TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/7 W221 2173833-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2021
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Entscheidungsdatum

07.01.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W221 2173833-1 /32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017, Zl. 1100656002-152083185, nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen am 03.06.2020 und 11.09.2020, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 29.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 30.12.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers (AS 13-18) statt. Dabei gab er an, aus XXXX in Iran zu stammen und vor circa 42 Tagen, mit Hilfe eines Schleppers, in einem PKW von Teheran bis zur iranisch-türkischen Grenze gekommen zu sein. In Folge habe er die Grenze illegal zu Fuß überschritten. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus an, über eine 12-jährige Schulausbildung zu verfügen und 2 Jahre lang die Universität besucht zu haben. Er sei schiitischer Moslem. Die Eltern sowie die minderjährige Schwester des Beschwerdeführers befänden sich weiterhin in Iran. Er gab zudem an, keine Familienangehörigen in Österreich oder einem sonstigen EU-Staat zu haben. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er in Iran von der Universität geschmissen worden sei. Er habe vor 2 Jahren an einer verbotenen Demonstration teilgenommen. Seitdem werde er von der Behörde, unabhängig von seinen Aufenthaltsorten in Iran, verfolgt. Im Falle der Rückkehr in seine Heimat befürchte der Beschwerdeführer ins Gefängnis zu kommen sowie seinen Tod.

Am 28.08.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen (AS 63-72). Dabei erklärte er zunächst, dass er die Dolmetscherin, welche bei der oben genannten Erstbefragung des Beschwerdeführers anwesend gewesen sei, aufgrund ihrer Eigenschaft als Paschtunin, nicht verstanden habe. Somit sei die Erstbefragung für ihn schwierig gewesen. Der Beschwerdeführer erklärte, dass er in XXXX geboren sei, der Volksgruppe der Perser angehöre und Christ, genauer gesagt Protestant, sei. In seiner Familie gebe es sonst nur schiitische Moslems. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er seit 2013 mit seiner Familie in einem Wohnblock in XXXX gelebt habe. Dort seien viele seiner Nachbarn Christen und Armenier gewesen. Über den Kontakt zu seinen Nachbarn habe er sich zunehmend mehr für den Glauben interessiert und sich schlussendlich, noch im Jahr 2013, dazu entschlossen selbst Christ zu werden. Er sei nicht getauft gewesen, habe jedoch viel über den christlichen Glauben gelesen. In weiterer Folge habe ihn einer seiner Nachbarn, ein armenischer Christ, mit welchem er diesbezüglich engen Kontakt gepflegt habe, davon überzeugt seine Mitmenschen zu missionieren. Folglich habe der Beschwerdeführer versucht 3 bis 4 Freunde an der Universität, welche er seit 2014 besucht habe, zu missionieren. Einer dieser Freunde habe ihn dann bei den Verantwortlichen der Universität verraten, woraufhin der Beschwerdeführer von ebendiesen Verantwortlichen zu einem Gespräch vorgeladen worden sei. Bei diesem Gespräch habe er den Verantwortlichen geschildert, dass er seinen Glauben geändert habe und dazu stehe. Als Reaktion sei er dazu aufgefordert worden beim Rektor vorzusprechen. Dieser Aufforderung habe der Beschwerdeführer jedoch nicht Folge geleistet, da die Verantwortlichen in Verbindung mit bzw. unter Kontrolle der Regierung bzw. Religionspolizei gestanden hätten. Im Anschluss habe er so schnell als möglich seine Fluchtreise schlepperunterstützt organisiert und sei nach Europa gekommen. Seine Familie habe seinen christlichen Glauben zwar nicht akzeptiert bzw. sei über diesen unglücklich gewesen, habe ihn deswegen jedoch nicht fertig gemacht und ihm schlussendlich auch bei der Flucht geholfen.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017 (AS 95-168), zugestellt am 22.09.2017, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Iran, stellte die Identität des Beschwerdeführers mangels eines unbedenklichen Identitätsdokuments nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes nicht glaubhaft seien. Es habe weder festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert, noch, dass er sonst einer asylrelevanten Gefährdung oder Verfolgung in Iran ausgesetzt gewesen sei. So habe insbesondere die Divergenz zwischen den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung, wonach dieser an Demonstrationen teilgenommen habe und in Folge von den iranischen Behörden verfolgt worden sei, sowie jenen im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme, wonach die Konversion zum Christentum der ausschlaggebende Fluchtgrund gewesen sei, große Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufkommen lassen. Diesbezüglich habe auch nicht festgestellt werden können, dass es im Rahmen der Erstbefragung des Beschwerdeführers zu tatsächlichen Verständigungsschwierigkeiten mit der anwesenden Dolmetscherin gekommen sei. Es sei nicht glaubhaft bzw. nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in Folge seines Gesprächs mit den universitären Sittenwächtern nicht festgenommen worden sei. Des Weiteren habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer bereits in Iran mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen sei. Es sei weder nachvollziehbar, dass die Familie des Beschwerdeführers im Anschluss an seine Konversion mit keinerlei Sanktionen konfrontiert gewesen sei, noch, dass seine Familie, welche der Glaubensänderung des Beschwerdeführers ablehnend gegenübergestanden habe, dem Beschwerdeführer nichtsdestotrotz bei der Flucht geholfen habe. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme keine konkreten und tiefergehenden Angaben über das Christentum machen können. Somit sei, auch trotz des Umstandes der Taufe des Beschwerdeführers in Österreich, davon auszugehen, dass es sich hierbei lediglich um eine Scheinkonversion handle. Im Verfahren hätten sich zudem keine Anhaltspunkte ergeben, welche der konkreten Zumutbarkeit der Rückkehr nach Iran entgegenstünden. Somit wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Iran keine Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe sowie seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt drohe. Abschließend begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Rückkehrentscheidung.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 19.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt, sowie dieser über die verpflichtende Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgespräches informiert.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vollumfängliche Beschwerde erhoben, welche am 06.10.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Iran aufgrund seiner Konversion zum Christentum und somit seiner Religionszugehörigkeit, die Verfolgung durch die iranischen Behörden und damit verbunden insbesondere die Todesstrafe drohe. Der Beschwerdeführer könne durch seine Taufe, welche in der Church of Acts Gemeinde Wien stattgefunden habe sowie seine regelmäßigen wöchentlichen Besuche des Gottesdienstes in derselben Gemeinde seinen starken christlichen Glauben und damit verbunden seine tiefe innere Überzeugung, Christ zu sein, bestätigen bzw. bekräftigen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde eine Differenzierung bezüglich der Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner fehlenden Taufe und Besuche einer Hauskirche in Iran auf der einen Hand sowie seiner Konversion zum Christentum, missionarischen Tätigkeit und Vorladung bei der Religionspolizei auf der anderen Hand vorgenommen habe. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Folge seines Gespräches mit den iranischen Sittenwächtern nicht sofort festgenommen worden sei, sei darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer im Zuge des damaligen Gespräches niemals explizit angegeben habe, dass er vom islamischen Glauben abgefallen sei. Er habe damals vielmehr ausgesagt, dass er seinen Glauben geändert habe und nun gläubiger Christ sei. Erst als Reaktion auf seine Ladung zur Zentralstelle bzw. Religionspolizei habe sich der Beschwerdeführer, aus Furcht vor Verfolgung, gezwungen gesehen (rechtzeitig) zu fliehen. Des Weiteren reiche der Umstand, dass der Familie eines Konvertiten keinerlei Schwierigkeiten wiederfahren würden, nicht aus, um die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu erschüttern. Ebenso sei es nachvollziehbar, dass die Familie des Beschwerdeführers diesem, trotz ihrer grundsätzlichen Ablehnung gegenüber der Konversion des Beschwerdeführers, zur Flucht verholfen habe. Diese Unterstützung sei schließlich mit der Rettung vor der Todesstrafe gleichzusetzen und daher, aus familiärer Perspektive betrachtet, selbstverständlich. Hinsichtlich der Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer zum Christentum bloße vage Angaben habe machen können, wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich kaum befragt worden sei und zudem das „Vater unser“ fehlerlos aufsagen habe können. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer in Iran die Todesstrafe dafür drohe, sei es ebenso nicht nachvollziehbar, warum die Konversion des Beschwerdeführers von der belangten Behörde als Scheinkonversion festgestellt worden sei. Hinsichtlich der Verständigungsprobleme im Zuge der Erstbefragung zwischen Dolmetscherin und Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Sprachkenntnisse, Paschtu einerseits sowie Farsi andererseits, unabhängig von einer behördlichen Überprüfung der Sprachkundigkeit der Dolmetscherin, ausschlaggebend gewesen seien.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 18.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 13.01.2020 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2020 anberaumt.

Mit Schreiben vom 29.01.2020, welches am 30.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, informierte der Generalsekretär der Vereinigten Pfingstkirche Österreichs (VPKÖ) und Pastor der Farsi Gemeinschaft „Neues Leben in Christus (NLC)“, XXXX , dass der Beschwerdeführer am 04.06.2017 in der lokalen Gemeinde „Church of Acts“ getauft worden sei, jedoch in den Jahren 2017 bis 2020 lediglich 25 von 133 möglichen Kirchenbesuch-Sonntagen in Anspruch genommen habe. Der Beschwerdeführer habe zudem nur 3 Kirchenbesuche mit spezieller christlicher Glaubenslehre ausgerichtet für Konvertiten aus Iran/Afghanistan in Anspruch genommen. Angesichts dieses Mangels an Besuchen in seiner neuen Religionsgemeinschaft sei das eigentliche Desinteresse des Beschwerdeführers an der christlichen Religion belegt. Somit habe der Beschwerdeführer die Konversionserfordernisse, welche sich nicht alleine in der Taufzeremonie erschöpfen würden, sondern von Fakten bzw. Anzeichen der tatsächlichen Angehörigkeit zur neuen Religion bzw. Glaubensgemeinschaft abhängig seien, nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer sei demzufolge kein rechtmäßiges Mitglied dieser konkreten Glaubensgemeinschaft.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.06.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich befragt wurde. Der Beschwerdeführer legte dabei dem Bundesverwaltungsgericht ein Unterlagenkonvolut, bestehend aus Kopien einer Therapie-Bestätigung der Universitätsambulanz der Sigmund Freud Privatuniversität, seines Studentenausweises, seines Führerscheins, einer Anmeldebestätigung für einen B1+-Deutschkurs, eines Zertifikats über die erfolgreiche Absolvierung eines A2-Deutschkurses sowie mehreren Unterstützungsschreiben vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.09.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer abermals ausführlich befragt wurde. Auch wurden der Generalsekretär der VPKÖ und Pastor der Farsi Gemeinschaft „Neues Leben in Christus – NLC“, und eine Bekannte des Beschwerdeführers als Zeugen befragt. Der erstgenannte Zeuge legte dem Bundesverwaltungsgericht eine Liste über die vom Beschwerdeführer besuchten Gottesdienste vor. Der Beschwerdeführer legte dem Bundesverwaltungsgericht eine Bestätigung über den Besuch eines B1-Deutschkurses, die Kopie eines Screenshots seiner Facebook-Seite und eine schriftliche Stellungnahme, die auf die ins Verfahren eingeführten Länderinformationen verweist, vor.

Mit Schreiben vom 16.09.2020 wandte sich eine Rechtsanwältin an das Bundesverwaltungsgericht, die davon erfahren hat, dass der als Zeuge einvernommene Pastor behauptet hat, dass er mit ihr über den Beschwerdeführer gesprochen habe und sie den Zeugen von der Ernsthaftigkeit des Glaubens des Beschwerdeführers habe überzeugen wollen. In dem Schreiben führt die Rechtsanwältin aus, dass sie den Beschwerdeführer nicht kenne und auch nicht vertreten habe. Sie habe sich an den Zeugen in einem anderen Verfahren gewandt und mit ihm nie über den Beschwerdeführer gesprochen.

Mit Schreiben vom 29.09.2020 führte der Beschwerdeführer aus, dass es derzeit im Hauptgottesdienst der COA keine Unterschriftenliste gebe. Es sei daher unklar woher die vorgelegte Liste stamme. Außerdem habe der Zeuge in zwei weiteren Verfahren vergleichbare Stellungnahmen abgegeben. Dem Schreiben beigefügt waren Kopien der Studienbestätigung für das Wintersemester 2020/21 und eines Zeugnisses zur Integrationsprüfung B1 des Beschwerdeführers.

Mit Schreiben vom 28.12.2020 legte der Beschwerdeführer einen Gewerbeauszug vor, aus dem hervorgeht, dass er eine Gewerbeberechtigung für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen habe. Der Beschwerdeführer sei selbsterhaltungsfähig, seit über 5 Jahren in Österreich und mit einer österreichischen Staatsangehörigen liiert, sodass eine Rückkehrentscheidung aus den Gründen des Art. 8 EMRK auf Dauer unzulässig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX und lebte dort bis zu seiner Ausreise. Er gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache) und verfügt über einen Maturaabschluss. In Folge studierte er zwei Jahre lang an der Universität (Informatikwissenschaften). Nebenbei arbeitete er als Verkäufer bzw. in einem Theater.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Iran und gehören dem schiitisch muslimischen Glauben an. Zu seiner Familie in Iran hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt via Internet. Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus über mehrere Tanten und Onkel in Iran.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 29.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Depression und ist deshalb in psychotherapeutischer Behandlung, nimmt aber keine Medikamente. Der Beschwerdeführer leidet jedoch an keiner schweren oder lebensbedrohlichen, physischen oder psychischen Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich aktuell einer selbstständigen Tätigkeit als Fahrer nach und ist selbsterhaltungsfähig. Er spricht Deutsch auf Niveau B1.

In Österreich lebt der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin, mit der er seit Mitte 2019 eine Beziehung führt, in einer Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat im Oktober 2019 das Fachstudium Fotografie an der Universität Wien begonnen und auch seinen Führerschein gemacht. Der Beschwerdeführer arbeitete in im Jahr 2017 bzw. 2018 für fünf bis sechs Monate bei der Firma UberEats.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich mehrere Freundschaften mit österreichischen Staatsbürgern geschlossen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer war ursprünglich muslimischen Glaubens und kam in Österreich mit dem Christentum in Kontakt. In Österreich konvertierte der Beschwerdeführer zum Christentum.

Der Beschwerdeführer besuchte im Jahr 2016 bzw. 2017 für neun Monate einen Taufvorbereitungskurs in der Kirche der evangelikalen Gemeinde Wien in der Quellenstraße und ließ sich am 04.06.2017 in der „Church of Acts“ – Vereinigten Pfingstkirche Österreichs taufen. In den Jahren 2017 bis 2019 besuchte er 2 Farsi-Gottesdienste sowie 24 allgemeine Gottesdienste in englischer und deutscher Sprache, daher in Summe 26 von insgesamt 134 möglichen Sonntagsgottesdiensten. Im Jahr 2020 besuchte der Beschwerdeführer bis zur mündlichen Verhandlung vier Mal den Farsi Gottesdienst sowie sechs Mal den allgemeinen Gottesdienst. Dass er nicht öfter den Gottesdienst besucht, liegt an seinen Depressionen.

Darüber hinaus trifft sich der Beschwerdeführer seit Anfang 2020 regelmäßig, ca. einmal pro Woche für ein bis zwei Stunden, mit einer Freundin, um gemeinsam in der Bibel zu lesen und zu beten. Der Beschwerdeführer hat diese Freundin über seine Lebensgefährtin kennengelernt und initiativ die Treffen vorgeschlagen.

Der Beschwerdeführer hat einen Facebook-Account mit 112 Facebook-Freunden, auf dem auf der Startseite, die öffentlich einsehbar ist, ein Kreuz über seinem Foto mit dem Schriftzug „Liebe, Glaube und Hoffnung“ (auf Farsi) sowie ein Zitat aus dem Lukas-Evangelium (auf Farsi) zu sehen ist.

Es wird festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat, sich öffentlich dazu bekennt und den neuen Glauben praktiziert sowie am Leben der Kirchengemeinde aktiv teilnimmt. Der christliche Glaube wurde wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers. Es ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt und dementsprechend im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und diesen Glauben aktiv leben würde.

Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran Verfolgung durch staatliche Akteure droht.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19.06.2020 ergibt sich wie folgt:

Zu Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).

Zu Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).

Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).

Zu Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität, das Alter und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie insbesondere der im Verfahren vorgelegten entsprechenden (Personal-)Dokumente (AS 179, 181 und 205) fest.

Der Aufenthaltsort der Eltern und der Schwester des Beschwerdeführers ergibt sich gleichermaßen wie das aufrechte Kontaktverhalten des Beschwerdeführers hinsichtlich dieser Familienangehörigen aufgrund seiner während des gesamten Verfahrens gleichbleibenden, einschlägigen Aussagen. Ebenso stützen sich die Feststellungen bezüglich seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seines Familienstandes, seiner Erziehung durch seine enge Familie, als auch seiner (Mutter-) Sprachkenntnisse auf seine diesbezüglich widerspruchsfreien, nachvollziehbaren Angaben. Diese geben dem Bundesverwaltungsgericht keinen Anlass an deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu zweifeln. Die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers stützen sich darüber hinaus auf den unmittelbaren persönlichen Eindruck, welchen sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vom Beschwerdeführer verschaffen konnte.

Der letzte Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in Iran und seine Berufstätigkeiten im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund der einschlägigen, glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers.

Das Datum der Antragstellung, das Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechtes abseits des Asylgesetzes und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu seiner Integration und seinen familiären Bindungen in Österreich ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben.

2.2.    Zu den Feststellungen des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dem vorgelegten Taufschein, der Anwesenheitslisten sowie der Zeugenaussage der Bekannten des Beschwerdeführers, mit der er regelmäßig in der Bibel liest.

Sofern die belangte Behörde die Begründung des angefochtenen Bescheides maßgeblich auf die mangelnde Glaubhaftigkeit vorgebrachter Vorfälle in Iran stützt, ist darauf hinzuweisen, dass die Ausübung des christlichen Glaubens des Beschwerdeführers in Österreich gegenständlich maßgeblich relevant ist und sich die Beweiswürdigung in der Folge im Wesentlichen dieser widmet.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte den Beschwerdeführer zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig darlegen, dass er sowohl von der inneren Überzeugung her, als auch in der Praxis ein Leben nach christlichen Grundsätzen führt. Der Beschwerdeführer praktiziert bereits seit vier Jahren den christlichen Glauben.

Bei den Wissensfragen hat das Bundesverwaltungsgericht als Maßstab die Glaubensinhalte jener Religionsgemeinschaft herangezogen, der der Beschwerdeführer angehört (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350). Betreffend die gegenständlich relevante freikirchliche Religionsgemeinschaft verfügt der Beschwerdeführer über ein hinreichendes Wissen und konnte er Glaubenslehren und -inhalte erklären sowie durch regelmäßige Treffen mit seiner Bekannten seine Glaubenspraxis nachvollziehbar darlegen. Aus den mündlichen Verhandlungen ging hervor, dass sich der Beschwerdeführer mit den Wesensmerkmalen des christlichen Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Dies wurde auch von der als Zeugin zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.09.2020 geladenen Bekannten des Beschwerdeführers bestätigt, die glaubhaft angab, sie würde sich regelmäßig mit dem Beschwerdeführer zu Bibellesungen und zum gemeinsamen Beten treffen (siehe Seite 15 des Verhandlungsprotokolls).

Anhand dieser Zeugenaussage konnte sich das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar ein breites Bild vom Beschwerdeführer und dessen aktueller Glaubensüberzeugung machen. Die befragte Zeugin war insofern glaubwürdig, als sie nicht in übertriebener Weise über den Beschwerdeführer berichtete, sondern nur zu Umständen Auskunft gab, die sie selbst wahrnehmen konnte. Aus einer Zusammenschau der Aussagen des Beschwerdeführers mit jenen der Zeugin ist auch ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die wesentlichen Lehren des christlichen Glaubens kennt bzw. verinnerlicht hat. So betonte die Zeugin, dass es die Idee vom Beschwerdeführer war, sich regelmäßig zu treffen, um in der Bibel zu lesen und dies auch während der Coronazeit mit Telefonaten aufrecht hielten.

Auch das persönlich glaubwürdige, von Emotionen getragene Auftreten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, die authentische Erzählweise sowie die ausführliche und persönliche Beantwortung der Fragen zum neuen Glauben lassen keinen Zweifel an der tatsächlichen Hinwendung zum Christentum zu. Der Beschwerdeführer erweckt schließlich auch nicht den Eindruck, Fakten auswendig gelernt zu haben, sondern berichtet authentisch von seinen Gefühlen und seinem Verständnis seines neuen Glaubens.

Demgegenüber war der als Zeuge geladene Pastor der Gemeinde im persönlichen Eindruck negativ gegenüber dem Beschwerdeführer eingestellt und trat eher angriffig auf, wobei er nicht den Eindruck machte, dass er sich näher mit dem Beschwerdeführer auseinandergesetzt hat, was schon seine Verwechslung mit einem anderen Beschwerdeführer aus einem anderen Verfahren zeigt, zu dem er offenbar ein Telefonat mit einer Rechtsanwältin geführt hat, die nichts mit dem Beschwerdeführer dieses Verfahrens zu tun hat. So wusste er zB auch nicht, dass der Beschwerdeführer bereits vor der Taufe in seiner Gemeinde durch einen früheren Pastor einen Bibelkurs in einer anderen Gemeinde besucht hat. So meinte er lapidar, dass er davon nichts wisse und er dies auch nicht für notwendig halte, da er sich selbst überzeugen müsse. Gleichzeitig konnte er aber keine Schritte darlegen, die zeigen würden, dass er versucht hätte, durch Kontaktaufnahme und (seelsorgerische) Gespräche mit dem Beschwerdeführer etwas über seine Beweggründe, seinen Werdegang oder auch seine Gründe, nicht regelmäßig am Gottesdienst teilzunehmen, zu erfahren.

Der Pastor konnte letztlich aufgrund der Anwesenheitslisten nur angeben, dass der Beschwerdeführer nicht regelmäßig die Gottesdienste besucht und er ihn daher nicht als Mitglied seiner Gemeinde ansieht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es für das Bundesverwaltungsgericht glaubhaft war, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Depressionen nicht regelmäßig an den Gottesdiensten teilnimmt und – wie bereits erwähnt – stattdessen allein oder mit seiner Bekannten zusammen in der Bibel liest und betet. Damit beschränkt sich der Beschwerdeführer aber nicht selbst auf ein „forum internum“, was sich schon darin zeigt, dass er auch über Facebook seinen christlichen Glauben bekannt gibt und Gottesdienste besucht, soweit ihm dies möglich ist.

2.2.3.  Zur Situation in Iran

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)

3.1.1.  Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;“

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675); ebenso wenig, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230). Die Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergehende Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455).

Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU (Statusrichtlinie) folgt, dass die Ausübung einer Glaubensüberzeugung nicht auf das sog. „forum internum“ beschränkt werden darf, sondern vielmehr auch der öffentliche Bereich umfasst ist.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall findet die oben festgestellte, den Beschwerdeführer treffende und glaubhaft gemachte Verfolgungsgefahr ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, weil dem Beschwerdeführer in Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine aktuelle, aus politischen bzw. religiösen Gründen resultierende Verfolgung maßgeblicher Intensität durch staatliche Akteure droht. Ein aktives Ausleben des christlichen Glaubens und insbesondere eine missionarische Betätigung werden in Iran verfolgt und drohen hohe Haftstrafen, allenfalls auch die Todesstrafe. Der Beschwerdeführer hat sich ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt und lebt diesen aktiv. Die nachvollziehbaren und persönlich glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers machen eine innere Konversion glaubhaft. Durch die offiziell dokumentierte Taufe erfolgte auch eine Konversion nach außen. Zusammen mit den Gottesdienstbesuchen und dem Facebook-Eintrag ist der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers öffentlich geworden. Es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle einer Rückkehr nach Iran dem Beschwerdeführer eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht. Auch ist es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, im Falle einer Rückkehr nach Iran den neuen Glauben vor den iranischen Behörden zu verleugnen und die Religionsausübung auf das sog. forum internum zu beschränken (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU).

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht offen, weil sich – wie sich aus den Länderberichten ergibt – die drohende Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt.

Da im Verfahren auch keine Asylausschlussgründe iSd § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervorkamen und der Beschwerdeführer nicht straffällig wurde, ist dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.    Zur Behebung der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides

Da die Spruchpunkte II. bis IV. des im Spruch bezeichneten Bescheides voraussetzen, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, sind diese ohne weitere Prüfung ersatzlos zu beheben und ist insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W221.2173833.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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