Entscheidungsdatum
05.02.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W205 2239306-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021, Zahl IFA- 1200032103/VZ:201214176, betreffend (u.a.) Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und Erlassung eines Einreiseverbotes, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen, dem - in Schubhaft befindlichen - Beschwerdeführer am 20.01.2021 zugestellten Bescheid wurde
I. dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, nicht erteilt;
Il. gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen;
III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist;
IV. gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt;
V. gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt; sowie
VI. gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf 4 Jahre befristetes Einreiseverbotes erlassen.
2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin bringt er iW vor, er habe einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Nach der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen worden sei, der Bescheid sei daher ersatzlos zu beheben.
3. In der Beschwerdevorlage vom 04.02.2021 teilte das BFA ua mit, der seit 15.01.2021 in Schubhaft befindliche Beschwerdeführer habe am 26.01.2021 einen Asylantrag gestellt, welcher Dublinrelevanz (Italien) ausweise. Diesbezüglich sei noch keine Entscheidung ergangen, auch eine Zustimmung zur Rückübernahme liege noch nicht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte während des laufenden – noch nicht rechtskräftigen - Verfahrens über die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen das BFA noch keine Entscheidung getroffen hat.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhalt mit den Verwaltungsakten und der Mitteilung des BFA in der Beschwerdevorlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG hat das Bundesamt gemäß § 58 Abs. 3 AsylG im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
§ 10 AsylG lautet:
„Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß Abs. 9 leg.cit. ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach der - von der Beschwerde zutreffend ins Treffen geführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0107) ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (nach VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 auch die Erlassung eines Einreiseverbotes, die die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt) nicht zulässig, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde; auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen; zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies bedeutet aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - , das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen; die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher grundsätzlich nicht zulässig (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162). Diese Überlegungen gelten auch für ein anhängiges Verfahren über einen Asylfolgeantrag (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0138).
Im Beschwerdefall stellte der Beschwerdeführer während des anhängigen Rückkehrentscheidungsverfahrens einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz, über den das BFA bisher noch nicht abgesprochen hat. In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349) ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen. Eine bereits von der Behörde erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG (der seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 145/2017, ebenfalls mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden ist) ergangen ist (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich nämlich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen, die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
anhängiges Verwaltungsverfahren Asylverfahren ersatzlose Behebung Rechtsanschauung des VwGH RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W205.2239306.1.00Im RIS seit
28.06.2021Zuletzt aktualisiert am
28.06.2021