TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/11 W140 2238341-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2021
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Entscheidungsdatum

11.01.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs2a
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35

Spruch


W140 2238341-1/8E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH-BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2020, Zl. 770928902/201308965, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 30.12.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 3 und Z 9 FPG idgF iVm § 76 Abs. 2a FPG idgF wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr in der Höhe von € 30,-- Euro wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) verließ laut eigenen Angaben die Russische Föderation etwa 2006/2007 und reiste über Polen und die Slowakei nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF stellte am 05.10.2007 beim Bundesasylamt den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 17.11.2007, Zl. 07 09.289, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internatonalen Schutz gemäß § 5 Abs 1 AsylG in Spruchteil I. zurück und erklärte Polen gemäß Art 16 Abs. 1 lit. c EG-VO 343/2003 als zur Prüfung des Antrags zuständig. In Spruchteil II. wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Gegen diesen am 26.11.2007 zugestellten Bescheid wurde fristgerecht Berufung erhoben. Mit Bescheid vom 18.12.2007, Zl. 316.275-1/2E-VIII/23/07, wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß §§ 5,10 AsylG ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 15.12.2010 hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG auf. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.01.2011 wurde der Beschwerde gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2011 wurde der Asylantrag des BF vom 05.10.2007 gemäß § 3, § 8 AsylG abgewiesen.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 02.07.2015 (RK 07.07.2015) gemäß § 15 StGB § 105 (1) StGB, §§ 164 (1), 164 (4) 3. Fall StGB, § 99 (1) StGB, § 142 (1) StGB § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten - davon Freiheitsstrafe 14 Monate bedingt - verurteilt.

Gegen den BF wurde am 23.11.2015 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme amtswegig eingeleitet.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 11.09.2017 (RK 14.09.2017) gemäß § 297 (1) 2. Fall StGB, §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB, § 15 StGB §§ 127, 131 StGB, § 15 StGB § 105 (1) StGB, § 288 (4) StGB, § 282 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.

Der BF brachte am 04.07.2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.07.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 und 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz hat der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 25.07.2017 verloren (Spruchpunkt VIII). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr.100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX). Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

Am 03.02.2020 wurde der BF zur weiteren Verbüßung seiner Strafhaft in die JA XXXX überstellt.

Der BF wurde am 28.12.2020 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete u. a. sich wie folgt:

„V: Ihnen werden die Anwesenden vorgestellt und der Zweck und Ablauf der Einvernahme erläutert. Sie befinden sich in Strafhaft in der JA XXXX und werden Sie am 30.12.2020 bedingt entlassen.

Gegen Sie besteht eine seit 09.08.2018 rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein 9-jähriges Einreiseverbot.

Zur Prüfung dieses Sachverhaltes sind Sie, auch in Ihrem Interesse einer möglichsten Vermeidung von Eingriffen in Ihre Rechte, zur mitwirkenden Klärung des Sachverhaltes verpflichtet und haben die Möglichkeit das Parteiengehör wahrzunehmen.

LA: Sind Sie derzeit rechtsfreundlich vertreten?

VP: (Deutsch) nein, bin ich nicht

LA: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetsch?

VP: Ich verstehe kein Russisch, ich spreche besser Deutsch als Russisch

LA: Sind Sie gesund und frei von Beeinträchtigungen? Können Sie der Einvernahmen folgen?

VP: Ja

LA: Nehmen Sie Medikamente?

VP: Ja, welche ich nehme Schlaftabletten (phon.) Trittiko, gegen Stress nehme ich (phon.) Perägbolin.

Sie verfügen über keinen Aufenthaltstitel in Österreich. Sie reisten spätestens am 05.10.2007 ins Bundesgebiet ein und stellten Sie einen Asylantrag, der negativ beschieden wurde.

Ihr zweiter Asylantrag vom 04.07.2017 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. l Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist.

Darüber hinaus wurde gem. § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF gegen Sie ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Absatz 1 a FPG bestand keine Frist für die freiwillige Ausreise und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1, 3 und 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Entscheidung wurde am 11.07.2018 nachweislich zugestellt und ist seither rechtskräftig. Sie halten sich somit seither nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf und sind verpflichtet in Ihre Heimat zurückzukehren.

LA: Haben Sie alles verstanden?

VP: (Deutsch) ja, habe ich

LA: Haben Sie einen Beruf erlernt oder eine sonstige Ausbildung?

VP: (Deutsch) nein, habe ich nicht

LA: Wovon haben Sie in Ihrer Heimat gelebt?

VP: (Deutsch)die Eltern haben mich versorgt

LA: Leben in Österreich Familienangehörige?

VP: (Deutsch) ja, nachgefragt ich weiß nur von meiner Schwester XXXX , von den anderen weiß ich nichts

LA: Wo leben Ihre Familienangehörigen?

VP: (Deutsch)in Österreich, genaueres weiß ich nicht

LA: Haben Sie sonstige persönliche Beziehungen oder nennenswerte Bindungen in Österreich?

VP: (Deutsch) nein, habe ich nicht

LA: Hatten Sie Besuch in der Haft?

VP: Meine Schwester hat mich wie schon gesagt besucht, Freunde kamen auch zu besuch.

LA: Wie viel Barmittel besitzen Sie?

VP: momentan besitze ich nichts

LA: Waren Sie seit Sie in Österreich den ersten Asylantrag gestellt haben (im Jahre 2007) die ganze Zeit über in Österreich oder haben Sie Österreich je verlassen?

VP: nein nicht einmal, nachgefragt Österreich verlassen

LA: Wo haben Sie vor der Haft gelebt?

VP: Ich war im Haus XXXX gemeldet, bei der Caritas im XXXX

LA: Mit wem wohnten Sie im gemeinsamen Haushalt?

VP: Das Haus XXXX war ein Flüchtlingsheim

LA: Wo wollen Sie nach der Haftentlassung wohnen?

VP: Bei meiner Schwester

V: Sind Sie dort nicht gemeldet!

VP: nein, bin ich nicht

LA: Nachdem nun eine Verpflichtung Ihrerseits besteht, das Bundesgebiet zu verlassen, wie wollen Sie in Ihre Heimat zurückkehren?

VP: So wie ich hergekommen bin, so kehre ich zurück, nachgefragt kann ich ihnen das jetzt noch nicht sagen, wahrscheinlich mit Auto, es ist leichter zurück zu kehren. Hier her kommen ist ein Problem.

LA: Haben Sie ein Reisedokument?

VP: Ja, habe ich, der ist bei Ihnen, ich habe gehört, Sie werden mit was ausstellen für zwei Wochen, dass ich ausreisen kann.

LA: Warum haben Sie die Rückkehrberatung nicht angenommen?

VP: Ich dacht ich habe noch eine Chance hier zu bleiben.

V: Es besteht ein öffentliches Interesse an Ihrer überwachten Ausreise. Sofern ein Ersatzdokument ausgestellt wird haben Sie mit der Abschiebung zu rechnen.

Aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens muss davon ausgegangen werden, dass untertauchen werden und sich daher erfolgreich der drohenden Abschiebung zu entziehen versuchen werden.

Sie werden zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen und wird Ihnen der Schubhaftbescheid zugestellt.

VP: Bitte geben Sie mir die Chance freiwillig auszureisen. Ich werde mir Geld von meiner Familie holen. Ich will nicht länger im Gefängnis sitzen.

Es wird Ihnen mitgeteilt, dass von Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation verständig werden wird, da gegen Sie ein Schubbescheid gem. § 76 Abs 2 Zi 2 FPG erlassen wird.

Bei Verhängung der Schubhaft können Sie kostenlos eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen und wird die zuständige Stelle heute noch verständigt werden.

Es wird Ihnen eine Organisation zugewiesen und erfolgt eine Verständigung in schriftlicher Form, welche Organisation Sie kontaktieren wird.

Aufgrund des Sachverhaltes wird gegen Sie ein Schubhaftbescheid gem. § 76 Abs 2 Zi 2 FPG erlassen.

LA: Haben sie alles verstanden? Wollen sie noch etwas hinzufügen?

VP: Nein, will ich nicht. Ich will alleine Ausreisen

V: Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie allfällige dringliche persönliche Verfügungen unverzüglich zu treffen haben.

LA: Haben Sie das verstanden?

VP: Ja, ich habe es verstanden“

Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Burgenland, vom 29.12.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 BFA-VG vom 29.11.2020 wurde dem BF ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Der BF befindet sich seit 30.12.2020 in Schubhaft.

Für den BF wurde ein Heimreisezertifikat (HRZ) - gültig bis 08.01.2021 - ausgestellt. Aufgrund der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des COVID 19-Virus war die Abschiebung des BF am 31.12.2020 in die Russische Föderation - unmittelbar nach seiner Strafhaftentlassung am 30.12.2020 - nicht durchführbar. Maßnahmen zur Verlängerung des bereits ausgestellten HRZ wurden ergriffen.

Am 05.01.2021 erhob der BF durch seine Vertretung Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft und führte im Wesentlichen aus, dass im Fall des BF keine Fluchtgefahr vorliege. Leider wäre der BF in den vergangenen Jahren mehrmals strafrechtlich verurteilt worden. Der BF lebe seit dem Jahr 2007 im österreichischen Bundesgebiet. Er spreche die deutsche Sprache auf Muttersprachniveau und verfüge in Österreich über ein soziales Netzwerk. Fast seine gesamte Kernfamilie - Mutter und einige Geschwister - lebten in Österreich und seien in Österreich aufenthaltsberechtigt. Der BF könne im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft unentgeltlich bei seiner Schwester wohnen und sich behördlich dort melden. Die Schwester des BF würde dem BF auch die notwendige Verpflegung zur Verfügung stellen und ihn finanziell unterstützen. Zudem würde der BF einem gelinderen Mittel Folge leisten. Die Einvernahme des BF sowie der Schwester des BF werde beantragt. Das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren wäre grob mangelhaft. Im gegenständlichen Fall liege keine Fluchtgefahr sowie keine Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor. Die Kriterien des § 76 Abs 3 FPG seien im gegenständlichen Fall nicht erfüllt. Eine allfällige Straffälligkeit sei nicht im Rahmen der - vermeintlich - bestehenden Fluchtgefahr zu prüfen, sondern lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Relevanz. Die Schubhaft diene weder der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten noch ihrer Sanktionierung, sondern lediglich der Erfüllung eines administrativen Sicherungszweckes. Das Kriterium des 76 Abs. 3 Z 9 sei jedenfalls nicht erfüllt. Der BF verfüge - im Gegensatz zur Annahme der Behörde - in Österreich über ein familiäres und soziales Netzwerk. Im gegenständlichen Fall sei somit keine Ziffer des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt und die Schubhaft daher rechtswidrig. Selbst bei Vorliegen einer Fluchtgefahr - welche der BF ausdrücklich in Abrede stelle - sei die Schubhaft nur bei Vorliegen von Verhältnismäßigkeit zulässig und nur, wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären. Im Fall des BF kämen jedenfalls gelindere Mittel in Betracht. Gelindere Mittel wären zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Die Schubhaft erweise sich jedenfalls als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.


Am 07.01.2021 langte eine Stellungnahme des BFA mit folgendem Inhalt ein:

„Zum Verfahrensgang:

Der BF reiste spätestens am 05.10.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte der BF bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, welcher negativ beschieden wurde.

Der BF war vom 03.08.2011 bis zum 04.08.2016 aufgrund AT der MA 35 legal aufhältig.

Am 07.07.2015 wurden der BF wegen einer Jugendstraftat mit Urteil des LG XXXX vom 02.07.2015, zur Zahl XXXX wegen versuchter Nötigung nach § 15 § 105 Abs 1 StGB; Hehlerei nach §§ 164 Abs 1, § 164 Abs 4 3. Fall StGB; Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und versuchtem Raub nach § 15 § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt. Überdies ordnete das urteilende Gericht die Bewährungshilfe an.

Gegen den BF wurde am 23.11.2015 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme amtswegig eingeleitet.

Am 19.12.2016 wurde der BF abermals festgenommen und am 14.09.2017 mit Urteil des LG XXXX vom 11.09.2017, zur Zahl XXXX wegen Verleumdung nach § 297 Abs 1 2. Fall StGB; schwerem Raub nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 2. Fall StGB; versuchten räuberischem Diebstahl nach § 15 StGB §§ 127, 131 StGB; versuchter Nötigung § 15 StGB § 105 Abs 1 StGB; falscher Beweisaussage § 288 Abs 4 StGB und Aufforderung zu mit Strafe bedrohter Handlung und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlung nach § 282 Abs 1 StGB als junger Erwachsender zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Der BF brachten am 04.07.2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen wurde. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 und 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz hat der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 25.07.2017 verloren. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der BF befinden sich seit dem 19.12.2016 nicht bloß kurzfristig in Haft.

Am 09.08.2018 erwuchs die Entscheidung vom 04.07.2017 in Rechtskraft.

Am 03.02.2020 wurde der BF zur weiteren Verbüßung Ihrer Strafhaft in die JA XXXX überstellt.

Für den BF wurde ein Heimreisezertifikat gültig bis 08.01.2021 ausgestellt. Aufgrund der aktuellen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des COVID 19-Viruses war die geplante Abschiebung am 31.12.2020 in die Russische Föderation unmittelbar nach der Strafhaftentlassung am 30.12.2020 aufgrund einer Mitteilung der Russischen Behörden vom 22.12.2020 nicht realisierbar.

- Der BF wurden am 28.12.2020 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.

- Es wurde wegen Fluchtgefahr mit Bescheid vom 30.12.2020 zur obigen Zahl die Schubhaft gem § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt.

- Der BF befindet sich seit 30.12.2020, 08:00 Uhr im Stande der Schubhaft, aktuell im PAZ Hernalser Gürtel.

Die begleitete Abschiebung ist für den 17.01.2021 geplant. Die Ausstellung eines HRZ zugesagt.

Zur Beschwerde:

Aufgrund der bestehenden erheblichen Fluchtgefahr wird seitens der belangten Behörde weiterhin an der Schubhaft festgehalten. Der BF hat durch sein Vorverhalten unter Beweis gestellt, dass er nicht gewillt ist, Mitwirkungspflichten im Verfahren sowie die Rechtsordnung insgesamt zu respektieren.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG können Fremde festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder um die Abschiebung zu sichern. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen.

Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt gemäß § 76 Abs. 5 FPG die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen, dieser ist gem. § 57 AVG zu erlassen, es sei denn der Fremde befindet sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gem. § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Die Schubhaft dient der Sicherung der angeführten Verfahren bzw. der Sicherung der Abschiebung. Zur Prüfung der Fluchtgefahr ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere auch dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.2.2007, 2006/21/0311). Von einer Anordnung der Schubhaft ist Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.6.2006, B362/06). In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

ob der Fremde entgegen eines aufrechten Einreiseverbots, eines aufrechten Aufenthaltsverbots oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

1. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

2. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

3. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen zur Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Zur Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft wird festgehalten,

Der BF ist verpflichtet, Österreich zu verlassen. Der BF hielt sich illegal im österreichischen Bundesgebiet auf. Gegen den BF ist eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar und rechtskräftig. Es ist begründet davon auszugehen, dass der BF sich, auf freiem Fuß gesetzt, weiteren behördlichen Maßnahmen zu entziehen versuchen wird. Der BF wurden straffällig und diesbezüglich von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt. Der BF hat keine nennenswerten Bindungen in Österreich und hart sein Leben unter anderen mit Gewalt- und Vermögensdelikten finanziert.

Sofern der BF angeben hat, nach seiner Entlassung bei seiner Schwester Unterkunft zu nehmen, wird dahingehend kein Glauben geschenkt. Der BF konnte Ihre Adresse nicht angeben und wisse nicht, wo seinen anderen Angehörigen in Österreich wohnen. Auch in Bezug auf eine selbständige Ausreise wird kein Glauben geschenkt, zumal der BF nicht wisse, wie der BF ausreisen könnte und Ihm sowohl die Mittel als auch ein notwendiges Reisedokument fehlt. Der BF hatte sowohl die obligatorische als auch die fakultative Rückkehrberatung nicht in Anspruch genommen bzw. diese abgelehnt.

Es kann somit ha den Angaben vom 28.12.2020 der BF würden freiwillg ausreisen, kein Glaube geschenkt werden.

Daher mus das Bundesamt davon ausgehen, dass der BF jede sich bietende Gelegenheit zum Anlass nehmen werden, sich seiner Abschiebung zu entziehen.

Eine allfällige Anwendung eines gelinderen Mittels war nach Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes als nicht zielführend anzusehen.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Delinquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Der BF wurden bereits zweimal wegen Gewalt- und Vermögensdelikten rechtskräftig verurteilt. Zuletzt wurden der BF mit Urteil des LG XXXX vom 11.09.2017, zur Zahl XXXX unter andrem wegen der Verbrechen des schweren Raubes und des versuchten räuberischen Diebstahles sowie des Vergehens der versuchten Nötigung zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 4 Jahren rechtskräftig verurteilt (rk am 14.09.2017).

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist auf die Wichtigkeit eines geordneten Fremdenwesens Bedacht zu nehmen, sodass die gesetzten behördlichen Maßnahmen notwendig und aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes, insbesondere aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens des BF rechtmäßig sind

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge: 1. die Beschwerde als unbegründet abweisen unzulässig zurückzuweisen, 2. gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, 3. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.“

Die Stellungnahme des BFA wurde der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH-BBU (BBU) am 07.01.2021 zum Parteiengehör übermittelt.

Am 07.01.2021 übermittelte die BBU eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt:

„Bezugnehmend auf Ihr Schreiben - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme - vom 07.01.2020 und der Aufforderung, dazu gem. gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG, Stellung zu nehmen wird dies wie folgt getan:

Zum Nicht- Vorliegen der Fluchtgefahr

Wie bereits in der Beschwerde- eingebracht am 05.01.2021- moniert, vermochte es der Behörde mit Bescheid vom 29.12.2020 nicht, darzulegen, auf was sie die Annahme der Fluchtgefahr bezüglich des BF stützt.

Auch aus der Stellungnahme - vom 07.01.2020 - ergibt sich dies nicht. Die Stellungnahme stellt eine nahezu identische Wiedergabe des Bescheides vom 29.12.2020 dar, welchem mit der am 05.01.2021 eingebrachten Beschwerde bereits entschieden entgegengetreten wurde. Im Rahmen der Stellungnahme prüft die Behörde die Fluchtgefahr nicht, sondern führt lediglich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch.(siehe S. 6 der am 07.01.2021 eingebrachten Stellungnahme)

Fakt ist, dass bei dem BF kein Tatbestand des § 76 Abs 3 FPG erfüllt ist - bei dem BF also keine Fluchtgefahr vorliegt.

Insbesondere hinsichtlich der Annahme der Behörde, der BF hätte keine nennenswerten Bindungen in Österreich, wird nochmals explizit darauf hingewiesen, dass der BF fast sein gesamtes Leben in Österreich verbrachte und nach wie vor einige seiner Geschwister und seine Mutter in Österreich aufhältig sind. Der BF ging in Österreich zur Schule und spricht besser Deutsch als Russisch und wurde die längste Zeit seines Lebens im Bundesgebiet sozialisiert. Insbesondere zu seiner Schwester - XXXX - pflegt der BF einen engen Kontakt.

VwGH spricht aus, dass, um Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs 3 Z 9 FPG bejahen zu können, keine maßgebliche - der Annahme einer Entziehungsabsicht entgegenstehende -sozialeVerankerung des Fremden in Österreich vorliegen darf, was an Hand der genannten Parameter zu beurteilen ist (vgl. VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0021, Rn. 31).

Darauf, ob er seinen Aufenthalt im Bundesgebiet genutzt hat, um sich „nachhaltig zu integrieren", bzw. wie kontinuierlich er in der Vergangenheit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ist bei der Prüfung des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit aktuell eine soziale Vernetzung vorhanden ist, die eine Flucht unwahrscheinlich macht.(vgl. Ra 2019/21/0274-8, 27. Oktober 2020)

Hinsichtlich der Annahme der Fluchtgefahr, aufgrund der Straffälligkeit des BF, wird nochmals darauf hingewiesen, dass eine allfällige Straffälligkeit keine Relevanz für die Fluchtgefahr darstellt, sondern lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist.

Diesbezüglich wird auf VwGH Ra 2019/21/0274, 27.10.2020 verwiesen: Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten ist zwar bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft in Betracht zu ziehen (vgl. § 76 Abs. 2a FrPolG 2005 und VwGH 17.4.2020, Ro 2020/21/0004), es kann aber für sich genommen - schon mangels Nennung im Katalog des § 76 Abs. 3 FrPolG 2005 - keine Fluchtgefahr begründen.

Desweiteren hat der VwGH bereits klargestellt, dass die Schubhaft niemals den Zweck verfolgt, die Begehung von Straftaten durch Fremde zu verhindern (19.11.2020, Ra 2020/21/0264): „In diesem Zusammenhang wird in der Revision außerdem noch zu Recht darauf verwiesen, dass die Verhinderung von Straftaten keinen zulässigen Schubhaftzweck darstellt (vgl. zur Annahme, aufgrund der Mittellosigkeit des Fremden bestehe die Gefahr, er werde seinen Lebensunterhalt durch die Begehung von Delikten gegen fremdes Vermögen bestreiten, VwGH 20.10.2011, 2008/21/0191, mit dem Hinweis auf VwGH 17.3.2009, 2007/21/0542)".

Von den Vorstrafen des BF kann daher nicht rechtmäßig auf eine Fluchtgefahr geschlossen werden bzw. stellt dies kein zulässiger Schubhaftzweck dar.

Die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 Zi 2 FPG - Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit - sind nicht erfüllt, da bei dem BF keine Fluchtgefahr gegeben ist und er sich unrechtmäßig im Stande der Schubhaft befindet.

Verwiesen wird außerdem auf die am 05.01.2021 eingebrachte Beschwerde.“

Die Stellungnahme der BBU wurde dem BFA, Regionaldirektion Burgenland, am 08.01.2021 zum Parteiengehör übermittelt. Am 08.01.2021 übermittelte das BFA eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt:

„Bezugnehmend auf die Stellungnahme der BBU, (…)betreffend Nicht- Vorliegen der Fluchtgefahr führt das BFA folgendes dazu aus. Der Beschwerdeführer verbrachte die letzten 4 Jahre wegen Raub und schweren Raubes in Haft und wurde im Anschluss an die Strafhaft in Schubhaft genommen. Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr besteht, ist gem. § 76 Abs. 3 Z3 FPG ist zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Weiteres war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht sozial verankert ist (der Beschwerdeführer verbrachte zuletzt wegen Raub und schweren Raubes 4 Jahre in Haft), über keine Ausbildung, keinen Job und keine finanziellen Mittel verfügt. Der Beschwerdeführer hat lediglich zu seiner Schwester, welche bedarfsorientierte Mindestsicherung bezieht, Kontakt. Diese konnte den Beschwerdeführer jedoch nicht von der Begehung seiner Straftaten abhalten. Es war daher bei der Verhängung der Schubhaft nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich für seine in 18 Tagen bevorstehende Abschiebung zur Verfügung halten wird. Es gab daher für das BFA keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer angesichts des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich eine so verfestigten Aufenthalt hat um nicht seine bevorstehende Abschiebung zu erschweren und unterzutauchen. Daher war aus Sicht des BFA § 76 Abs. 3 Z 9 erfüllt. Da der Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument verfügte, wurde von Seiten des BFA bei der zuständigen Botschaft ein Heimreisezertifikat beantragt. Die Zustimmung langte hieramts ein und es wurde ein Abschiebetermin festgelegt. Dem Beschwerdeführer wurde mit Zustellung der Rückkehrentscheidung ein Rechtsberater zugewiesen. Dies nahm der Beschwerdeführer jedoch nicht in Anspruch bis zur Haftentlassung ein Reisedokument zu erlangen und sich um eine freiwillige Aureise zu bemühen. Es ist daher nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer 18 Tage vor seiner Ausreise zur freiwilligen Ausreise bereit gewesen wäre, da er seit der Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung weder von sich aus noch mit Hilfe der Rückkehrberatung etwas für die Erlangung eines Reisedokumentes unternommen hat. Somit wäre eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich gewesen, da der Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument verfügte.

Entgegen der Stellungnahme der BBU (…) ist die Behörde der Ansicht, dass bei dem Beschwerdeführer trotz Kontakt zu seiner Schwester eine erhöhte Fluchtgefahr/Gefahr des Untertauchens besteht, da der Beschwerdeführer seit Erlassung der Rückkehrentscheidung von sich aus nichts unternommen hat bzw. auch keine ihm zur Verfügung gestellte Organisation in Anspruch genommen hat um ein Reisedokument zu erlangen.“


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Die Identität des BF steht fest. Der BF besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch ist er in Österreich asylberechtigt bzw. subsidiär Schutzberechtigter.

Der BF verließ laut eigenen Angaben die Russische Föderation etwa 2006/2007 und reiste über Polen und die Slowakei nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF stellte am 05.10.2007 beim Bundesasylamt den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 17.11.2007, Zl. 07 09.289, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internatonalen Schutz gemäß § 5 Abs 1 AsylG in Spruchteil I. zurück und erklärte Polen gemäß Art 16 Abs. 1 lit. c EG-VO 343/2003 als zur Prüfung des Antrags zuständig. In Spruchteil II. wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Gegen diesen am 26.11.2007 zugestellten Bescheid wurde fristgerecht Berufung erhoben. Mit Bescheid vom 18.12.2007, Zl. 316.275-1/2E-VIII/23/07, wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß §§ 5,10 AsylG ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 15.12.2010 hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG auf. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.01.2011 wurde der Beschwerde gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2011 wurde der Asylantrag des BF vom 05.10.2007 gemäß § 3, § 8 AsylG abgewiesen.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 02.07.2015 (RK 07.07.2015) gemäß § 15 StGB § 105 (1) StGB, §§ 164 (1), 164 (4) 3. Fall StGB, § 99 (1) StGB, § 142 (1) StGB § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten - davon Freiheitsstrafe 14 Monate bedingt - verurteilt.

Gegen den BF wurde am 23.11.2015 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme amtswegig eingeleitet.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 11.09.2017 (RK 14.09.2017) gemäß § 297 (1) 2. Fall StGB, §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB, § 15 StGB §§ 127, 131 StGB, § 15 StGB § 105 (1) StGB, § 288 (4) StGB, § 282 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.

Der BF brachte am 04.07.2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.07.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 und 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz hat der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 25.07.2017 verloren (Spruchpunkt VIII). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr.100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX). Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Burgenland, vom 29.12.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF befindet sich seit 30.12.2020 in Schubhaft.

Für den BF wurde ein Heimreisezertifikat (HRZ) - gültig bis 08.01.2021 - ausgestellt. Aufgrund der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des COVID 19-Virus war die Abschiebung des BF am 31.12.2020 in die Russische Föderation - unmittelbar nach seiner Strafhaftentlassung am 30.12.2020 - nicht durchführbar. Maßnahmen zur Verlängerung des bereits ausgestellten HRZ wurden ergriffen.

Der BF hält sich seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung illegal in Österreich auf. Der BF bemühte sich bis zu seiner Haftentlassung nicht um eine freiwillige Rückkehr. Der BF bemühte sich auch nicht um ein Reisedokument. Der BF nahm nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung keine Rückkehrberatung in Anspruch. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 28.12.2020 antwortete der BF auf die Frage warum er die Rückkehrberatung nicht angenommen habe: „Ich dacht ich habe noch eine Chance hier zu bleiben.“ Der BF verfügt über kein gültiges Reisedokument und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Der BF missachtete die österreichische Rechtsordnung, er wurde zwei Mal rechtskräftig in Österreich verurteilt. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 02.07.2015 (RK 07.07.2015) wegen versuchter Nötigung gemäß § 15 § 105 Abs 1 StGB; Hehlerei gemäß §§ 164 Abs 1, § 164 Abs 4 3. Fall StGB; Freiheitsentziehung gemäß § 99 Abs 1 StGB und versuchtem Raub gemäß § 15 § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten - davon Freiheitsstrafe 14 Monate bedingt - verurteilt. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 11.09.2017 (RK 14.09.2017) wegen Verleumdung gemäß § 297 Abs 1 2. Fall StGB; schwerem Raub gemäß §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 2. Fall StGB; versuchten räuberischem Diebstahl gemäß § 15 StGB §§ 127, 131 StGB; versuchter Nötigung § 15 StGB § 105 Abs 1 StGB; falscher Beweisaussage § 288 Abs 4 StGB und Aufforderung zu mit Strafe bedrohter Handlung und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlung gemäß § 282 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Der BF ist nicht vertrauenswürdig.

Der BF verfügt über keine Barmittel und kann seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten. Der BF hat keinen Beruf erlernt. Der BF geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Der BF ist beruflich nicht integriert, er verfügt jedoch über ein soziales Netz in Österreich, welches ihm ein Leben im Verborgenen ermöglicht. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Der BF verbrachte seit dem Jahr 2015 einen Großteil seines Aufenthaltes in österreichischen Justizanstalten. Der BF verfügt über Familienangehörige in Österreich, die ihn jedoch nicht davon abhielten in Österreich massiv strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Der BF hat nur zu seiner Schwester Kontakt, von den anderen Familienangehörigen weiß er nichts. Die Schwester des BF bezieht bedarfsorientierte Mindestsicherung. Die übrigen in Österreich befindlichen Familienmitglieder des BF - Mutter / Bruder - zu denen der BF keinen Kontakt hat, befinden sich in Grundversorgung.

Der BF wird in der Schubhaft medizinisch betreut. Laut Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 11.01.2021 ist der BF haftfähig.

Im Fall des BF ist von Fluchtgefahr/Gefahr des Untertauchens auszugehen.

Die Behörde verfügt über ein Heimreisezertifikat (HRZ). Die begleitete Abschiebung des BF in die Russische Föderation ist für den 17.01.2021 geplant.


2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich des BF. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und dem bisherigen Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage.

Die Feststellungen zur Straffälligkeit des BF in Österreich ergeben sich aus dem Strafregisterauszug sowie dem Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vom 02.07.2015 (RK 07.07.2015) sowie dem Urteil des Landesgerichtes XXXX XXXX , vom 11.09.2017 (RK 14.09.2017). Die fehlende Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des BF.

Die Feststellungen zu den behördlichen Meldungen des BF ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellungen die Barmittel des BF betreffend ergeben sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung sowie der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.12.2020. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF in Österreich ergeben sich aus der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.12.2020, der Stellungnahme des BFA vom 08.01.2021 sowie dem IZR, ZMR und der GVS. Das Fehlen beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.12.2020.

Die Feststellungen zur Festnahme und der weiteren Anhaltung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung).

Der fremdenrechtliche Status des BF - rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem auf die Dauer von 9 Jahren befristeten Einreiseverbot - ergibt sich aus der Aktenlage.

Die Haftfähigkeit des BF ergibt sich aus dem Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 11.01.2021.

Die Feststellungen zum HRZ sowie zum Überstellungstermin ergeben sich aus der Stellungnahme des BFA.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.


3. Rechtliche Beurteilung

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

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