Entscheidungsdatum
12.02.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W205 2149556-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020, Zl. 1099778710/171057946, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 4 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Vorverfahren:
Der Beschwerdeführer stellte am 20.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 16.02.2017 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.05.2017, GZ: W202 2149556-1/2E, als unbegründet abgewiesen.
Am 10.05.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 120 Abs. 1b iVm § 53 Abs. 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 von der Landespolizeidirektion Wien angezeigt.
Mit dem (die Vorstellung nach Erlassung eines Mandatsbescheides erledigenden) Bescheid betreffend eine Wohnsitzauflage vom 20.08.2019, Zahl 1099778710-171057946 wurde dem Beschwerdeführer vom BFA gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der näher genannten Betreuungseinrichtung, zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).
Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde der angefochtene Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 23.09.2019, Zl. W163 2149556-2/2E, gem. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage behoben.
2. Gegenständliches Verfahren:
Am 03.03.2020 stellte der Beschwerdeführer durch seinen gewillkürten Parteienvertreter einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte nach § 46a Abs. 4 FPG aus dem Duldungsgrund des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, da die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich sei.
Ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei sämtlichen fremdenpolizeilichen Ladungen nachgekommen, habe seine Identitätsdaten stets wahrheitsgemäß und konsistent angegeben und habe aktiv an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt. Ein solches würde dennoch nicht vorliegen, daher sei davon auszugehen, dass die Ausstellung eines solchen Dokumentes im Fall des Beschwerdeführers grundsätzlich nicht möglich sei und ihm sei daher in Anbetracht der gesetzlichen Grundlagen eine Duldungskarte auszustellen.
Der Beschwerdeführer wurde am 27.05.2020 niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der Beschwerdeführer wurde auf den rechtskräftig negativen Ausgang seines Asylverfahrens hingewiesen und er wurde aufgefordert, abermals zur indischen Botschaft zu gehen, ein Ersatzdokument zu beantragen und sich dies schriftlich bestätigen zu lassen.
Mit Schreiben vom 05.06.2020 wurde von der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vorgebracht, dass der Beschwerdeführer den Aufforderungen des BFA nicht nachkommen könne, trotz der Bemühungen, eine konsularische Bestätigung der indischen Botschaft zu erhalten, sei diese durch die Mitarbeiter der indischen Botschaft verwehrt worden. Aufgrund dessen könne keine Bestätigung dem BFA vorgelegt werden.
Am 16.06.2020 wurde betreffend die Dolmetschkosten um Zahlungsaufschub oder Ratenvereinbarung ersucht.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020, Zl. 1099778710/171057946, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, zwar bei der Botschaft gewesen zu sein, jedoch habe diese ihm kein Identitätsdokument ausstellen wollen. Der Beschwerdeführer habe allerdings für diese Behauptung keinen Nachweis vorlegen können, wodurch davon auszugehen sei, dass er gar nicht bei der Botschaft gewesen sei. Aus Sicht der Behörde sei es als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer gar nicht gewillt sei, ein Heimreisezertifikat zu bekommen, da er gar nicht nach Indien reisen wolle. Er verschleiere daher bewusst seine Identität und komme seiner Verpflichtung, im Verfahren mitzuwirken, nicht nach. Seine Identität habe nicht festgestellt werden können, wodurch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldungskarte nicht vorliegen würden. Auch habe der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen in Österreich, seine Kernfamilie (Gattin, Kinder, Eltern) würde in Indien leben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen gewillkürten Vertreter fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass er indischer Staatsbürger sei, allerdings kein Reisedokument besitze. Die indische Botschaft in Österreich habe ihm, trotz seines entsprechenden Vorbringens, keinen Reisepass oder Heimreisezertifikat ausgestellt. Er sei stets bereit gewesen und habe auch tatsächlich sämtliche Formulare ausgefüllt und unterfertigt, die die österreichische Behörde von ihm verlangt hätten, um ein Heimreisezertifikat zu erhalten. Der Beschwerdeführer habe wegen der Ausstellung eines Heimreisezertifkates bei der indischen Botschaft vorgesprochen und selbst wenn dies nicht richtig wäre, wie ihm unterstellt werde, sei jedenfalls erwiesen, dass er kooperativ gewesen sei bei dem Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, das – wie aus den Feststellungen hervorgehe – anhängig sei. Die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Karte für Geduldete seien daher gegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit dem im Beschwerdeweg ergangenen hg. Erkenntnis vom 24.05.2017, GZ: W202 2149556-1/2E, wurde die Entscheidung des BFA bestätigt, wonach der Antrag des Beschwerdeführers vom 20.12.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt worden war, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Der Beschwerdeführer kam in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Es kann nicht festgestellt werden, dass es dem Beschwerdeführer aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich gewesen wäre, mit der indischen Botschaft in Wien in Kontakt zu treten, um entsprechende Dokumente für seine Ausreise zu beschaffen und es besteht insbesondere auch bisher kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich wäre.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete.
Bezüglich der (Negativ-)Feststellung, wonach nicht feststellbar sei, dass es dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen wäre, entsprechende Dokumente zu beschaffen und kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass seine Abschiebung unmöglich wäre, wird Folgendes ausgeführt:
Der Beschwerdeführer behauptete im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.05.2020, er wäre bei der indischen Botschaft gewesen, sei jedoch nur bis zum Eingang gekommen, weiter hätte er nicht dürfen, da die Mitarbeiter keine Zeit für ihn gehabt hätten. Auch würde er dort Dokumente brauchen, die er nicht habe (vgl. AS 389f.). Einen Nachweis, dass er sich tatsächlich – auf zumutbare Weise - bei der indischen Botschaft um Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht hätte, konnte der Beschwerdeführer allerdings nicht vorlegen. Zwar deutete der Beschwerdeführer indirekt an, einen Nachweis über den letzten Besuch bei der indischen Botschaft zu besitzen („F: Wann waren Sie zuletzt in der indischen Botschaft? A: Nach dem letzten Termin; F: Können Sie das nachweisen? A: Hätten Sie mir das davor gesagt, hätte ich es mitnehmen können.“, vgl .AS 389), im Schreiben vom 05.06.2020 führte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers demgegenüber allerdings aus, dass der Beschwerdeführer keine Bestätigung vorlegen könne, da ihm eine Ausstellung durch die Botschaft verwehrt worden wäre.
Da der Beschwerdeführer im Verfahren sohin weder eine Bestätigung vorgelegt hat, dass er bei der indischen Botschaft war und sich um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht hat bzw. nicht nachvollziehbar erklären konnte, warum ihm von der indischen Botschaft keine Bestätigung bezüglich der Antragstellung auf Ausstellung eines Reisepasses ausgestellt wurde, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich der Beschwerdeführer gar nicht um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht hat. Die mangende diesbezügliche Mitwirkung erschließt sich im Übrigen auch aus mehreren Aussagen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren [„Ich bitte Sie, dass Sie mir den Aufenthalt in Österreich genehmigen, damit ich hier ein sicheres und legales Leben führen kann.“; „Ich möchte gerne in Österreich studieren“ (vgl. AS 385); „Ich will hierbleiben, ich bitte Sie mir einen Aufenthaltstitel auszustellen. Ich bin kein Krimineller.“ (vgl. AS 387); „Ich möchte lieber hier sterben, als dass man mich in Indien tötet, ich besitze keine Dokumente und kann auch nicht in ein anderes Land reisen.“ (vgl. AS 389)].
Insbesondere aber ergibt sich bisher kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass eine allenfalls vorzunehmende Abschiebung des Beschwerdeführers unmöglich wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Der mit „Duldung“ überschriebene § 46a FPG idgF lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
…
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
…
(2) …
(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzdokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Heimreisedokumentes notwenigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen
"Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
…“
Gemäß § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat gemäß § 46 Abs. 2 FPG – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
Das Bundesamt ist gemäß § 46 Abs. 2a FPG jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
Das Gesetz setzt es somit als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. – in dessen Auftrag – der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.
Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).
Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen im Ergebnis zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer an den notwendigen Schritten zur Erlangung eines (Ersatz-) Reisedokumentes nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit mitgewirkt hat. Insbesondere aber besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass eine allenfalls erforderlich werdende Abschiebung aus tatsächlichen, vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erschiene.
Da somit die Voraussetzungen für die beantragte Duldung nicht vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Situation im Mitgliedstaat sowie in der Bewertung der Intensität der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers und demgemäß in Tatbestandsfragen.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Ausreiseverpflichtung Duldung Mitwirkungspflicht Nachweismangel ReisedokumentEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W205.2149556.3.00Im RIS seit
28.06.2021Zuletzt aktualisiert am
28.06.2021