TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/10 W165 2122763-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2021
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Entscheidungsdatum

10.02.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §61 Abs1 Z2
FPG §61 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W165 2122763-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2020, Zl. 1091261306-200186964, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 55 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I. 1. Vorverfahren:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 30.09.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine im Zuge der Erstbefragung durchgeführte EURODAC-Abfrage ergab eine Treffermeldung hinsichtlich einer erkennungsdienstlichen Behandlung in Kroatien am 17.09.2015.

Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens mit Kroatien wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 27.02.2016, Zl. 15-1091261306/151563655, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 22 Abs. 7 iVm Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG), mit Erkenntnis vom 22.03.2016, Zl. W205 2122763-1/2E, gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet ab. Auch die dagegen erhobenen Rechtsbehelfe des BF an den VfGH und an den VwGH blieben erfolglos.

Am 15.04.2016 wurde der BF in den zuständigen Mitgliedstaat Kroatien überstellt.

Am 29.08.2016 begab sich der BF erneut illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF, neben der (bereits erwähnten) erkennungsdienstlichen Behandlung wegen illegaler Einreise am 17.09.2015 in Kroatien und seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich am 30.09.2015 in Österreich, am 19.04.2016 in Kroatien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

Im Hinblick darauf richtete das BFA am 01.09.2016 unter Hinweis auf den EURODAC-Treffer ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO an Kroatien und stimmte Kroatien dem Gesuch mit Schreiben vom 14.09.2016 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 10.02.2017 wurde der BF zum zweiten Mal nach Kroatien überstellt.

Mit Bescheid vom 24.07.2017, Zl. 1091261306/161186099, wies das BFA den zweiten Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Kroatien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.), ordnete die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG an und stellte fest, dass demzufolge seine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 20.06.2018, Zl. W184 2122763-2/8E, gemäß § 5 AsylG 2005, § 61 FPG und § 21 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet ab und stellte fest, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig gewesen sei.

Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde lehnte der VfGH mit Beschluss vom 25.09.2018, E 3108/2018-6, ab. Die außerordentliche Revision des BF wurde mit Beschluss des VwGH vom 23.01.2019, Ra 2018/19/0683, zurückgewiesen.

I. 2. Gegenständliches Verfahren:

Im Februar 2020 reiste der BF abermals nach Österreich und stellte am 18.02.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005.

Im Antragsformular führte der BF an, dass seine Ehefrau sowie seine am 12.10.2017 geborene Tochter in Österreich seien und seine Ehefrau Unterstützung benötige, da sie an einer Herzerkrankung leiden würde.

Dem Antrag waren eine seiner Ehefrau erteilte Vertretungs- und Zustellvollmacht für sämtliche verwaltungs- und verwaltungsstrafrechtlichen Angelegenheiten vom 14.02.2020, ein Mietvertrag seiner Ehefrau, abgeschlossen am 14.11.2017, die Geburtsurkunde seiner Tochter samt Auszug aus dem Geburtseintrag, Auszüge aus dem Zentralen Melderegister betreffend seine Ehefrau und seine Tochter sowie zwei Empfehlungsschreiben von Privatpersonen angeschlossen.

Mit Verbesserungsauftrag vom 28.02.2020 wurde der BF aufgefordert, binnen vier Wochen eine Heiratsurkunde im Original sowie eine Geburtsurkunde im Original samt Kopie und Übersetzung bzw. ein dieser gleichzuhaltendes Dokument vorzulegen.

Am 20.02.2020 langte beim BFA ein Schreiben der Ehefrau des BF ein, in welchem sie ausführte, dass dem BF Asyl vorenthalten und er nach Kroatien abgeschoben worden sei. Sie habe ihren Mann in Kroatien ab und zu besucht und hätten sie während eines ihrer Besuche dort ihre gemeinsame Tochter gezeugt. Der BF habe nunmehr zwar in Kroatien Asyl erhalten, könne sie und ihre Tochter allerdings nur besuchen und nicht dauerhaft bei ihnen bleiben. Für die Entwicklung ihrer Tochter sei es jedoch wichtig, von beiden Eltern unterstützt zu werden. Zudem sei es schwierig, als alleinstehende Mutter den gesamten Haushalt zu erledigen, die Kurse zu besuchen, Zeit zum Lernen zu finden und nebenbei noch Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen, zumal sie in Zukunft eine Ausbildung beginnen wolle. Ihr Wunsch sei es daher, als Familie in Österreich leben zu können.

Am 09.03.2020 legte der BF persönlich die vom BFA angeforderten Unterlagen (Geburts- und Heiratsurkunde) vor.

Mit Schreiben vom 30.03.2020 wurde der BF aufgefordert, eine schriftliche Antragsbegründung in deutscher Sprache einzubringen.

Mit Schreiben vom 30.06.2020 („Verständigung vom Ergebnis von der Beweisaufnahme“) forderte das BFA den BF auf, binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme zu den in diesem gestellten Fragen bezüglich seines Aufenthaltes in Österreich, seinen familiären Anknüpfungspunkten innerhalb der EU sowie in seinem Herkunftsstaat und den Verhältnissen im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat abzugeben.

Mit E-Mail vom 09.07.2020 brachte der BF vor, dass er wegen seiner Frau und der gemeinsamen Tochter am 10.02.2020 nach Österreich gekommen sei und mit diesen im gemeinsamen Haushalt zusammenlebe. Er habe in Kroatien Asylstatus und habe in Zagreb gelebt. Bei seiner Einreise sei er im Besitz von EUR 150,00 gewesen, mittlerweile sorge seine Frau mit Hilfe des Mindestunterhaltes für die Familie. Er habe seinen Herkunftsstaat wegen des Krieges verlassen. Seine Heirat sei in Syrien nicht erlaubt, da er und seine Ehefrau unterschiedlichen Religionen angehören würden. In Syrien lebe seine Mutter, zu der er noch Kontakt habe. Er sei nicht bereit, Österreich freiwillig zu verlassen. Er wolle in Österreich bleiben, da seine Familie hier lebe. Da seine Frau einen Kurs mache und seine Tochter aufgrund von Corona nicht in den Kindergarten gehe, passe er auf sie auf. Zudem würden sie sich mit ihren Nachbarn treffen, um sich auszutauschen und die Sprache zu lernen. Er sei in Kroatien krankenversichert. In Österreich sei er weder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und habe auch keine Ausbildung absolviert.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf Erteilung eine Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG seine Außerlandesbringung an und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend führte das BFA aus, dass das Privat- und Familienleben des BF zu einem Zeitpunkt entstanden sei, zu dem ihm bewusst gewesen sein musste, dass kein Aufenthaltsrecht in Österreich bestehe, er bereits zwei unzulässige Asylanträge gestellt habe, sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte, erst seit 18.02.2020 bei seiner Ehefrau und Tochter lebe und keine auf eine Inklusion hindeutenden konkreten Initiativen wie Kursbesuche, Vereinstätigkeit oder Absolvierung einer Ausbildung, gesetzt habe. Schritte zur Integration in die österreichische Gesellschaft, insbesondere Sprachkenntnisse oder eine Erwerbstätigkeit, würden nicht vorliegen. Angesichts dieser Umstände sowie insbesondere der Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsvorschriften überwiege trotz des in Österreich bestehenden Familienlebens das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit gegenüber den persönlichen Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich. Da dem BF in Kroatien Asylstatus zukomme, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig sei, eine Verletzung von Art. 8 EMRK nicht vorliege und Kroatien aufgrund des bestehenden Rückübernahmeabkommens zur Rückübernahme des BF verpflichtet sei, sei die Anordnung der Außerlandesbringung zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, regte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an, beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung samt Einvernahme des BF und seiner Ehegattin und führte zusammengefasst aus, dass er einen Deutschkurs auf Niveau A2 besuche und seit September 2020 ehrenamtlich bei einem Verein als Hilfslehrer arbeite. Er habe seine Ehefrau bereits in Syrien kennengelernt und seien die beiden bereits seit 2013 Lebenspartner. Auch ihre Verlobung habe schon in Syrien stattgefunden. Nach Zuerkennung von Asylstatus in Kroatien und der Ausstellung eines Konventionsreisepasses sei der BF immer wieder zu seiner Ehefrau und Tochter gereist und habe mit diesen auch im gemeinsamen Haushalt gelebt. Zudem sei den Länderberichten zu entnehmen, dass Schutzberechtigte in Kroatien zwar Zugang zu medizinischer Versorgung hätten, jedoch keine krankenversicherte Personengruppe seien, weshalb es in der Praxis zu Zugangshindernissen komme. Da eine Infektion mit Covid-19 Personen jeglichen Alters treffen könne, hätte die Behörde Länderberichte zu den derzeitigen Zugangsmöglichkeiten zur Gesundheitsversorgung für Schutzberechtigte in Kroatien einholen müssen. Zudem habe das BFA das Kindeswohl nicht berücksichtigt. Der BF habe eine innige Beziehung zu seiner Tochter. Seit Februar 2020 lebe er mit seiner Ehefrau und Tochter im gemeinsamen Haushalt. Ein intensives Familienleben könne im Falle einer Abschiebung nach Kroatien nicht aufrechterhalten werden. Zwar könne der BF seine Ehefrau und Tochter weiterhin besuchen, jedoch könnten regelmäßige Besuche keine dauerhafte Betreuung durch den Vater ersetzen. Ebenso wenig sei es der Ehefrau und der Tochter des BF möglich, das Familienleben in Kroatien fortzusetzen, da beide in Österreich asylberechtigt seien und die Ehefrau in Österreich über gewichtige familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Die Überschreitung des 90-tägigen Aufenthaltsrechts könne dem BF nicht zur Last gelegt werden, da sein kroatischer Konventionsreisepass bei Antragstellung sichergestellt worden und er darüber informiert worden sei, dass er das Verfahren im Inland abzuwarten habe. Ende Juli 2020 habe er sich bei der Behörde nach dem Verfahrensstand und seinem Reisepass erkundigt, woraufhin ihm erneut mitgeteilt worden sei, dass er den Verfahrensstand abzuwarten habe. Aufgrund der Sicherstellung wäre es ihm auch nicht möglich gewesen, auszureisen, da hiefür ein Reisedokument notwendig sei.

Der Beschwerde waren ein Schreiben des Kindergartens, den die Tochter des BF vom 01.09.2019-30.09.2029 besucht hat, vom 09.11.2020 und ein Schreiben des von der Tochter des BF im Anschluss daran besuchten Kindergartens (ohne Datum) angeschlossen. In beiden Schreiben wird angegeben, dass die Tochter regelmäßig von ihrem Vater in den Kindergarten gebracht und von diesem abgeholt wird und eine gute Beziehung zwischen Vater und Tochter bestehen würde. Weiters wurden mit der Beschwerde eine Bestätigung des österreichischen Integrationsfonds über eine Anmeldung des BF zu einem Deutschkurs auf Niveau A2 (21.09.2020-31.01.2021) und der Zusage eines Kursplatzes hiefür sowie eine Bestätigung eines Vereins vom 02.11.2020 über eine durch den BF im September im Ausmaß von acht Wochenstunden ehrenamtlich aufgenommene Tätigkeit als Hilfslehrer vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist syrischer Staatsangehöriger. Dem BF wurde in Kroatien der Status des Asylberechtigten zuerkannt und am 02.01.2019 ein Konventionsreisepass, gültig bis 02.01.2024, ausgestellt. Im Zeitpunkt der Einbringung des verfahrensgegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels war der BF bereits in Kroatien asylberechtigt.

Der BF reiste erstmals im Jahr 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und wurde am 17.09.2015 in Kroatien erkennungsdienstlich behandelt. In der Folge begab sich der BF illegal nach Österreich und stellte am 30.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA mit Bescheid vom 27.02.2016, Zl. 15-1091261306/151563655, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückwies. Gleichzeitig sprach das BFA aus, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 22 Abs. 7 iVm Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig sei, ordnete gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass demzufolge seine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 22.03.2016, Zl. W205 2122763-1/2E, rechtskräftig ab. Auch die dagegen erhobenen Rechtsbehelfe des BF an den VfGH und an den VwGH blieben erfolglos.

Am 15.04.2016 wurde der BF in den zuständigen Mitgliedstaat Kroatien abgeschoben. Am 19.04.2016 stellte der BF dort einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 29.08.2016 begab sich der BF erneut illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 18.11.2016 heiratete der BF in Österreich standesamtlich eine syrische Staatsangehörige, der in Österreich am 11.12.2015 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden war.

Die Behauptung einer bestehenden Herzerkrankung der Ehegattin im Antrag des BF, deretwegen diese auf die Unterstützung ihres Ehemannes angewiesen sein sollte, wurde in keiner Weise belegt und bietet der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt in diese Richtung. In dem zwei Tage nach Antragstellung durch den BF beim BFA eingelangten Schreiben der Ehegattin des BF wird keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung angeführt.

Von 27.10.2015 bis 29.02.2016 sowie von 31.08.2016 bis zu seiner Abschiebung am 10.02.2017 bestand ein gemeinsamer Wohnsitz der Eheleute.

Am 10.02.2017 wurde der BF zum zweiten Mal nach Kroatien abgeschoben.

Am 12.10.2017 wurde die laut Angabe der Ehegattin während eines ihrer Kroatienbesuche gezeugte gemeinsame Tochter des BF mit seiner Ehefrau geboren, der im Familienverfahren nach ihrer Mutter ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Mit Bescheid vom 24.07.2017, Zl. 1091261306/161186099, wies das BFA ebenso den zweiten Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach abermals aus, dass Kroatien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist, ordnete die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG an und stellte wiederum fest, dass demzufolge seine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 20.06.2018, Zl. W184 2122763-2/8E, gemäß § 5 AsylG 2005, § 61 FPG und § 21 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet ab und stellte fest, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig gewesen ist. Dabei berücksichtigte das BVwG, dass die Ehefrau und Tochter des BF in Österreich leben, kam jedoch vor dem Hintergrund der Begründung des Familienlebens zu einem Zeitpunkt, zu dem den Beteiligten das fehlende Aufenthaltsrecht des BF bewusst gewesen sein musste sowie der Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsvorschriften zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich überwiegen würden.

Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde lehnte der VfGH mit Beschluss vom 25.09.2018, E 3108/2018-6, ab. Die außerordentliche Revision des BF wurde mit Beschluss des VwGH vom 23.01.2019, Ra 2018/19/0683, zurückgewiesen.

Während des Aufenthaltes des BF in Kroatien kam es hin und wieder zu Besuchen der Ehegattin in Kroatien. Seit der Zuerkennung von Asyl an den BF in Kroatien und der Ausstellung eines Konventionsreisepasses hat der BF seine Angehörigen immer wieder in Österreich besucht.

Im Februar 2020 reiste der BF abermals in Österreich ein und stellte am 18.02.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005.

Seit 18.02.2020 lebt der BF durchgehend mit seiner Ehefrau und seiner Tochter im gemeinsamen Haushalt zusammen, kümmert sich um seine Tochter und bringt sie regelmäßig in den Kindergarten.

Seit 21.09.2020 besucht der BF zweimal wöchentlich einen Deutschkurs auf Sprachniveau A2, arbeitet seit September 2020 acht Stunden pro Woche ehrenamtlich als Hilfslehrer in einem Verein und pflegt freundschaftlichen Umgang mit österreichischen Wohnungsnachbarn. Der BF ist nicht erwerbstätig und verfügt im Bundesgebiet über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Der BF ist unbescholten.

Im Falle der Überstellung nach Kroatien läuft der BF nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der BF leidet an keinen schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der BF ist laut eigener Angabe in Kroatien krankenversichert.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

Bei Covid-19 handelt es sich um eine durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Diese wurde erstmals 2019 in Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten Covid-19-Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen, dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet (Sozialministerium, 14.01.2021).

In Österreich gibt es mit Stand 10.02.2021 13346 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 404676 genesene Fälle und 8071 Todesfälle. In Kroatien werden zu diesem Stichtag 2596 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 228499 genesene Fälle und 5238 Todesfälle bestätigt. Das aktuelle Infektionsgeschehen in Österreich stellt sich somit, gemessen an der Bevölkerungszahl der beiden Staaten, sogar ungünstiger dar.

Die meisten mit dem Covid-19-Virus infiziert Personen leiden an leichten bis mittelschweren Atemwegserkrankungen und erholen sich ohne besondere Behandlung. Ältere Menschen und Menschen mit zugrundeliegenden Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs, entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit schwere Krankheitsverläufe.

Die Covid-19-Pandemie steht einer Überstellung des BF nach Kroatien nicht entgegen. Der BF ist als 28-jähriger Mann ohne einschlägige Vorerkrankungen keiner Risikogruppe zurechenbar, bei der mit einem schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung gerechnet werden müsste. Mittlerweile stellt es ein allgemeines Lebensrisiko dar, an einer Covid-19-Infektion zu erkranken und kann dies ebenso in Österreich nicht ausgeschlossen werden.

Zur allgemeinen Lage im Mitgliedstaat Kroatien stützt sich das BVwG auf nachfolgende, der Entscheidung des BFA zugrundegelegte Feststellungen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, Gesamtaktualisierung vom 18.05.2020):

„1. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 22.4.2020; USDOS 11.3.2020 […]).

(AIDA 22.4.2020)

Im Jahr 2019 wurden laut Eurostat 1.265 Erstanträge gestellt (von insgesamt 1.400 Anträgen im Vergleich zu 800 Anträgen im Jahr 2018) (Eurostat 20.3.2020; vgl. Eurostat 2.4.2020). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 35 Personen (Eurostat 21.4.2020).

[…]

2. Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2019 insgesamt 99 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in solch einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 22.4.2020).

Die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Kroatien wurde von europäischen nationalen Gerichten nicht infrage gestellt. Dies wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt (AIDA 22.4.2020).

In einer im Februar 2019 veröffentlichten Studie der Organisation "Médecins du Monde" wird festgestellt, dass es Dublin-Rückkehrern in Kroatien an psychosozialer Unterstützung fehle (MdM 2.2019). (Siehe dazu auch Abschnitt 6.3. Medizinische Versorgung, Anm.)

[…]

3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt. Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete – auch medizinische - Unterstützung zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren; ein institutionalisiertes Früherkennungssystem gibt es nicht (AIDA 22.4.2020). Als "unbegleitete Minderjährige" gelten Drittstaatsangehörige bzw. staatenlose Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind und ohne Begleitung verantwortlicher erwachsener Personen in die Republik Kroatien eingereist sind (HPC o.D.).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs in Kooperation mit dem Innenministerium (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). NGOs und das Innenministerium arbeiten zwar zusammen, ein systematischer Informationsaustausch findet jedoch nicht statt. Weniger offensichtliche Vulnerabilität wie z.B. im Zusammenhang mit Traumatisierten oder Opfern von Folter oder Menschenhandel oder auch von LGBTI-Personen werden in der gegenwärtigen Praxis viel seltener erkannt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma berichtete, dass es noch immer keinen geeigneten Mechanismus zur Identifizierung von Folteropfern gibt (AIDA 22.4.2020).

Mit einem am 30. August 2018 verabschiedeten Protokoll über die Behandlung unbegleiteter Minderjähriger soll die Stellung dieses Personenkreises verbessert werden. Das Protokoll bietet einen detaillierten Überblick über alle Verfahren und enthält Leitlinien für alle relevanten Akteure, die mit unbegleiteten Minderjährigen in Kontakt kommen und mit ihnen arbeiten. Nach Angaben des Innenministeriums wurde eine ressortübergreifende Kommission eingerichtet, um die Zusammenarbeit zwischen Organen der staatlichen Verwaltung und anderen am Schutz unbegleiteter Minderjähriger beteiligten Akteuren zu verbessern. Diese Kommission ist 2019 zweimal zusammengetreten, allerdings ohne spezielle Resultate zu erzielen. Am 1. Januar 2019 trat ein neues Pflegeelterngesetz in Kraft, das die Möglichkeit des Aufenthalts unbegleiteter Minderjähriger in einer Pflegefamilie vorsieht (AIDA 22.4.2020).

Die Anträge unbegleiteter minderjähriger Asylwerber (UMA) werden bei der Entscheidungsfindung vorrangig behandelt. Sofern letztere den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist ihnen vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Laut Angaben des Ministeriums gab es auch im Jahr 2018 in der Praxis Verzögerungen bei der Bestellung eines gesetzlichen Vormunds. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UMA über 16 Jahre alt und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). Die Ombudsperson für Kinder hat festgestellt, dass es in der Praxis beim Vormundsystem Probleme gibt (HPC o.D.) und die Vormünder oft nicht verfügbar sind bzw. nicht in regelmäßigem Kontakt mit dem Kind stehen. Besuche finden in bestimmten Fällen nur dann statt, wenn diese vom Innenministerium oder anderen Institutionen/Organisationen angesetzt werden (AIDA 22.4.2020).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Minderjährigen täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Minderjährigen und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus einer allgemeinen medizinischen Untersuchung und einem Röntgen der Zähne und/oder der Hand. Im Zweifel ist Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der Antragssteller als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber (nur) deswegen nicht abgelehnt werden. Im Zweifel wird zunächst eine zweite Meinung eingeholt, sofern die Zweifel fortbestehen, ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde das Altersfest-stellungsverfahren in den Jahren 2017 und 2018 nicht durchgeführt. Für 2019 liegen diesbezüglich keine Informationen vor (AIDA 22.4.2020).

UMA unter 14 Jahren werden in Kinderheimen und jene über 14 Jahren in Jugendunterkünften untergebracht. Die Mitarbeiter dieser Unterkünfte sind jedoch nicht speziell auf den Umgang mit UMA vorbereitet. Verschiedene NGOs haben Bedenken insbesondere hinsichtlich der Unterbringung von Kindern in Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert, da dort hauptsächlich Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten betreut werden. Die Eignung dieser Einrichtungen für den Aufenthalt von UMA kann in Zweifel gezogen werden, insbesondere wenn man die besonderen Bedürfnisse dieser Minderjährigen sowie die Nichtverfügbarkeit von Dolmetschern in diesen Einrichtungen berücksichtigt. Ein neues Gesetz über Pflegefamilien, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, eröffnet die Möglichkeit, unbegleitete Minderjährige in Pflegefamilien unterzubringen. Die Angaben zur Zahl unbegleiteter minderjähriger Asylwerber, die 2019 internationalen Schutz in Kroatien beantragt haben, divergieren laut der Ombudsperson für Kinder beträchtlich; Während das Innenministerium deren Zahl mit 70 angibt, haben die Zentren für Sozialfürsorge über die Ernennung von Vormündern für 281 unbegleitete Minderjährige entschieden (AIDA 22.4.2020).

[…]

4. Non-Refoulement

Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf letztere wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 22.4.2020).

Eines der zentralen Themen in Kroatien war in den vergangenen Jahren der eingeschränkte Zugang zum Asylsystem für Personen, die via Serbien oder Bosnien und Herzegowina einreisen wollten (AIDA 22.4.2020). Internationale und kroatische NGOs sowie internationale Organisationen außerhalb des Landes wie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) berichteten über polizeiliche Pushbacks von Migranten, die versuchten, über die Grenze zu Serbien und insbesondere zu Bosnien und Herzegowina illegal in das Land einzureisen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 8.11.2019, SRF 28.9.2019; AI 2019). Es gab auch Berichte über Polizeigewalt (FH 4.2.2019). Durch die erwähnten Pushbacks werden die Migranten von materieller und medizinischer Hilfe ausgeschlossen bzw. sogar ihre Besitztümer (Kleidung, Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte) verbrannt bzw. auch andere Gegenstände wie Mobiltelefone, Powerbanks oder persönliche Dokumente ins Visier genommen (ECRE 30.8.2019).

Es gibt Berichte über einen fortgesetzten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Asylwerbern (ECRE 31.1.2020).

Seitens der Ombudsperson wurde nach Eingang einer anonymen Beschwerde eines Grenzpolizisten, wonach die illegale Misshandlung von Migranten von den Vorgesetzten der Polizei angeordnet worden sei, schließlich das Parlament informiert. Das Innenministerium wies diese Behauptungen als unbegründet und ungenau zurück. Die Regierung arbeitete in den meisten Fällen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Regierung hat bedeutende Schritte unternommen, um Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Auch die Europäische Kommission beurteilt die Einrichtung eines Kontrollregimes für das Verhalten der kroatischen Grenzbeamten sowie das Versprechen der kroatischen Regierung, allen Vorwürfen nachzugehen, positiv. Es gebe ausreichende Belege dafür, dass das Land bemüht ist, seine Verpflichtungen zum Schutze der Menschenrechte zu erfüllen (HRW 8.11.2019)

5. Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2019 auf 100 Kuna (EUR 13,40) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er doch als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken (AIDA 22.4.2020).

[…]

5.1. Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina zielt auf die Unterbringung vulnerabler Antragsteller ab, auch wenn 2019 dort hauptsächlich umgesiedelte Personen beherbergt wurden, bis diese am Ende des Jahres in anderen Städten mit bezahlten Wohnungen ausgestattet wurden. Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2020).

Das „Hotel Porin“, offizielle Bezeichnung „Reception Center for Asylum Seekers Zagreb“, ist ein ehemaliges Hotel, das nach der Schließung nunmehr im Eigentum der Polizei steht. Das Zentrum wird von Polizei und Regierung mit Unterstützung zahlreicher NGOs wie Croatian Baptist Aid, MSF, dem Roten Kreuz und IOM betrieben (BGAV 13.5.2019). Eine umfassende Renovierung 2019 hat die Lebensbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert (AIDA 22.4.2020).

Die Bewohner können sich frei bewegen, müssen aber – sofern keine Sondergenehmigung vorliegt – bis 23 Uhr wieder im Haus sein. In Kutina teilen sich Familien ein Zimmer, unbegleitete Minderjährige und alleinstehende Frauen werden getrennt untergebracht. In Zagreb werden maximal vier Personen pro Zimmer untergebracht; Familien mit mehr als fünf Mitgliedern werden nach Möglichkeit zwei Zimmer zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit Duschen und Toiletten ist ausreichend und die Einrichtungen werden regelmäßig gereinigt (AIDA 22.4.2020).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2020).

Das Personal des Innenministeriums in den Aufnahmezentren ist ausreichend. Es werden soziale und pädagogische Aktivitäten organisiert wie etwa Sportaktivitäten, Sprach- und EDV-Kurse und verschiedenste Workshops beispielsweise über kroatische Kultur und über Sitten und Gebräuche. Auch Kinderspielzimmer, Bibliothek, Friseur und ähnliches stehen zur Verfügung. Die meisten Asylwerber bleiben nicht lange in den Aufnahmezentren, da sie sich auf der Durchreise befinden (AIDA 22.4.2020).

Der Jesuitische Flüchtlingsdienst JRS organisiert zahlreiche Freizeitaktivitäten und Sprachkurse. Zudem können die Bewohner der Aufnahmezentren eine asylrechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen (JRS o.D.).

UNICEF setzt sich besonders dafür ein, dass bei der Organisation und Planung der Dienste in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (AIDA 22.4.2020). Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden (AIDA 22.4.2020).

Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Personen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen. 2018 wurden gemäß kroatischen Innenministerium insgesamt 928 Migranten inhaftiert, davon 535 in Jezevo, 109 in Tovarnik und 284 in Trilj. Diese Zahl umfasst nicht die von der Polizei angeordneten Inhaftierungen, sondern nur jene, die von Aufnahmezentren für Asylwerber oder den Asylbehörden angeordnet wurden. Es liegen keine Daten über die Inhaftierung von Migranten und Bewerbern um internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2019 vor (AIDA 22.4.2020).

5.2. Unterbringung Vulnerabler/UMA

Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber. Dort wurden spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable eingerichtet. Familien werden gemeinsam, alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht. In manchen Fällen wurden Kinder gemeinsam mit erwachsenen Asylwerbern untergebracht (AIDA 22.4.2020).

UNICEF berichtete, dass Ende 2019 ein kurzfristiger Vertrag mit dem JRS (gültig bis April 2020) unterzeichnet wurde, der die Finanzierung der Wiederherstellung eines kinderfreundlichen Raums vorsieht (AIDA 22.4.2020). Ziel ist es, einen sicheren Ort für die Kinder zu schaffen, an dem sie lernen, spielen und Spaß haben können. Weiters soll den Kindern Schutz, psychosoziales Wohlbefinden und nicht-formale Bildung geboten werden. Dem Alter der Kinder entsprechend werden altersgerechte Spiele, Lerntechniken und pädagogische Inhalte verwendet (JRS o.D.).

Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig, werden die Betroffenen zu medizinischer bzw. psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wenn erforderlich, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Bei Bedarf können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Laut Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 22.4.2020).

5.3. Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem wurde in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet. Das Kroatische Rote Kreuz bietet ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehören eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata (AIDA 22.4.2020).

Zur spezialisierteren Behandlung werden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfügt. Im Spital in Zagreb sind Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus werden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch wurden für die Asylwerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt. Ein Ärzteteam von MdM war jeden Werktag von 9 bis 15 Uhr im Aufnahmezentrum in Zagreb und je nach Bedarf im Aufnahmezentrum in Kutina anwesend (AIDA 22.4.2020).

Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt “Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants”. 24 Personen wurden 2019 im Rahmen dieses Projekts betreut (AIDA 22.4.2020).

Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM arbeitet täglich mit diesen Menschen, von denen die meisten Opfer von multiplen Traumata sind, zusammen und kümmert sich – sofern erforderlich - auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.; vgl. MdM 6.2018). Im Jahr 2019 führte das Ärzteteam von MdM 3.556 ärztliche Konsultationen durch, hiervon 1.360 Erstuntersuchungen neu eingetroffener Asylwerber, weiters 1.200 psychologische Einzelberatungen und 110 psychiatrische Fachuntersuchungen (AIDA 22.4.2020).

Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktische Unterstützung für Asylwerber (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtungen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung). Auch Schutzberechtigte werden entsprechend unterstützt, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018).

Außerdem hat das "Zentrum für Kinder, Jugend und Familie“ (Modus) seit März 2015 mit der Bereitstellung von kostenloser Beratung und Psychotherapie für Antragsteller und Flüchtlinge begonnen. 2019 wurde die Beratung nicht in den Aufnahmezentren selbst, sondern in den Räumlichkeiten der Organisation angeboten und von drei Psychologen und zwei Dolmetschern für Farsi und Arabisch unterstützt. Eine Sitzung dauert zwischen 45 und 60 Minuten und beinhaltet die üblichen Regeln für die Gewährung psychologischer Unterstützung, wie z.B. Vertraulichkeit und die Möglichkeit, sich auf die zu behandelnden Themen zu einigen (AIDA 22.4.2020).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

6. Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für drei Jahre. Die Kosten für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trägt der Staat; eine etwaige Verlängerung hingegen verursacht Kosten, die vom Betreffenden selbst zu tragen sind. Alle Schutzberechtigten dürfen sich im Land frei bewegen. Wer fünf Jahre ununterbrochen legal im Land aufhältig war, kommt für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis infrage, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden. Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch subsidiär Schutzberechtigte haben grundsätzlich ein Recht auf Familienzusammenführung (AIDA 22.4.2020), wenngleich ein im Jahr 2020 veröffentlichter Bericht des Croatian Law Centers besagt, dass de facto zahlreiche unter anderem auch administrative Hindernisse wie z.B. die Notwendigkeit, verschiedene ins Kroatische übersetzte Dokumente zu erhalten, die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung behindern (BalkanInsight 13.3.2020).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die nicht über die Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, haben das Recht auf Unterbringung für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Statuszuerkennung. Dazu ist ein Antrag bei der zuständigen Sozialfürsorgestelle nötig. Nach der zweijährigen Integrationsphase wird die Unterbringung nach dem Gesetz über Sozialleistungen geregelt. In der Praxis dürfen Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz in den entsprechenden Aufnahmezentren bleiben, bis eine angemessene Unterkunft bzw. Wohnung für sie gefunden ist. Alle Schutzberechtigten haben denselben Anspruch auf Sozialhilfe wie kroatische Bürger. Berichten zufolge ist die Sozialhilfe jedoch nicht ausreichend, um den eigenen Lebensunterhalt zu decken. Somit bleibt diese Personengruppe weiterhin von der Unterstützung durch zivile Organisationen abhängig (AIDA 22.4.2020).

2018 wurden ca. 60 Wohnungen für Schutzberechtigte renoviert. Diese Wohnungen befinden sich jedoch nicht in Zagreb, sondern in der Region Sisak/Karlovac (VB 20.4.2018). Vor Ort werden die Flüchtlinge in ihren Integrationsbemühungen von NGOs wie beispielsweise „Welcomm“ unterstützt (Welcomm o.D.).

Es wird davon ausgegangen, dass die Schutzberechtigten in den zwei Jahren der Integrationsphase Kroatisch gelernt und eine Arbeit gefunden haben werden. Das Haupthindernis hierbei ist das Erlernen der kroatischen Sprache, deren Beherrschung eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration und den Zugang zum Arbeitsmarkt ist. Das Ministerium für Wissenschaft und Bildung organisierte hierzu in Kooperation mit dem Innenministerium ein Integrationsprojekt mit Sprachkursen in Zagreb, Slavonski Brod und in Sisakand Karlovac (AIDA 22.4.2020). Anerkannte Flüchtlinge profitieren von einem soliden Integrationsprogramm, wobei aber das Erlernen der Sprache eine der größten Herausforderungen darstellt. Obwohl die Regierung Sprachkurse anbietet, ist dieses Angebot unzureichend und überdies nicht überall verfügbar (Euractiv 27.12.2019).

Schutzberechtigte werden in der Integrationsphase von Sozialarbeitern betreut, die auch bei der Arbeitsvermittlung und Ausbildungsmaßnahmen helfen, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit NGOs. In der Praxis sind Schutzberechtigte nach zwei Jahren, in denen sie auf Staatskosten gewohnt haben, oft nicht in der Lage, eine eigene Unterkunft zu finden und zu bezahlen. Die Gründe dafür sind vor allem Sprachbarrieren und Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, obwohl Schutzberechtigte denselben Zugang zum Arbeitsmarkt haben wie kroatische Bürger. Daneben zögern Vermieter oft, Wohnungen an diese Personengruppe zu vermieten. Das Kroatische Rote Kreuz betreibt Programme und ein sogenanntes „Integrationshaus“ als Anlaufstelle für Schutzberechtigte. Auch viele andere NGOs (z.B. Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Centre for Peace Studies, Rehabilitation Centre for Stress and Trauma) bieten Unterstützung bei der Integration. Das kroatische Arbeitsamt (Croatian Employment Service - CES) ist für die Umsetzung von Maßnahmen für den Arbeitsmarktzugang von Schutzberechtigten zuständig (AIDA 22.4.2020; vgl. CoE-ECRI 15.5.2018). Laut Informationen des Arbeitsamts waren im Jahr 2019 146 anerkannte Flüchtlinge, 12 Personen unter subsidiärem Schutz und 13 Familienangehörige von Personen mit internationalem Schutzstatus als arbeitslos registriert. Die Mehrheit der registrierten Personen stammte aus Syrien (117) und dem Irak (24). Das Arbeitsamt hebt die mangelnden Kenntnisse der kroatischen und/oder englischen Sprache sowie die geringe Motivation zum Erlernen der Sprache und zur Teilnahme an anderen Programmen, die die Chancen auf eine Beschäftigung erhöhen können, als Haupthindernis für die Integration von Schutzberechtigten hervor. Als zusätzliche Herausforderung für die Integration hebt CES außerdem die Arbeitseinstellung und die kulturellen Unterschiede, insbesondere bei Frauen, hervor (AIDA 22.4.2020).

Schutzberechtigte sind zwar keine krankenversicherte Personengruppe, sie haben jedoch vollen Zugang zu medizinischer Versorgung, wobei der kroatische Staat analog zu Pflichtversicherten die Kosten zu tragen hat. Sie müssen dazu bloß ihre Identitätskarte vorlegen. Trotzdem gibt es in der Praxis Zugangshindernisse: Zum einen die Sprachbarriere und zum anderen Unwissenheit seitens des medizinischen Personals über die Rechte von Schutzberechtigten (AIDA 22.4.2020).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF und seinem Flüchtlingsstatus in Kroatien ergeben sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde sowie dem vorgelegten Konventionsreisepass, die in Kopie im Akt aufliegen, in Verbindung mit den diesbezüglichen glaubhaften Ausführungen des BF.

Die Feststellungen zu den beiden Asylanträgen des BF in Österreich, den in diesen Verfahren ergangenen negativen Entscheidungen des BFA, des BVwG, des VwGH und des VfGH sowie die beiden Abschiebungen des BF nach Kroatien stützen sich auf einen amtswegig eingeholten Fremdenregisterauszug sowie den Akteninhalt der Verfahren W205 2122763-1 und W184 2122763-2 vor dem BVwG.

Die standesamtliche Heirat des BF in Österreich am 18.11.2016 ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde, die Geburt der gemeinsamen Tochter am 12.10.2017 in Österreich geht aus der vorgelegten Geburtsurkunde, beide im Akt einliegend, hervor. Der Asylstatus der Ehefrau und der Tochter des BF folgen aus deren Fremdenregister- und Grundversorgungsauszügen sowie dem Vorbringen des BF.

Die Feststellungen zum gemeinsamen Wohnsitz des BF, seiner Ehefrau und seiner Tochter gründen sich auf einen Vergleich der jeweiligen Auszüge aus dem Zentralen Melderegister. Zwar geht aus den Melderegisterauszügen hervor, dass der BF und seine Ehefrau nicht nur bis 10.02.2017, sondern bis 12.04.2017 an derselben Adresse polizeilich gemeldet waren, da der BF jedoch am 10.02.2017 nach Kroatien abgeschoben wurde und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er unmittelbar danach wieder nach Österreich zurückgekehrt wäre, ist davon auszugehen, dass der gemeinsame Wohnsitz lediglich bis zu diesem Zeitpunkt bestand. Besuche der Ehefrau während des Aufenthaltes des BF in Kroatien stützen sich auf die Ausführungen der Ehefrau in ihrem Schreiben vom 20.02.2020, die Besuche des BF in Österreich auf die Beschwerdeausführungen. Die Feststellung, dass sich der BF um seine Tochter kümmert und diese regelmäßig in den Kindergarten bringt, beruht auf den übereinstimmenden Ausführungen des BF und seiner Ehefrau und den mit der Beschwerde vorgelegten, dies bestätigenden Schreiben der beiden Kindergärten, welche die Tochter des BF besuchte bzw. noch besucht.

Der Besuch des Deutschkurses sowie die ehrenamtliche Tätigkeit des BF sind den mit der Beschwerde vorgelegten Bestätigungen zu entnehmen. Die Kontakte zu österreichischen Nachbarn ergeben sich aus den vorgelegten Unterstützungsschreiben. Dass der BF nicht erwerbstätig ist und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung des Lebensunterhalts verfügt, beruht ebenfalls auf seinem eigenen Vorbringen im Schreiben vom 09.07.2020, wonach er kein Geld mehr habe, seine Frau für ihn sorge und die Unterkunft mithilfe des Mindestunterhalts bezahle, sowie dem Umstand, dass auch in der Beschwerde nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.

Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht dargetan. Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Kroatien wurde nicht vorgebracht.

Der Gesundheitszustand des BF beruht auf der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren und wurden auch keine Befunde in Vorlage gebracht.

Soweit der BF in der Beschwerde darauf verwies, dass Schutzberechtigte in Kroatien zwar Zugang zu medizinischer Versorgung hätten, jedoch keine krankenversicherte Personengruppe seien und es daher in der Praxis zu Zugangshindernissen komme, weshalb das BFA insbesondere vor dem Hintergrund einer Infektion mit Covid-19 Länderberichte zu den Zugangsmöglichkeiten zur Gesundheitsversorgung für Schutzberechtigte einzuholen gehabt hätte, ist entgegenzuhalten, dass dieses Vorbringen schon deshalb ins Leere läuft, da der BF in seinem Schreiben vom 09.07.2020 selbst angegeben hatte, dass er in Kroatien krankenversichert sei. Abgesehen davon, ist den Länderberichten zu entnehmen, dass Schutzberechtigte vollen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, wobei der kroatische Staat analog zu Pflichtversicherten die Kosten zu tragen hat. Seitens des BF wurde auch nicht behauptet, dass er in der Vergangenheit Problemen betreffend das Erfordernis der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen begegnet wäre. Die dezidierte Feststellung des BF, dass er in Kroatien krankenversichert sei, lässt vielmehr darauf schließen, dass sich der Zugang zu medizinischer Betreuung in der Vergangenheit problemlos gestaltet hat. Es ist demnach anzunehmen, dass der BF auch bei Rückkehr nach Kroatien bei Bedarf Zugang zu entsprechender medizinischer Versorgung haben wird.

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Überstellungsstaat stützen sich auf die zitierten bzw. die bereits dem Verfahren vor dem BFA zugrunde gelegten Quellen. Es handelt sich dabei um Berichte diverser anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen und bieten diese ein in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich übereinstimmendes und ausgewogenes Bild zur Situation in Kroatien. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell (Gesamtaktualisierung am 18.05.2020), sie zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Kroatien, welches sich nicht explizit auf den Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Fall bedeutet dies konkret, dass es zu einer temporären Aussetzung von Überstellungen kommen kann, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen jedenfalls durchgeführt werden, wenn sich die einzelnen Mitgliedstaaten dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer oder Personen mit Schutzstatus potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

- Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005):

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 55 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

§ 9 Abs. 2 BFA-VG lautet:

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 60 AsylG lautet auszugsweise:

(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

[…]

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaats

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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