßt.

RI: Das heißt, Sie waren nur einmal bei ihm zu Gast?

AG: Ja.

RI: Aber vorhin haben Sie gesagt, Sie sehen ihn sehr oft und besuchen ihn.

AG: Ja, aber in der Kirche.

RI: Sie haben gesagt: „Entweder in der Kirche, oder zuhause“.

AG: Ja.

RI: Das klingt aber nach mehreren Besuchen.

AG: Es war ein Sprachfehler, es tut mir leid, verzeihen Sie.

RI: Herr XXXX , Sie wurden als Zeuge namhaft gemacht. Sind oder waren Sie mit dem AG verheiratet, in Lebensgemeinschaft, in eingetragener Partnerschaft? Sind Sie verwandt, verschwägert (auch bzgl. Eingetragene Partnerschaft), besteht ein Adoptionsverhältnis oder Pflegeeltern- bzw. Pflegekinderverhältnis?

Z: Wir haben keinerlei familiäre Beziehungen usw. Ich kenne den AG von der Kirche aus.

RI: Besteht ein Obsorgeverhältnis zu dem BF? Waren Sie Erwachsenenvertreter oder Vorsorgebevollmächtigter des BF? Waren Sie für den AG berufsmäßiger Parteienvertreter?

Z: Nein.

RI: Herr XXXX , Sie werden heute als Zeuge vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen, als Zeuge müssen Sie die Wahrheit sagen, eine falsche Zeugenaussage wird von den Strafgerichten streng bestraft. Falls Ihnen eine Frage gestellt werden sollte, deren Beantwortung Sie oder einen Ihrer Angehörigen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde oder einem unmittelbaren Vermögensnachteil, oder zur Unehre gereichen würde, so können Sie die Beantwortung einer solchen Frage verweigern. Sollte so eine Frage gestellt werden, so sagen Sie mir das bitte gleich und ich werde Sie ersuchen, Ihre diesbezüglichen Gründe glaubhaft zu machen. Haben Sie das alles verstanden?

Z: Ja.

RI: Was sind Sie vom Beruf?

Z: Ich bin als Teamleiter in der Firma XXXX in Graz tätig, dass wir in Zustellungen tätig sind.

RI: Haben Sie auch irgendwelche religiösen Funktionen?

Z: Ich bin gleichzeitige das führende Teammitglied von der Kirche.

RI: Von welcher Kirche?

Z: Internationale Baptistengemeinde.

RI: Was bedeutet „führendes Teammitglied“? Ist das eine priesterliche Funktion oder ist das eine vereinsrechtliche Funktion?

Z: Ich bin z.B. bei den Gottesdiensten tätig. Um ein anderes Beispiel zu nennen, entscheiden wir als Team, wer getauft werden soll und wer nicht. Die Kurse, die über die Bibel oder über die Vorbereitung fürs Christentum für eine Person stattfinden sollten, entscheiden wir auch. Ich bin Mitglied des Teams. Das wäre meine Funktion.

RI: Seit wie vielen Jahren kennen Sie den BF?

Z: Seit ca. drei Jahren. Ich muss dazu sagen, ehrlicherweise, dass der AG nicht regelmäßig in die Kirche kommt, aber er kommt. Insgesamt seit ca. drei Jahren kenne ich den BF.

RI: Haben Sie den AG getauft?

Z: Nein, ich nicht, weil ich denke, dass der AG ist vor zehn oder elf Jahren getauft wurde.

RI: Das heißt, Sie haben seinerzeit nicht darüber entschieden, ob er getauft werden soll, oder nicht?

Z: Damit meine ich, der AG ist in einer anderen Gemeinde damals getauft worden und er ist erst später zu uns gestoßen, vor ca. drei Jahren. Es war eine andere Gemeinde, die den AG getauft hat.

RI: Wie oft kommt Sie der AG in XXXX besuchen?

Z: Bis vor acht oder neun Monaten haben wir in der Kirche immer nur ein Samstagsprogramm gehabt, von 10 bis 12 Uhr.

RI: Ich glaube das ist ein Missverständnis. Ich habe gemeint, wie oft kommt Sie der AG bei Ihnen zuhause, persönlich, besuchen?

Z: Ja, ich kenne den AG soweit gut.

RI: Das habe ich nicht gefragt, wie oft kommt er zu Ihnen zu Besuch?

Z: Es hängt davon ab, ob der AG eine Frage hat, oder was von mir will, oder, ob er mich besuchen will, je nachdem, was die Situation verlangt.

RI: Wie oft war er bei Ihnen zu Besuch? 10 Mal, 20 Mal, 30 Mal?

Z: Also bestimmt nicht mehr als drei Mal insgesamt, weil, wenn er von mir nichts Spezielles will, treffen wir uns in der Kirche. Wenn er eine Frage hat, dann treffen wir uns privat.

RI: Haben Sie ihn auch bewirtet, wenn er zu Ihnen zu Besuch war?

Z: Wir haben gemeinsam Kaffee getrunken.

RI: War Ihre Gattin auch anwesend bei diesen Treffen?

Z: Ich glaube schon, ja.

RI: Ist Ihre Gattin auch Baptistin?

Z: Ja. Sie hat auch eine Funktion in der Kirche. Sie ist die Buchführerin der Kirche.

RI: Was sagen Sie dazu, dass der AG nach islamischen Ritus geheiratet hat?

Z: Ich kenn die Details, was dort passiert ist, nicht, aber die Situation war sicher so, wie der AG auch gehandelt hat. Sprich, wenn er anders gehandelt hätte, besonders in einem anderen Land (Iran), wäre es für ihn und auch für seine Frau gefährlich gewesen, weil es sein Ziel war, seine Frau mitzunehmen. Es muss eine schwierige Situation gewesen sein.

RI: Bemühen Sie sich darum, dass die Frau XXXX auch getauft wird?

Z: Wir sind sehr gerne daran interessiert, dass wir den Hr. XXXX mit seiner Frau zusammen in der Kirche begrüßen dürfen. Ich muss jedoch dazusagen, wegen der Corona-Krise haben wir zurzeit ein paar Besuchs- und Programmschwierigkeiten, ansonsten sind war aber sehr daran interessiert. Es gibt noch einen Grund, seine Frau ist auch schwanger, daher ist es zurzeit noch schwieriger, sie zu treffen. Ich wollte über Ihre vorherige Frage nochmal bitten zu wissen, es ging darum, dass ich den AG ca. dreimal traf. Meinten Sie damit, wo ich ihn getroffen habe?

RI: Ich habe die klare Frage gestellt, bei Ihnen zuhause.

Z: Ja.

RI: Was meinen Sie mit ja?

Z: Damit meine ich, dass ich Ihre Frage richtig verstanden und auch richtig beantwortet habe.

RI: Wie oft haben Sie den AG ungefähr in der Kirche gesehen?

AG: Eigentlich wollte ich vorhin sagen, dass wir damals das Samstagsprogramm von 10 bis 12 Uhr hatten. Da der AG bei der Arbeit war, er musste auch samstags arbeiten, deshalb konnte er nicht daran teilnehmen. Seit diesem acht bis neun Monaten hatten wir sonntags den Gottesdienst bzw. die Kirche. Der AG besucht uns mindestens zwei Mal im Monat.

RI: Wann haben Sie den AG das erste Mal in der Kirche getroffen?

Z: Ich muss ehrlich sagen, dass ich das genaue Datum nicht weiß, aber vor ca. drei Jahren habe ich ihn das erste Mal in der Kirche getroffen.

RI: Was heißt „circa“? Zu Ostern, zu Weihnachten? Im Herbst, im Winter?

Z: Es war ein normaler Gottesdienst in der Kirche, es war kein besonderes Fest.

RI: Also irgendwann im Jahr 2017. Ist das richtig?

Z: Ja.

RI: Vor dem Sommer, nach dem Sommer, im Sommer?

Z: Ich weiß es nicht genau. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es gerade nicht im Kopf habe.

RI: Gab es an diesem Tag ein besonderes Ereignis?

Z: Ich sage ehrlich, momentan habe ich es nicht im Kopf.

RI: Haben Sie den AG damals nur gesehen oder haben Sie auch mit ihm gesprochen?

Z: Normalerweise gehe ich zu jedem Neuling, der in die Kirche kommt, das ist auch ein Teil meiner Aufgabe. Ich ging auch sicher zum BF, ich frage jeden, auch ihn habe ich gefragt, worum es ginge, was die Hintergründe sind, wie lange er sich schon interessiert. So gesehen habe ich auch mit ihm ein paar Worte an diesem Tag gewechselt.

RI: War da der AG schon verheiratet?

Z: Ich denke nicht, dass er zu diesem Zeitpunkt verheiratet gewesen ist. Nein.

RI: Haben Sie über dieses Thema nicht mit ihm gesprochen?

Z: Nein. Zu diesem Thema haben wir kein Gespräch gehabt.

RI: Zu welchem Thema haben Sie mit dem AG gesprochen?

Z: Öfters haben wir über gesellschaftliche Fragen gesprochen, auch immer über die Bibel. Wenn er Fragen hatte, haben wir über die Bibel gesprochen.

RI: Ich habe gefragt, worüber Sie bei diesem ersten Zusammentreffen mit dem AG gesprochen haben.

Z: Natürlich war meine erste Frage, woher er komme, wo er wohnt, seit wann er in Österreich lebt/ist. Zum Beispiel, wie der Zustand mit den Dokumenten ist, ob er eine Antwort hat und solche Sachen. Eine der wichtigsten Fragen ist, seit wann er in der Kirche ist. Um dieses Thema ging es.

RI an AG: Ich habe vorläufig keine Fragen mehr an Sie. Möchten Sie, dass noch irgendwelche Fragen an den Zeugen gestellt werden?

AG: Ich habe auch keine Fragen.

[…]

RI: Sie haben eingangs gehört, dass das BFA beantragt hat, das Verfahren über Ihren Antrag auf internationalen Schutz wiederaufzunehmen. Was sagen Sie dazu? Wollen Sie auch, dass das Verfahren wiederaufgenommen wird, oder möchten Sie, dass der Antrag des BFA abgewiesen wird?

AG: Ich lehne es ab, weil es abgeschlossen ist. Seit 12 Jahren bin ich hier. Ich bin verheiratet, wir beide leben hier. In kurzer Zeit werde ich auch Vater werden. In diesem 12 Jahren habe ich auch die Zeit positiv genutzt, viele Kurse gehabt, ich habe die Sprache, soweit es mir möglich war, gelernt, ich habe die österreichische Kultur kennengelernt. Man kann sogar sagen, dass ich hier aufgewachsen bin. Ich denke an die Zukunft, an die Frau, an mein Kind bzw. an meine Kinder. Ich würde gerne hier mein Leben weiterleben. Aus diesem Grund lehne ich es ab.

RI: Das BFA führt ins Treffen, dass Sie damals Ihre Konversion zum christlichen Glauben nur vorgetäuscht hätten, um einen positiven Asylbescheid zu erreichen. Was sagen Sie dazu?

AG: Ich habe zu diesem Zeitpunkt auch eine positive Antwort gehabt, ich hatte mindestens den subsidiären Schutz. Ich musste mich nicht fälschlicherweise als Christ bezeichnen. Ich habe bewusst diesen Weg ausgewählt und ging den Weg. Ich habe es sicher nicht angegeben, dass ich Dokumente bekommen, weil ich hatte ja den subsidiären Schutz.

RI: Das BFA führt als negative Punkte unter anderem an, dass Sie bei der Einvernahme im letzten Jahr auf Befragen nicht einmal die wichtigsten christlichen Feste nennen konnten, ausgenommen Weihnachten. Was sagen Sie dazu?

AG: Noch einmal, an diesem Tag ging es mir nicht gut, wie ich vorhin gesagt habe. Man hat mir auch an diesem Tag gesagt, dass man meinen Reisepass wiederzurücknehmen konnte, da ich mit diesem Pass zur afghanischen Botschaft hingegangen bin. Aus diesem Grund hatte ich auch Angst und die ganze Zukunft drehte sich in meinem Kopf durch. Wie gesagt, ich habe auch an die Vergangenheit gedanklich gedacht, obwohl ich mich dagegen wehren wollte. Ich hatte auch kurz das Gefühl, dass es besser wäre, hier zu sterben, als zurückzugehen.

RI: Aber Sie konnten damals nicht den Namen des Pfarrers Ihrer Kirche nennen.

AG: Ich kann mich nur wiederholen. Es ging mir gesundheitlich gesehen an diesem Tag nicht gut. Außerdem habe ich auch Beweise, weil im Jahr 2010 hatte ich einen Psychiater, weil sie mir damals nicht geglaubt habe, der hat alles bestätigt. An diesem Tag kam noch dazu, weil ich den Brief vom BFA bekommen habe, ich dachte mir, was ist jetzt.

RI: Sie konnten sich aber nicht einmal ans Vater Unser erinnern.

AG: Ich war an diesem Tag körperlich dort, aber gedanklich und geistig war ich so durcheinander. Ich war nicht anwesend. Da es mir sehr schlecht ging, habe ich angefangen zu weinen, obwohl ich mich dagegen wehrte. Ich konnte mich nicht kontrollieren oder beruhigen.

RI: Möchten Sie noch etwas sagen? Ich habe keine weiteren Fragen an Sie.

AG: Als erstes möchte ich nochmals betonen, dass ich heute und auch damals die Wahrheit sagte. Ich bedanke mich auch bei Österreich, weil mir geholfen wurde, dass ich hier ein neues Leben anfangen konnte. Natürlich gab es für mich dann die Möglichkeiten, mich hier weiterzubilden, Kurse zu machen und hier zu arbeiten. Dann konnte ich auch schon langsam die Vergangenheit vergessen. Dann hat ein neues Leben anfangen, deshalb wollte ich mich bei Österreich herzlich bedanken.“

9. Mit Beschluss vom 30.11.2020, W150 1402910-4/10E, gab das BVwG dem Antrag des BFA vom 26.02.2019 auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG statt und verfügte die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.01.2010, AZ. C2 402910-1/2008/13E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens. Die Revision wurde nicht zugelassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz vom 26.11.2007, der Entscheidung des Bundesasylgerichtshofes vom 28.01.2010, AZ. C2 402910-1/2008/13E und des dazugehörigen Voraktes, des Antrages auf Wiederaufnahme durch das BFA vom 26.02.2019, der seinerzeitigen Beschwerde des BF gegen den angefochtenen Bescheid des BAA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der vor dem BVwG durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, in das Zentrale Melderegister, das Strafregister, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1.    Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

1.2.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist zu den im Spruch angeführtem Datum geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Farsi. Er ist im erwerbsfähigen Alter und gesund.

Der BF lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte in Bezug auf sein Heimatland Afghanistan.

Der BF hat am 15.08.2017 in Teheran mit einer afghanischen Staatsangehörigen die Ehe in der Form der Dauerehe nach islamischem Ritus geschlossen.

Am 26.11.2007 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde im Afghanistan, in XXXX , geboren.

Der BF ist in Österreich unbescholten.

Der BF spricht Deutsch auf B1 Niveau.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13.08.2015, 014 HV 92/2015k wegen § 28 Abs. 1 SMG (Vorbereitung von Suchtgifthandel) und §§ 27 Abs. 1 8. Fall, 27 Abs. 3 SMG (gewerbsmäßiges Anbieten von Suchtgiften) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, davon 8 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

1.3.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF hat sich wieder unter den Schutz seines Heimatlandes begeben, indem er sich am 18.09.2017 zum Zwecke der Registrierung seiner Eheschließung mit einer afghanischen Staatsangehörigen in der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistans in Teheran aufgehalten hat und sich dort eine Heiratsurkunde ausstellen ließ.

1.3.1.  Nachfluchtgrund der Konversion

Aus unten in der Beweiswürdigung im Detail ausgeführten Gründen wird festgestellt dass der BF nicht aufgrund innerer Überzeugung ernstlich zum christlichen Glauben konvertiert ist. Seine seinerzeitige Taufe erfolgte als Mittel zum Zweck, um – als Konvertit - ein für ihn günstiges Ergebnis im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesasylgerichtshof zu erzielen.

1.3.2.  Im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachte Fluchtgründe

Aus unten in der Beweiswürdigung im Detail ausgeführten Gründen werden die vom BF im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde vorgebrachten Fluchtgeschichten (A: Flucht aufgrund der Ermordung eines Onkels; B: Flucht aufgrund der Ermordung eines mutmaßlichen Taliban) als nicht zutreffend festgestellt. Sie unterscheiden sich substantiell voneinander.

Weitere Fluchtgründe in Bezug auf das Heimatland des BF bestehen nicht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang sowie die unter Punkt II.1.1. und 1.2. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes (W150 1402910-3) und des Bundesasylgerichtshofes (C2 402910-1/2008), dem Verfahrensakt des BAA (nunmehr: BFA XXXX , vormals: XXXX ) und auch aus dem Verlauf der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18.08.2020 vor dem BVwG und den dort vorgelegten Unterlagen.

2.2. Hinsichtlich der Unterschutzstellung:

Unbestritten ist, dass der BF 2017 in Teheran eine afghanische Staatsangehörige nach islamischem Ritus geheiratet hat und von der afghanischen Vertretungsbehörde eine diesbezügliche Heiratsurkunde ausgestellt wurde. Dies ergibt sich aus der Vorlage der Urkunde durch den BF selbst, sowie durch seine Aussagen.

Bestritten wurde vom BF, dass er zu diesem Zwecke die Botschaft der Vertretungsbehörde betreten hätte. Dies ist aber aus nachfolgenden Gründen als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren. So hatte der BF beispielsweise noch vor dem BFA angegeben, persönlich bei der Afghanischen Botschaft in Teheran gewesen zu sein, seine Frau hätte ihre Sache nicht weitermachen können, der Ehemann müsse alles erledigen. Vor dem BVwG gab er dann allerdings diesbezüglich verschiedene anderen Versionen an: „Nur meine Frau ist zur Botschaft gegangen.“ „Man hat mich nicht reingelassen, man hat mich rausgeschmissen, weil man der Meinung war, dass ich kein Afghaner sei.“ Insbesondere auf den Vorhalt: „Nach dieser amtlich beglaubigten Übersetzung hat das aber die Botschaft der islamischen Republik Afghanistan bestätigt, unterschrieben und gestempelt, dass Sie die Ehe vor der afghanischen Botschaft geschlossen haben. Sind die Angaben in dieser Urkunde falsch?“ antwortete er: „A

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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