TE Bvwg Beschluss 2020/12/16 W270 2211483-1

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Veröffentlicht am 16.12.2020
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Entscheidungsdatum

16.12.2020

Norm

UVP-G 2000 §19 Abs1
UVP-G 2000 §19 Abs10
UVP-G 2000 §19 Abs4
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGG §30 Abs1
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W270 2211483-1/108E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Günther GRASSL über den Antrag 1. XXXX alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH, Weimarer Straße 55/1, 1180 Wien, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.10.2020, W270 2211483-1/98E, betreffend Genehmigung des Vorhabens „Deponie Enzersdorf an der Fischa“ gemäß Umweltverträglichkeitsgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung, mitbeteiligte Partei: XXXX , vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH, Hohenstaufengasse 7, 1010 Wien) erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.


Text


Begründung:

1. Gegenstand:

1.1. Mit der durch die Revision angefochtenen Entscheidung wurde eine Beschwerde zurückgewiesen (Spruchpunkt A) I.) und im Übrigen den Beschwerden der Antragsteller teilweise Folge gegeben und die von der belangten Behörde nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (in Folge auch: „UVP-G 2000“) erteilte Genehmigung abgeändert (Spruchpunkt A) II.). Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gegen Spruchpunkt A) I. für unzulässig, jene gegen Spruchpunkt A) II. für zulässig (Spruchpunkte B) I. und II.).

1.2. Gegen diese Entscheidung erhoben die Antragsteller Revision und beantragten in einem, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.3. Begründend führten die Antragsteller aus, dass das Vorhaben der mitbeteiligten Partei unstrittig einen massiven Eingriff in die Umwelt darstelle. Ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könne die Projektwerberin mit der Realisierung des Vorhabens beginnen bzw. dieses fortsetzen, was sie auch bereits öffentlich angekündigt habe. Den Revisionswerbern drohe ein unverhältnismäßiger Nachteil, wenn das Vorhaben ausgeführt werde und sich in der Folge herausstellen sollte, dass der Revision Folge gegeben würde. Der unverhältnismäßige Nachteil der Revisionswerber sei offensichtlich, weil aufgrund der rechtlichen Ungewissheit der Zufahrt auch die Umweltauswirkungen des Projekts und somit die konkreten Auswirkungen hinsichtlich Lärm und Luft von den Revisionswerbern nicht ausreichend beurteilt werden konnten. Die Projektverwirklichung würde irreversible Veränderungen mit sich bringen, weil es zu einem nicht mit der Umwelt verträglichen Projekt kommen würde. Bis zu einem – allenfalls sogar exekutiven – Abbruch des dann konsenswidrig errichteten Vorhabens könnten Jahre vergehen und es wären die Auswirkungen auf die Revisionsweber, die Waldkultur und die Natur unzumutbar. Zwingende öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, seien nicht erkennbar. Vielmehr bestehe ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der Natur und dem Schutz der Umwelt.

1.4. Sie führten weiters aus, dass es beim derzeit gegebenen Stand der Rechtsordnung bei der hier konkret vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht falle, dass die Umsetzung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Revisionswerber im Fall ihres Obsiegens jedenfalls in zeitlicher Hinsicht weiterhin ungewiss bleibe. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass angesichts dessen, dass der Betroffene im Verwaltungsverfahren subjektive Rechte verfolge, es nicht mehr ausreichen könne, ihn bei der subjektiven Verfolgbarkeit dieser Rechte in Bezug auf die Umsetzbarkeit derselben ins Tatsächliche auf die Amtspflicht der Behörde bzw. die Judikatur der ordentlichen Gerichte zum Missbrauch der Amtsgewalt oder auf das Einschreiten der Volksanwaltschaft zu verweisen.

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Parteien die Gelegenheit ein, sich zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu äußern.

1.6. In einer in der Folge erstatteten Äußerung legte die mitbeteiligte Partei dar, dass der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen würden. So habe das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren das öffentliche Interesse an einer Umsetzung des gegenständlichen abfallwirtschaftlichen Projekts anhand der gesetzlichen Grundlagen, der fachgutachterlichen Aussagen der Sachverständigen für Abfallwirtschaft, der Ausführungen der belangten Behörde im Bewilligungsbescheid und der einzelnen Beschwerdevorbringen geprüft und als gegeben beurteilt. Aus dem Erkenntnis gehe auch hervor, dass an einem Vorhaben zur Deponierung von Baurestmassen nicht nur zweifelsfrei ein öffentliches Interesse, sondern auch ein unmittelbares, dringendes öffentliches Interesse bestehe. So stehe im Einzugsbereich von 30 km im Umkreis um das Vorhaben eine erforderliche Deponiekubatur von ca. 480.000 m³/a Baurestmassen und Bodenaushub mit Baurestmassenqualität einer derzeit bekannten Restkapazität von lediglich 520.000 m³ gegenüber. Aus dieser Gegenüberstellung sei klar erkennbar, dass für die Deponierung von Baurestmassen und Bodenaushub mit Baurestmassenqualität im Einzugsbereich um das Vorhaben bereits Kapazitätsengpässe gegeben bzw. unmittelbar zu erwarten seien. Aufgrund des Vorliegens qualifizierter öffentlicher Interessen am sofortigen Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses sei die beantragte aufschiebenden Wirkung daher nicht zuzuerkennen.

1.7. Die mitbeteiligte Partei brachte in ihrer Äußerung weiters vor, dass die Antragsteller die angeblich massiven Eingriffe in die Umwelt nicht ansatzweise konkretisiert hätten. Vielmehr entzögen sich die Revisionswerber ihrer Konkretisierungspflicht, indem sie es dem entscheidenden Verwaltungsgericht überließen, sich die entsprechenden Nachteile für die Umwelt selbst aus den Unterlagen des bisherigen Verfahrens herauszusuchen. Darüber seien dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkungen auch keinerlei Angaben dazu zu entnehmen, warum die angeblich massiven Eingriffe in die Umwelt nach einer stattgebenden Revisionsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr rückgängig zu machen wären. Auch seien die von den Antragstellern ganz allgemein behaupteten unzumutbare Auswirkungen auf sie, die Waldkultur und die Natur bereits Gegenstand des behördlichen Verfahrens einschließlich der dort vorgesehenen Interessensabwägung und auch Gegenstand der nunmehr angefochtenen Entscheidung gewesen. In einem Verfahren über einen Aufschiebungsantrag hätten die Antragsteller aber solche Beeinträchtigungen der von ihr als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltgüter konkretisiert darzulegen gehabt, die nicht bereits in der von der belangten Behörde im angefochtenen Genehmigungsbescheid getroffenen, nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Interessenabwägung berücksichtigt wurden.

1.8. Ebenso trat die mitbeteiligte Partei der Behauptung entgegen, dass aufgrund der Ungewissheit der Zufahrt die Umweltauswirkungen des Projekts hinsichtlich Lärm und Luft nicht ausreichend beurteilt worden seien. Vielmehr seien die Umweltauswirkungen beider Zufahrtsvarianten umfassend geprüft worden.

2. Würdigung:

2.1. § 30 Abs. 1 und 2 VwGG lautet samt Überschrift:

„Aufschiebende Wirkung

§ 30. (1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.

(2) Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden. Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“

2.2. Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden.

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit dieser ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Unter den „Annahmen des Verwaltungsgerichts“ sind die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (dazu etwa VwGH 08.10.2019, Ro 2019/04/0021, Rn. 12, m.w.N.).

2.4. Zu prüfen ist zunächst, ob dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht bereits das von der mitbeteiligten Partei gesehene zwingende öffentliche Interesse entgegensteht:

2.5. Von einem „zwingenden öffentlichen Interesse“ im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur dann gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenslage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten. Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt nicht schon ohne Weiteres zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten. Hiezu bedarf es noch des Hinzutretens weiterer Umstände, um die öffentlichen Interessen als „zwingend“ im Sinne der genannten Gesetzesstelle ansehen zu können (vgl. etwa VwGH 06.05.2019, Ra 2019/03/0040, Rn. 7, m.w.N.).

2.6. Nun trifft es zwar zu, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung aufgrund des (teilweise auf sachverständigen Ermittlungstätigkeiten beruhend) festgestellten Sachverhalts zum Schluss kam, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung besteht, jedoch fallbezogen ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung von zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Es lag also ein zugunsten der Verwirklichung des Vorhabens sprechendes „überwiegendes“ öffentliches Interesse vor. Doch folgt daraus allein noch kein – auch – „zwingendes“ Interesse.

2.7. Auch mit dem Argument, dass im Einzugsbereich um das Vorhaben einer erforderlichen Deponiekubatur nur eine bestimmte Restkapazität von gegenüberstehe und sohin klar Kapazitätsengpässe für die Deponierung von Baurestmassen und Bodenaushub mit Baurestmassenqualität gegeben bzw. unmittelbar zu erwarten seien, zeigt die mitbeteiligte Partei noch keinen Umstand auf, der ein (sogar) „zwingendes“ öffentliches Interesse an der sofortigen Verwirklichung des Vorhabens begründet.

2.8. Zu prüfen ist damit, ob nach Abwägung der berührten öffentlichen und sonstigen Interessen mit der durch die Genehmigung des Vorhabens durch das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2020 eingeräumten Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Antragsteller verbunden ist:

2.9. Um die vom Gesetzgeber in § 30 Abs. 2 VwGG geforderte Interessenabwägung überhaupt vornehmen zu können, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich erforderlich, dass die antragstellende Partei schon in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihr behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Die Anforderungen an die Konkretisierungspflicht sind dabei streng (vgl. zu alledem etwa VwGH 04.02.2019, Ra 2018/04/0179, Rn. 10, m.w.N.).

2.10. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt in der Folge von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab (vgl. VwGH 19.08.2019, Ra 2019/04/0094, m.w.N.).

2.11. Als ein „unverhältnismäßiger Nachteil“ im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG ist im Fall einer gemäß § 19 Abs. 1 Z 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisation ein Eingriff in die von den in § 19 Abs. 4 bzw. Abs. 10 UVP-G 2000 genannten „Umweltschutzvorschriften“ geschützten Interessen zu verstehen. Dies gilt auch für Bürgerinitiativen gemäß § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 (vgl. VwGH 22.10.2019, Ra 2019/06/0148, Rn. 12).

2.12. Die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil anzusehen. Im Fall des Obsiegens der revisionswerbenden Parteien hat allein der Projektwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Vorhabens und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen (dazu aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 25.03.2015, Ra 2014/05/0054, m.w.N.).

2.13. Nun haben die Antragsteller in der Begründung ihres Aufschiebungsantrags nur pauschal darauf hingewiesen, dass das Vorhaben einen „massiven“ Eingriff in die Umwelt darstelle, ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der Natur und dem Schutz der Umwelt „bestehe“ und die Projektverwirklichung „irreversible Veränderungen“ mit sich bringen würde, weil es zu einem „nicht mit der Umwelt verträglichen Projekt“ kommen würde (s. unter Pkt. III des Revisionsschriftsatzes). Ihrer Pflicht zur – bei strenger Betrachtung auch ausreichend konkretisierten – Darlegung eines oder mehrerer Nachteile i.S.d. oben dargestellten Rechtsprechung sind die Antragsteller damit noch nicht nachgekommen bzw. haben sie mit den vorgetragenen Gründen allein auch noch keinen solchen Nachteil dargelegt.

2.14. Die Antragsteller leiten aber auch einen Nachteil daraus ab, dass aufgrund der „rechtlichen Ungewissheit der Zufahrt“ auch die Umweltauswirkungen des Projekts und somit die konkreten Auswirkungen hinsichtlich Lärm und Luft von den Antragstellern nicht ausreichend beurteilt werden konnten. Wie die mitbeteiligte Partei vollkommen zu Recht aufzeigt, wurden allerdings entgegen der Ansicht der Antragsteller die Umweltauswirkungen aus einem (möglichen, dem Vorhaben zuzurechnenden) induzierten Verkehr – jedenfalls hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die (jeweils betroffene) Umgebungsluft- und Umgebungslärmsituation, aber in der Folge auch auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden – durch Sachverständige geprüft und auch entsprechende Feststellungen (hier: Annahmen) vom Bundesverwaltungsgericht getroffen. Dies unter der Annahme, dass eine der Errichtung und dem Betrieb des Vorhabens adäquate Zufahrtsinfrastruktur hergestellt wird (was auch als – aufschiebende – Bedingung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens überhaupt vorgeschrieben wurde). Dass die vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Annahmen nicht zutreffen würden, behaupten die Antragsteller dabei nicht einmal.

2.15. Wie oben ebenso festgehalten, folgt auch aus dem Umstand, dass die mitbeteiligte Partei mit der Realisierung des Vorhabens beginnen könnte (dies jedenfalls bei Eintritt des in der vorgeschriebenen aufschiebenden Bedingung beschriebenen Ereignisses), für sich genommen noch kein unverhältnismäßiger Nachteil für die Antragsteller.

2.16. Die Antragsteller weisen schließlich noch darauf hin, dass – unter Hinweis auf nicht näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs – es auch bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht falle, dass die Umsetzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte weiterhin ungewiss bleibe. Dazu war fallbezogen Folgendes zu erwägen:

2.16.1. Die Antragsteller hatten bei Abfassung ihres Aufschiebungsantrags wohl die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 13.02.2019, Ra 2019/05/0002, vor Augen: Darin erwog der Gerichtshof auf das Wesentliche zusammengefasst, dass es bei der Verfolgung von subjektiven Rechten (auch) um deren „faktische Effizienz“ geht. Wenn der Gesetzgeber einem Rechtsbehelf wie einer Revision, die der Durchsetzung eines subjektiven Rechts dienen soll, grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zuerkennt, ist er verhalten, eine Regelung zu treffen, die es der Vollziehung ermöglicht, die aufschiebende Wirkung im Einzelfall nach einer umfassenden Interessenabwägung dennoch zuzuerkennen. Nun fiel es aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs nach der zum Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehenden Wiener Bauordnung ins Gewicht, dass diese – entgegen anderen Baurechtsordnungen in Österreich – einem Revisionswerber für den Fall seines Obsiegens aber nicht (mehr auch) die Möglichkeit einräumte, einen Vollstreckungstitel zu erwirken, um einen Abbruch eines bereits errichteten Bauwerks auch beizeiten durchzusetzen (anders als etwa nach § 35 Abs. 2 NÖ BauO). Die Umsetzung seines subjektiv-öffentlichen Rechts bleibt somit aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls in zeitlicher Hinsicht weiterhin ungewiss. Es kann eben – was auch die Antragsteller gegenständlich hervorheben – nicht ausreichen, den Revisionswerber bei der subjektiven Verfolgbarkeit dieser Rechte in Bezug auf die Umsetzbarkeit derselben ins Tatsächliche auf die Amtspflicht der Behörde bzw. die Judikatur der ordentlichen Gerichte zum Missbrauch der Amtsgewalt oder auf das Einschreiten der Volksanwaltschaft zu verweisen.

2.16.3. In seinem Beschluss vom 08.10.2019, Ro 2019/04/0021, Rn. 10, – dem dortigen Aufschiebungsantrag lag ein Genehmigungsverfahren nach den §§ 5 und 17 UVP-G zugrunde – bejahte der Verwaltungsgerichtshof ein der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehendes zwingendes öffentliches Interesse und erwog, dass im Hinblick darauf die Ausführungen in Ra 2019/05/0002 schon mangels Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Konstellationen nicht übertragbar sind. Doch führte der Verwaltungsgerichtshof in der Folge, Rn. 11, auch aus, dass selbst bei „Nicht-Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses“ ein unverhältnismäßiger Nachteil für die revisionswerbenden Parteien nicht aufgezeigt worden wäre (s. zur Bedeutung von Ro 2019/05/0002 in einem Verfahren über einen Aufschiebungsantrag betreffend eine [dort negative] UVP-Feststellungsentscheidung überdies VwGH 13.01.2020, 2019/06/0177).

2.16.4. Das Bundesverwaltungsgericht geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass auch bei der gegenständlichen Konstellation auch bei Berücksichtigung der Erwägungen in Ro 2019/05/0002 nicht vom Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils auszugehen ist. Es kann damit auch dahingestellt blieben, ob die Antragsteller nach dem UVP-G 2000 oder einer sonstigen materienrechtlichen Vorschrift einen (allenfalls auch im Rechtsschutzweg durchzusetzenden) Titel zur Herstellung eines bestimmten Zustands für den Fall der Stattgabe der Revision, der (allfälligen) Berücksichtigung des Fortbetriebsrechts nach § 42a UVP-G 2000 sowie einer auch in der weiteren Folge nicht erteilten Genehmigungsentscheidung für die Errichtung des Vorhabens erlangten könnten.

2.17. Da bei Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.10.2020 eingeräumten Berechtigung von keinem unverhältnismäßigen Nachteil für die Antragsteller auszugehen war, war dem Antrag nicht stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Genehmigungsverfahren Interessenabwägung konkrete Darlegung Konkretisierung öffentliche Interessen Revision Rodung subjektiv-öffentliche Rechte Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung unverhältnismäßiger Nachteil Vollzugstauglichkeit zwingendes öffentliches Interesse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W270.2211483.1.03

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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