Entscheidungsdatum
04.12.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W205 2237300-1/5Z
Teilerkenntnis:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2020, Zl. 1264768907/200426400, zu Recht:
A)
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.05.2020 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist seinen Angaben zufolge in Indien geboren und Staatsangehöriger von Indien, gehört der Glaubensgemeinschaft des Sikhismus an, ist ledig und hat keine Kinder. Bei der Erstbefragung am 25.05.2020 gab er zu seinem Fluchtgrund iW an, er habe seine Heimat verlassen, weil nach dem Tod seines Vaters seine Onkel Anspruch auf sein Grundstück erhoben hätten, er sei angegriffen, geschlagen und mit dem Tod bedroht worden.
2. In der Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.10.2020 gab der Beschwerdeführer u.a. - neben allgemein gehaltenen Ausführungen zur Gefährdung von Sikhs – an, er sei bei den genannten Grundstücksstreitigkeiten mit einem Messer am Bein verletzt worden und habe daher lange Zeit im Spital verbringen müssen, das habe er auch schon bei der Ersteinvernahme angegeben. Sein Onkel habe Beziehungen zu näher genannten Nationalratsabgeordneten der Congresspartei, diese hätten dazu geführt, dass die Polizei nicht gegen den Bedroher vorgegangen sei.
3. Das Bundesamt wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2°Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 6 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erkannte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gewährte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII).
In Spruchpunkt VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI).
Das Bundesamt führte im Wesentlichen – unter näheren beweiswürdigenden Ausführungen - begründend aus, der Beschwerdeführer sei in Ansehung des konkreten Fluchtvorbringens persönlich unglaubwürdig, seine Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der LPD NÖ und vor dem BFA seien vollkommen widersprüchlich, sein Vorbringen entspreche offensichtlich nicht den Tatsachen und schloss daraus, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG vorlägen. Für die Behörde stehe fest, dass bei Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Der Beschwerdeführer bedürfe daher nicht des Schutzes Österreichs. Es sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. Da seinem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden und ihm auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es ihm zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.
Weiters wurde auch für den Fall der Wahrunterstellung des Vorbringens das Vorliegen einer tauglichen innerstaatlichen Fluchtalternative bejaht.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid vollumfänglich und führte unter Beantragung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in der Begründung im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei bei der Erstbefragung nicht näher zu den Fluchtgründen befragt und aufgefordert worden, sich kurz zu halten, er werde später noch Gelegenheit erhalten, sein Fluchtvorbringen umfassend zu erstatten. Die von der Behörde dargestellten Widersprüche zur späteren Einvernahme vor dem BFA seien jedenfalls erklärbar (es werden in der Folge im Einzelnen Erklärungen abgegeben), die vorgebrachte Verfolgung habe ihren Grund darin, dass der betreffende Onkel aufgrund seiner politischen Aktivitäten Einfluss auf die Polizei habe.
5. Die gegenständliche Beschwerde langte samt Verwaltungsakt am 27.11.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Der für die gegenständliche Entscheidung relevante § 18 BFA-VG lautet:
„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18.
(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1.
der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2.
schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3.
der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,
4.
der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5.
das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6.
gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7.
der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
( ….)
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging in der Bescheidbegründung aus näher dargestellten beweiswürdigenden Überlegungen davon aus, dass das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Beweiswürdigung ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde substantiiert entgegengetreten, hat konkrete Argumente für den Grund der - von ihm als „Missverständnisse“ bezeichneten - Widersprüche dargelegt und zur Aufklärung die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung beantragt.
Auch wenn der Behörde zuzugestehen ist, dass im Beschwerdefall im Zuge des Einvernahmeverlaufes deutliche Ungereimtheiten zu erkennen sind, so ist im Gesamtvorbringen noch nicht ein solches Maß qualifizierter (offensichtlicher) Unglaubwürdigkeit des gesamten Fluchtvorbringens zu sehen. Nach der Rechtsprechung reicht eine schlichte Tatsachenwidrigkeit nicht aus, vielmehr müssen Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss "unmittelbar einsichtig" ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die Schilderung des Asylwerbers wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich "quasi aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen "klar auf der Hand liegen" (s zur Auslegung des insofern wortgleichen § 6 Z 3 AsylG 1997: VwGH 22.12.2005, 2003/20/0205, mwH auf die Vorjudikatur, zB auf VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214; 06.05.2004, 2002/20/0361). Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor, vielmehr ist zur Prüfung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens eine Verhandlung erforderlich, zu deren Durchführung die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich ist.
Der Beschwerde war daher hinsichtlich Spruchpunkt VI. statt zu geben und dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber abgesondert entschieden werden.
2. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Entscheidung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.
4. § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 verpflichtet das Bundesverwaltungsgericht dazu, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde mit (Teil-)Erkenntnis abzusprechen (VwGH vom 19.10.2017, Ra 2017/18/0278.). Es war daher mit Teilerkenntnis zu entscheiden.
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine Frage des Einzelfalles ist, der grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Glaubwürdigkeit TeilerkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W205.2237300.1.00Im RIS seit
28.06.2021Zuletzt aktualisiert am
28.06.2021